Essen. .

Mounira Ouertani kam mit 13 aus Tunesien nach Essen - nach einem schwierigen Start im fremden Land fühlt sie sich die 22-Jährige längst prima integriert. Geholfen hat ihr das Projekt „Lernen wie man lernt“ des Kinderschutzbundes.

Mit 13 Jahren hat Mounira Ouertani ihre Heimat, ihre Freunde und ihre Sprache verloren. Durch einen Umzug: Ihre Eltern zogen mit fünf Kindern nach Essen, nur eine ältere, bereits verheiratete Tochter blieb in Tunesien. Im Prinzip war das eine Rückkehr, denn die Ouertanis hatten schon vorher einmal in Deutschland gelebt; Mounira - ihre Jüngste - ist in Essen zur Welt gekommen. Doch nachdem sie ihre Kindheit in Tunesien verbracht, Arabisch gesprochen und geschrieben hatte, war der Neustart hier alles andere als leicht.

Mounira machte zunächst einen Test bei der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern aus Zuwandererfamilien (RAA) und bekam eine Empfehlung fürs Gymnasium. „Ein Jahr lang besuchte ich eine Vorbereitungsklasse: Der Unterricht lief auf Deutsch, die Schüler kamen aus aller Welt“, erinnert sich die 22-Jährige. Russen und Türken hätten das Gros der Schüler gestellt und sich bei Gruppenarbeiten oft in ihrer Muttersprache unterhalten. „Anfangs habe ich mehr Russisch als Deutsch gelernt.“

Anfangs lernte sie mehr Russisch als Deutsch

Das klinge amüsant, doch sie habe sich als einzig arabischsprachiges Kind manchmal sehr einsam gefühlt. Nach der Vorbereitungsklasse fehlte ihr das Zutrauen, es auf dem Gymnasium zu versuchen. „Ich wollte lieber langsamer Deutsch lernen und ging auf die Hauptschule.“

Dass die nicht zur Endstation ihrer Schulkarriere wurde, ist einer Lehrerin zu verdanken, die dem intelligenten Mädchen das Projekt „Lernen wie man lernt“ des Kinderschutzbundes empfahl. Über Jahre ging Mounira täglich zur Hausaufgabenbetreuung in Altendorf. „Ich kam sogar am letzten Tag vor den Ferien.“ So viel Disziplin sei nicht die Regel, betont Projektleiter Michael Maas: „Mounira war eine besonders treue Seele.“

Hausaufgaben machen und Freundinnen treffen

Sie habe ja beim Kinderschutzbund nicht nur gelernt, sondern dort auch Freundinnen getroffen. „Ich habe tolerante Eltern, aber viele andere Mädchen durften weder ausgehen noch Besuch bekommen.“ Ihnen blieb die Hausaufgabenbetreuung als akzeptierter Treffpunkt. Dort hätten sie Rezepte aus dem Irak, dem Libanon oder Tunesien ausgetauscht, arabischen Kaffee gekocht und geplaudert. „Auf Deutsch - und höchstens mal ein winziges arabisches Wort.“

Zum zweiten Zuhause sei die Hausaufgabenbetreuung geworden, auch weil es Kino- und Theaterbesuche gab oder Ausflüge an den Baldeneysee. „Meine Eltern waren nie mit mir im Theater.“ Ihr Vater ist Maurer, die Mutter Schneiderin, beide haben Deutsch nur vom Hören gelernt. Bei den Hausarbeiten hätten sie ihr nicht helfen können, aber sie legten Wert darauf, dass Mounira Hilfe bekommt, dass sie fehlerfreies Deutsch lernt.

Tatsächlich gelang dem ehrgeizigen Mädchen der Wechsel von der Hauptschule aufs Gymnasium, wo sie Deutsch als Leistungskurs belegte und 2008 als Erste der Familie Abitur machte. „Da waren meine Eltern sehr stolz.“ Nach einem halbjährigen Praktikum bei Eon Ruhrgas studiert sie nun Volkswirtschaftslehre (VWL) in Bonn, will nach dem Bachelor mehrere Sprachen lernen. Ohne die Hilfe der Kinderschutzbund-Mitarbeiter hätte sie das alles nicht geschafft, glaubt Mounira. „Die haben uns auch motiviert, uns Berufe vorgestellt, Wege aufgezeigt.“

Heute denke sie auf Deutsch und fühle sich prima integriert, auch wenn sie ihre Wurzeln, ihre Religion nicht vergesse. Sie wünsche sich einen deutschen Pass, könne sich aber vorstellen, mal ins Ausland zu gehen. Sie lacht: „Ich habe diese Erfahrung ja schon früh gemacht.“ - Und gemeistert.