Essen. .

Einen Park sucht man in Bredeney vergebens. Doch warum sollte man ihn auch suchen, wenn der Wald eigentlich von jedem Punkt aus in fünf Minuten zu Fuß erreichbar ist? Wer in Essen eine Besichtigungstour unternimmt, kommt an Bredeney schlecht vorbei.

„Bredeney ist so etwas wie die Grüne Lunge im Süden der Stadt“, findet Lutz Weiler (63), Delikatessen-Händler und Vorsitzender der 2002 gegründeten Interessengemeinschaft „Bredeney attraktiv“. Isenburg, Baldeneysee, Jagdhaus Schellenberg, vor allem aber der Kruppsche Familiensitz Villa Hügel – wer in Essen eine Besichtigungstour unternimmt, kommt an Bredeney schlecht vorbei. Gut erhaltene alte Bausubstanz, Villen mit sehenswerten Fassaden: „Das sind schon echte Zuckerstückchen. Zum Glück sind wir im Zweiten Weltkrieg von Zerstörungen weitgehend verschont geblieben. Die Alliierten wollten wohl eher die Produktionsanlagen von Krupp treffen als seinen Wohnsitz“, sagt Weiler.

Sein Geschäft an der Bredeneyer Straße ist Ausgangspunkt für den Spaziergang, an dem auch Hans-Ulrich Philipsenburg (67) teilnimmt, Koordinator bei „Bredeney attraktiv“ und damit ebenfalls in Sachen Stadtteil-Kommunikation unterwegs. „Miteinander reden ist das Wichtigste, wenn man den Stadtteil voranbringen will“, ist er überzeugt.

Erster Stopp: ein imposantes Gebäude im Stilmix

Erster Stopp: das 1902 erbaute Bredeneyer Rathaus, ein imposantes Gebäude im Stilmix. „Das ist der Mittelpunkt Bredeneys, nicht der geographische, aber der gefühlte“, erläutert Lutz Weiler. Das Rathaus war von 1902 bis zur Eingemeindung Bredeneys zu Essen im Jahr 1915 Sitz der Bürgermeisterei.

Das - noch - städtische Gebäude beherbergt die Schule für Ergotherapie des Landschaftsverbandes Rheinland, deren Mietvertrag allerdings 2012 ausläuft, berichtet Weiler. Danach sei der Einzug von Praxen oder Kanzleien angedacht. Was auch immer: Entscheidend für die Bredeneyer dürfte dabei sein, dass der historische Ratssaal, Schauplatz von Konzerten und Neujahrsempfängen, als Veranstaltungsort erhalten bleibt. „Undichte Fenster, schwer zu heizen: Für die Stadt ist der Erhalt solch historischer Gebäude sehr teuer“, weiß Weiler. Aber schließlich sei die kulturgeschichtliche Bedeutung des Hauses immens.

Apropos Kultur: Vom Rathaus schaut man unmittelbar auf die Wendeschleife der „Kulturlinie“ 107, die in Bredeney anfängt und bis nach Gelsenkirchen führt und deshalb für Betrachtungen zum Süd-Nord-Gefälle sehr beliebt ist. „Ja, die Bredeneyer sind schon relativ wohlhabend. Der Migrantenanteil ist gering, aber der Stadtteil ist auch ein bisschen überaltert“, beschreibt Weiler die Bevölkerungsstruktur. Langsam rücke die sogenannte Erbengeneration nach, es gebe somit wieder mehr Familien mit Kindern. Das Problem: Viele Erben wohnten gar nicht vor Ort, zeigten kein Interesse an den Häusern – was, wie vor kurzem an der Straße Hohe Buchen geschehen, Bauträger anlockt, die Villen zugunsten von modernen Eigentumswohnungen abreißen ließen.

Und das verändert zwangsläufig das Stadtbild. Der gebürtige Bredeneyer Weiler kann sich gut erinnern, dass hinter seinem Elternhaus an der Graf-Bernadotte-Straße - auch dieses musste Neubauten weichen - direkt das Feld begann. Überhaupt war Bredeney ursprünglich sehr ländlich. Die Straße „Zweihonnschaftenwald“ in der Nähe der Goetheschule erinnert daran, dass der heutige, rund 12 000 Einwohner zählende Stadtteil aus den beiden Bauernschaften Schuir und Bredeney hervorging.

„Der Flugverkehr ist ein Problem“

„Hier gibt es gleich zwei Aussichtspunkte, von denen man einen tollen Blick über die Stadt hat“, erläutert Hans-Ulrich Philipsenburg vor der Goetheschule und meint den Turm des Gymnasiums und den wenige Meter entfernt stehenden ehemaligen Wasserturm, in dem es Wohnungen und eine Werbeagentur gibt. Originelles Wohnen und kreatives Arbeiten sollte hier möglich sein. Dass die Bilder aufgrund der sich verjüngenden Form des Bauwerks nicht so an der Wand hängen wie anderswo, dürfte da wohl weniger ins Gewicht fallen.

Die Goetheschule punktet mit geschichtsträchtigem Ambiente, stilvoller Aula und hochmodernem Anbau, für dessen Finanzierung Eltern und Freunde der Schule in Millionenhöhe spendeten. „Kinder in Bredeney haben das Glück, in der Regel von den Eltern vom Kindergarten bis zum Abitur gefördert zu werden“, sagt Lutz Weiler.

Also alles gut in Bredeney? „Der Flugverkehr ist ein Problem. Die Flieger sind hier im Landeanflug auf Düsseldorf, überqueren uns oft alle paar Minuten. Noch schlimmer sind allerdings Stadtteile wie Kettwig betroffen, wo die Maschinen noch niedriger fliegen“, sagt Philipsenburg. „Trotzdem freuen wir uns, wenn bei Ostwind die Flugzeuge abdrehen“, schmunzelt Weiler.

Ein weiteres Problem sieht er in der guten Anbindung durch die B224 und die A52. Zu gut angebunden? „Naja, die Bredeneyer sind zum Teil ja recht kaufkräftig, so dass sie sich zum Einkaufen mal schnell Richtung Düsseldorf orientieren. Und wenn man schon mal da ist, bringt man auch das ein oder andere mit, was man dann in Bredeney nicht mehr kauft“, erläutert der Geschäftsmann. Fehlende Freizeitmöglichkeiten hätten einen ähnlichen Effekt: „Wenn die Mutter ihr Kind zum Reiten nach Kettwig oder Werden fährt, nutzt sie die Wartezeit und kauft dort ein.“

Kaum Leerstände

Dabei bietet Bredeney eigentlich alles, um den täglichen Bedarf vor Ort zu decken. Fast alle Läden sind inhabergeführt. Der kleine Markt offeriert dienstags nur Obst, freitags das ganze Sortiment. „Im Gegensatz zu Rüttenscheid haben wir den Nachteil, dass es keinen Platz für Außengastronomie an der Bredeneyer Straße gibt. Deshalb lädt unsere Geschäftsstraße nicht so zum Verweilen ein wie die Rü“, bedauert der Vorsitzende von „Bredeney attraktiv“. Abgesehen davon lässt das gastronomische Angebot wenig Wünsche offen, vom Biergarten bis zum Edel-Italiener ist alles vertreten. Auch finanztechnisch hat man die Qual der Wahl: Filialen vieler Banken kümmern sich um das Geld der Bredeneyer. „Leerstände gibt es kaum, derzeit nur einen einzigen, unweit der Kreuzung Bredeneyer/Frankenstraße. Dort kann man wegen der Straßenbahnhaltestelle nicht vor dem Haus parken, so dass das Ladenlokal nicht für jede Branche geeignet ist“, erklärt Weiler.

Auf dem Weg zurück geht es vorbei an einer eingezäunten Baustelle an der Zeunerstraße. Die Stadtwerke verlegen neue Kanäle - und kämpfen dabei gegen den felsigen Untergrund. Zur Freude der Anwohner und Geschäftsleute geht ein Großteil der Arbeiten unterirdisch in einem extra angelegten Tunnel vor sich. Doch ganz bleibt den Bredeneyern die offene Bauweise wohl nicht erspart, was die Idylle aber sicherlich nur vorübergehend trüben kann.