Essen. .
Der Essener Kinderschutzbund schlägt Alarm: Während Politiker aller Couleur über mögliche Strafen für sogenannte Integrationsverweigerer diskutieren, schwebten Hilfsangebote für Kinder mit ausländischen Wurzeln in Gefahr.
„Die selben Politiker, die jetzt über mangelnde Sprachförderung lamentieren, haben die entsprechenden Etats zusammengekürzt“, sagt der Vize-Vorsitzende des örtlichen Kinderschutzbundes, Ulrich Spie.
Gleichzeitig mache sich beim Spendenaufkommen nun die Wirtschaftskrise bemerkbar: Um gut 100 000 Euro seien die Spenden für den Kinderschutzbund im ersten Halbjahr 2010 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Durch Naturkatastrophen in anderen Erdteilen und die folgenden Hilfsaktionen dort gebe es immer mal Einbußen bei den Spenden für hiesige Organisationen, erklärt Spie. „Aber einen solchen Einbruch wie jetzt haben wir in Essen noch nie erlebt.“ Viele Bürger müssten wohl so knapp kalkulieren, dass wenig Geld für Mildtätigkeit bleibe, doch auch große Konzerne und Stiftungen seien nun weniger großzügig. Dabei könne die Arbeit des Kinderschutzbundes, der in Essen 13 Einrichtungen unterhält, nur durch Spenden gesichert werden.
Schulversager zum Abitur geführt
Spie ist trotzdem zuversichtlich, mit Hilfe spendabler Bürger ein neues Projekt umsetzen zu können: In Altenessen will der Kinderschutzbund ein „Lernhaus für Kinder“ schaffen, in dem frühkindliche Bildung, Hausaufgabenbetreuung sowie Sprach- und Erziehungskurse unter einem Dach vereint werden sollen. Etwa 750 000 Euro werden Umgestaltung und Sanierung eines früheren Schulgebäudes an der Altenessener Straße kosten. Die Hälfte ist bereits durch eine Finanzierungszusage sowie durch eine Spende in Höhe von 150 000 Euro abgedeckt. Nun muss der Kinderschutzbund immer noch stolze 375 000 Euro sammeln. Und dabei will die WAZ mit Berichten über die wichtige Arbeit des Kinderschutzbundes tatkräftig helfen.
Ein lohnender Einsatz, wirbt Spie, und verweist auf den Erfolg des Projekts „Lernen wie man lernt“, das man vor zehn Jahren gestartet hat, „also lange bevor Thilo Sarrazin die Debatte über misslungene Integration anzettelte“. Derzeit betreue man 450 Schüler an fünf Standorten - je nach Stadtteil liege der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zwischen 62 und 96 Prozent. Das Interesse sei so groß, dass man leider immer wieder Schüler abweisen müsse. „Wir hatten Jugendliche, deren Prognose Sonderschule oder Schulabbruch lautete – die haben jetzt Abitur.“
Darum mahnt Spie, in den türkischen, arabischen oder libanesischen Kindern nicht die Sozialfälle, sondern die Fachkräfte von morgen zu sehen. „Wir klagen über Fachkräftemangel und erlauben uns gleichzeitig, dass Kinder ohne Schulabschluss bleiben. Für den scheiternden Hauptschüler gibt es dann Förderangebote – da sind wir doch viel zu spät unterwegs!“
Spenden an die Stiftung „Lernen wie man lebt“, Kontonummer 922 22 00, BLZ 302 201 90, HypoVereinsbank, Stichwort „Lernhaus“.