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1998 wurde eine 26-jährige Essenerin nachts an der U-Bahn-Haltestelle „Saalbau“ äußerst brutal misshandelt und vergewaltigt. Am Mittwoch stand der Täter vor dem Essener Landgericht - und erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Es geschah vor fast dreizehn Jahren, im Februar 1998 wurde eine 26-jährige Essenerin nachts an der U-Bahn-Haltestelle „Saalbau“ äußerst brutal misshandelt und vergewaltigt. Nach einer Ermittlungspanne kam man dem inzwischen 42-jährigen Täter erst jetzt durch Sperma auf die Spur, das er am schwarzen Mantel des Opfers hinterlassen hatte. Am Mittwoch stand der Duisburger vor der XVI. Strafkammer des Essener Landgerichts - und erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Mädchen zum Zweck gezwungen

Der ungewöhnliche Hintergrund: Zwei Monate vor der Vergewaltigung an der Huyssenallee hatte Alexander M. am 29. September 1997 drei Mädchen, elf, zwölf und dreizehn Jahre alt, auf einem Feldweg in Kettwig erbarmungslos brutal zum Sex gezwungen, anal, oral und vaginal. Sperma Spuren brachten ihn auch in diesem Fall auf die Anklagebank. Im Mai 1999 gab es für den verheirateten Vater von zwei Kindern in dieser Sache eine ungewöhnlich milde Strafe von fünf Jahren. Auch Richter Martin Hahnemann, hat damit im gestrigen Prozess Probleme: „Das kann ich mir überhaupt nicht erklären“, sagt er. Hätte das Gericht in der Verhandlung 1999 von der Vergewaltigung an der U-Bahn gewusst, wäre es zu einer Gesamtstrafe gekommen. Deshalb, so begründen die Juristen, ist es jetzt nicht möglich, eine für die Tat angemessene Strafe auszusprechen, da der Angeklagte nicht härter bestraft werden darf, als es damals in einem Gesamturteil geschehen wäre, das vermutlich bei sieben Jahren gelegen hätte. „Härteausgleich“ nennt das der Bundesgerichtshof.

„Ich weiß nicht, was mich damals geritten hat“, sagt Alexander M. jetzt zu der Vergewaltigung an der U-Bahn. Nachdem er sich „ tierisch“ mit seiner Frau gestritten habe, sei er ziellos durch die Gegend gelaufen und auf die 26-Jährige getroffen. Sie wehrte sich heftig. Er zog sie an den langen Haaren, drohte sie zu töten und würgte sie, um ihre Hilferufe zum Schweigen zu bringen. „Sie muss Todesangst gehabt haben“, vermutet Staatsanwältin Katharina Küpper. Das Opfer kann nicht gehört werden, ist für das Gericht nicht erreichbar, da es inzwischen in Australien lebt.

300 Sozialstunden

Eine Erklärung für den Missbrauch der Mädchen nannte Alexander M. damals nicht im Prozess. Am Hauptbahnhof hatte er sie in sein Auto gelockt, war zwei Stunden durch die Straßen gefahren, bevor er in den Feldweg einbog. Nun sagte er, nach dreieinhalbjähriger Sexual-Therapie in der Haft wisse er, dass er damals großen Stress, Probleme mit der Frau, im Beruf und mit den Kindern in sich hineingefressen habe, bis es zum Ausbruch kam. Auch dem Therapeuten verschwieg er die Tat an der Huyssenallee. Seit rund sieben Jahren ist der Angeklagte wieder auf freiem Fuß. Die Entscheidung, dass er die zwei Jahre wegen der Vergewaltigung nicht verbüßen muss, begründet das Gericht mit der „günstigen Sozialprognose“: Nach der erfolgreichen Therapie sei „nichts mehr passiert.“ Der arbeitslose Mann muss lediglich 300 Sozialstunden leisten.