Essen. .
Die Limousine des verstorbenen Theo Albrecht wurde für 86.000 Euro versteigert. Auf Spurensuche in einem besonderen Auto. Im Grunde ist der Preis ein Schnäppchen. Nur wer Luxus erwartet, wird enttäuscht.
Nur keinen falschen Knopf drücken. Autohändler Michael Fröhlich rät zur Vorsicht. „Ich hab Respekt vor dem Ding“, sagt der Düsseldorfer. Jede unbedachte Bewegung könnte einen Sicherheitsmechanismus aktivieren. Fröhlich hält die Fernbedienung in Richtung des schwarzen Mercedes. Die Zentralverriegelung klickt. Die Türen des S 420 L öffnen sich. „Das war Theos Reich“, sagt Fröhlich. In dieser Limousine, Baujahr 1996, ließ sich der Ende Juli verstorbene Essener Unternehmer und Aldi-Gründer Theo Albrecht kutschieren: knapp 180.000 Kilometer in 14 Jahren. Der Wagen, über den in letzter Zeit schon viel geschrieben wurde, ist jetzt verkauft. Bei genau 86.150 Euro erhielt ein Mann bei einer Internet-Auktion den Zuschlag. Er setzte sich gegen 36 andere Interessenten durch.
Im Grunde ist der Preis ein Schnäppchen. Nur wer Luxus erwartet, wird enttäuscht. Der (neben seinem Bruder Karl) reichste Deutsche griff bei der Innenausstattung zum Billigsten, was Mercedes zu bieten hat. Die Sitzbezüge sind aus Stoff. Wer hinten rechts auf dem Platz des Multimilliardärs Platz nimmt, sinkt tief ein. Das Radio kann nichts außer Musik. Es gibt keine Bildschirme, keine Champagnerbar. Einziger Luxus: eine eigene Klimaanlage mit Sauerstoffversorgung für die hintere Sitzbank. Um es mit Michael Fröhlichs Worten zu sagen: „Eine hässliche Karre!“
Albrecht investierte nur in das Nötigste. Und das war für ihn Sicherheit. Umgerechnet 750.000 Euro ließ sich der Unternehmer Panzerung und ein paar nützliche Details. kosten. Nachdem er 1971 zwei Wochen in Geiselhaft verbrachte, fürchtete Albrecht stets um sein Leben.
Fröhlich lässt die Scheiben herunter. Nach zehn Zentimetern ist Schluss. Soll ja niemand hineinklettern können. Zu sehen bekommt man 6,5 Zentimeter dickes Glas aus mehreren Schichten. Jede Scheibe wiegt 100 Kilo. Ein normaler Fensterheber schafft das nicht. Der Prominentenauto-Händler muss den Motor anlassen, um die hydraulischen Pumpen zu aktivieren.
Gewicht von 3,5 Tonnen
Der Motor schnurrt wie ein Kätzchen. Der Wagen habe bei einer Testfahrt nur 11 Liter auf 100 Kilometern verbraucht, sagt Fröhlich. Wen wundert’s: Bei der Motorisierung griff Theo Albrecht, der kurz vor seinem Tod in der Liste der reichsten Menschen der Welt auf Platz 31 stand, zur Sparversion des Herstellers: 279 PS, 4,2 Liter-V8-Motor. Nicht viel für so ein schweres Auto. Die Rundfahrt ist für Fröhlich denn auch kein großes Vergnügen. Der Wagen bewegt sich trotz seiner Motorisierung schwerfällig. Sein Gewicht von 3,5 Tonnen drückt das Panzer-Auto in jeder Kurve zur Seite.
Draußen regnet’s. Die Tropfen perlen von der Scheibe ab. Nur drinen ist nichts davon zu hören. Die Panzerung, die so dick ist, dass sie sogar den Beschuss mit einer Panzerfaust abhalten soll, schirmt jeglichen Lärm ab. Kontakt zur Außenwelt konnten Albrecht oder sein Fahrer dennoch aufnehmen. Richtmikrofone in den Spiegeln übertrugen jedes noch so leise Gespräch in bis zu 30 Metern Entfernung ins Innere. Albrecht hätte auch über den Außenlautsprecher um Hilfe rufen können.
Man muss schon genau hingucken, um weitere Extras zu entdecken. Zum Beispiel an den Türen: Unter einer Kunststoffkappe verbirgt sich ein Knopf. Der Druck darauf könnte eine Explosion auslösen. Die Tür flöge spektakulär zur Seite. Das hätte dem Eigentümer im Notfall einen, zwar wenig bequemen, aber sicheren Ausstieg beschert. James Bond lässt grüßen.
Sprengvorrichtungen
Ein Blick in den Kofferraum: Der ist herrlich geräumig. Platz genug für den Familieneinkauf irgendwo bei Aldi-Nord. Wäre es zum Schlimmsten gekommen und der Besitzer zum Entführten im eigenen Kofferraum geworden, hat der Hersteller auch hier vorgesorgt: Ein Kopfnicken nach oben und Albrecht hätte selbst in gefesseltem Zustand Alarm auslösen können. Daneben wieder eine Sprengvorrichtung. Kleine Schwachstellen in der Karosserie sind ebenfalls mitbedacht. Neben dem Chauffeur, den es bei Entführungen meist zuerst trifft, gibt es noch einen Kugelfang.
Albrecht ist sehr pfleglich mit dem Wagen umgegangen. Die Sitze sind nicht durchgescheuert, was den Käufer freuen wird. Wer es ist, darüber darf Michael Fröhlich nicht reden. Das hat ihm der Meistbietende verboten. Nur soviel: „Er ist ein sehr verschlossener Mensch“, sagt Fröhlich. Wenn das stimmt, müsste sich das Auto gar nicht groß umgewöhnen. Das Aldi-Prinzip Nummer eins bliebe gewahrt.