Essen. .
Die Schuldnerhilfe in Essen verzeichnete 2009 einen dramatischen Anstieg an Hilfesuchenden und fast 34 Prozent mehr Privatinsolvenzen. Viele Menschen verschuldeten sich mittlerweile auf blanker Not. Neuestes Sorgenkind ist die sogenannte „Revolutionierende Kreditkarte“.
„Die Lohnspirale dreht sich immer weiter nach unten: Kurzarbeit, kein Weihnachtsgeld, befristete Arbeitsverträge, Arbeitslosigkeit und Hartz4. Viele Menschen verschulden sich mittlerweile aus blanker Not“, sagt Wolfgang Huber, Leiter des Vereins „VSE - die Schuldnerhilfe“ und zieht Bilanz über die Beratungen im Krisenjahr 2009: „Die Zahl der Neuzugänge stieg dramatisch um 29 Prozent auf 1331 Fälle, die höchste Steigerung in den vergangenen zwölf Jahren“. Insgesamt hatte die Schuldnerhilfe 2009 2252 Haushalte mit 4700 Familienmitgliedern in der Betreuung.
Auch über 105 000 Klicks auf die Internetseite und die Tatsache, dass viele Hilfesuchende in der offenen Sprechstunde, montags von 10 bis 12 Uhr, auf einen anderen Termin vertröstet werden müssen („wir garantieren Hilfe innerhalb von zehn Tagen“) sprechen eine deutliche Sprache: Die Schuldnerhilfe ist gefragt wie nie zuvor. Viel mehr Menschen landen in der Krise in der Armut, werden zahlungsunfähig. Andere erliegen den Verlockungen des Konsums, gehen immer ausgebuffteren Finanzierungsmodellen von Geschäften auf den Leim.
„Die wenigsten sparen heute noch vor einer Anschaffung“
Das neueste Sorgenkind der Schuldenexperten sind sogenannte „Revolvierende Kreditkarten“: „Der Kunde macht auf der Kreditkarte eines Kaufhauses immer weiter Schulden, abgezahlt werden jedoch monatlich nur fünf bis sieben Prozent Tilgung, der Rest bleibt mit hohen Schuldzinsen stehen. Das Ganze ist kaum zu durchschauen“, erklärt Huber. Margret Schulte, stellvertretende Vorsitzende des Vereins ergänzt: „Die wenigsten sparen heute noch vor einer Anschaffung – und Kreditkarten bekommt man überall“.
Dem mehr an Arbeit hatte die Schuldnerhilfe 2009 nur eine zusätzliche Stelle entgegenzusetzen. Mit 14 Beratern und 4 Verwaltungskräften wird ein immenses Pensum geleistet. Immerhin: Der städtische Anteil von 130 000 Euro (freiwillige Leistung) am Gesamtetat von 450 000 Euro ist derzeit vom Sparpaket der Stadt nicht betroffen, sagte Oberbürgermeister Reinhard Paß bei der Bilanzpräsentation in seinem Büro.
Das Angebot umfasst: Allgemeine Schuldnerberatung, Präventionsarbeit an Schulen , Betreuung von Langzeitarbeitslosen und Begleitung von Verbraucherinsolvenzen. Gerade letztere sind für die Berater ein Zeichen dafür, dass Essen von der Krise besonders hart getroffen wurde. Die Anzahl der Privatinsolvenzen stieg in Essen von 649 in 2008 auf 867 in 2009 – eine Steigerung von fast 34 Prozent. Im Landesschnitt stiegen die Verbraucherinsolvenzen jedoch nur um 6,1 Prozent.
Als gelungen wertet die Schuldnerhilfe eine Änderung bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen: „Wir legen jetzt Stundenkontingente fest, die in Abstimmung mit den Fallmanagern des Jobcenters durch Beratungsgutscheine gedeckt werden. 445 Erwerbslose konnten so betreut werden“, so Wolfgang Huber.