Essen. .
Das frühere Schulgebäude an der Altenessener Straße 273 ist kein Hingucker. Doch der Kinderschutzbund, der nebenan die Kita Arche und das Projekt „Lernen wie man lernt“ betreibt, will aus der Altlast eine Zukunftswerkstatt machen.
Hier sollen Familien gemeinsam lernen, sollen die ganz Kleinen bei ihrer Neugier gepackt werden, soll der Ehrgeiz der Eltern neu belebt werden. Gebaut wird das „Lernhaus für Kinder“ auf einem soliden Fundament: den jahrzehntelangen Erfahrungen des Kinderschutzbundes.
Eine dieser Erfahrungen lautet: „Die größten Probleme in den Familien entstehen an den Übergängen.“ So formuliert das Annette Müller, die das Kinder- und Familienzentrum „Blauer Elefant“ in Katernberg leitet. Der erste Übergang sei der vom Paar zur Elternschaft, dann folgten Kindergartenstart, Einschulung, Schulwechsel. Da könne es hilfreich sein, wenn vertraute Begleiter erhalten bleiben. Darum seien Kita und Hausaufgabenbetreuung in Katernberg unter einem Dach untergebracht, darum besuche man alle künftigen Kindergartenkinder zu Hause, um auch ihre Eltern vom ersten Tag an einzubinden. Nicht Kontrolle sei das, sondern vertrauensbildende Maßnahme.
Das hartnäckige Klischee von den Migrantenkindern, die nicht in den Kindergarten geschickt werden, kann Annette Müller nicht bestätigen. Im Gegenteil, die Anmeldezahlen seien hoch. Nur bei kleinen Randgruppen müsse man schon mal Überzeugungsarbeit leisten.
Kinder machen den Lernführerschein
Allgemein gelte, wer Eltern erreichen wolle, müsse ihnen Respekt entgegenbringen statt sie gleich mit ihren Defiziten zu konfrontieren. „Sonst kommen die nicht mehr zum Gespräch.“ Mit Fotos und Bildern veranschauliche sie die Entwicklung von Sohn oder Tochter. „Wenn man gelobt hat, wie gut das Kind den Stift hält, kann man leichter auch mal die passende Kleidung für Regenwetter ansprechen.“
Das mag banal klingen, doch der Vize-Vorsitzende des Essener Kinderschutzbundes Ulrich Spie, hat schon zu oft aus Lehrermund den Satz gehört: „Das ist doch eh eine asoziale Familie.“ Das Projekt „Lernen wie man lernt“ setze dagegen auf Wertschätzung der Eltern und Stärkung der Schulkinder. Letztere werden mit kleinen Erfolgserlebnissen gleichsam angefüttert, Motto: „Du hast die Hausaufgaben geschafft, jetzt kannst Du Dich auch im Unterricht melden.“
Den Schülern wird aber nicht allein bei den Aufgaben geholfen, sie erlernen vielmehr Grundkompetenzen, die sie während ihrer Schullaufbahn immer wieder brauchen - für deren Nachweis gibt es den Lernführerschein in vier Stufen. Erst geht es um Schneiden, Falten, Kleben, dann um das sorgfältige Packen eines Schulranzens, später ums Vokabelpauken. Zum Programm des Projekts gehören außerdem ein günstiges Mittagessen, Ausflüge sowie Sport- und Freizeitangebote.
Familien kämpfen mit existenziellen Problemen
An fünf Standorten werden derzeit gut 450 Schüler „mit problematischen Elternhäusern und/oder Migrationshintergrund“ gefördert, wie es im Konzept heißt. Und Projektleiter Michael Maas stemmt sich gegen den Generalvorwurf von Integrationsunwilligkeit oder Versagen der Familien. „Wenn Menschen mit existenziellen Problemen kämpfen, weil ihnen zum Beispiel die Abschiebung droht, muss man ihnen erstmal dabei helfen, bevor man nach den Hausaufgaben der Kinder fragt.“ Im übrigen sei das Interesse an einem Platz so groß, dass es eine Warteliste gebe, betont Maas. „Es tut mir sehr weh, wenn die Kinder und ihre Eltern Hilfe wollen und ich sie abweisen muss.“
Verschärft werde das Problem momentan durch die Situation am Standort Altenessen, wo die baufälligen Pavillons allmählich verrotten. Auch darum hofft Maas, dass die nötigen Spenden für den Umbau des benachbarten Schulgebäudes zusammenkommen. Das neue „Lernhaus für Kinder“ böte auf drei Stockwerken nicht nur Platz für „Lernen wie man lernt“, sondern für eine Kindertagesstätte, Elternkurse und Erziehungsberatung. Hier könnten die schwierigen Übergänge im Leben abgemildert werden, könnten Familien lernen, wie man lebt.
Spenden an die Stiftung „Lernen wie man lernt“ Konto-Nummer 922 22 00, BLZ 302 201 90. HypoVereinsbank. Stichwort „Lernhaus“