Essen. .

CDU, FDP, Grüne und EBB haben den veränderten Spar-Haushalt gegen SPD und Linke durchgesetzt. Der Appell von OB Paß, der Rat möge sich mit breiter Mehrheit auf einen Sparkurs einigen, blieb ungehört.

Die inzwischen etablierte Zusammenarbeit zwischen CDU, FDP, Grünen und Bürgerbündnis (EBB) führte gestern im Rat der Stadt zu der erwarteten Konfrontation mit SPD und Linken bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2010/2011. Enthalten ist darin das in der Stadtgeschichte bei weitem größte Sparpaket mit vielen Einschnitten.

Weil sich die Politiker nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, kam es zur Kampfabstimmung: Dabei setzten sich das Vierer-Bündnis mit ihrer knappen Mehrheit gegen SPD und Linkspartei durch. Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) wählte ein auf den ersten Blick verwirrendes Abstimmungsverhalten: Er enthielt sich bei fast allen von „CDU und Partnern“ eingebrachten Änderungspunkte, stimmte gegen die vom Bündnis gewollte Personalreduzierung, gab dem gesamten Haushalt aber seine Zustimmung: „Das Sparziel insgesamt wurde erreicht.“

Kultur wird geschont

Der Umfang des Sparpakets von 110 Millionen Euro pro Jahr galt allen Fraktionen mit Ausnahme der Linken als „alternativlos“. Das Vierer-Bündnis hatte aber einige wichtige Sparzwänge verschoben (siehe Liste unten).

So soll die Kultur stärker geschont und die Gewerbesteuer für Betriebe geringer angehoben werden, die von allen Bürger zu zahlende Grundsteuer wird hingegen kräftiger erhöht als von der Stadtspitze geplant. Zudem soll die Zahl der Führungskräfte bei städtischen Gesellschaften reduziert werden.

Die SPD sah darin keinen gangbaren Weg, hält diesen Kurs für „unsozial“ und - was den Personalabbau angeht - auch für unrealistisch. Fraktionsgeschäftsführer Roman Brüx: „Die Konsolidierungslinie des Oberbürgermeisters ist damit verlassen worden.“ SPD und Linke haben sich deshalb entschieden, den von der Ratsmehrheit veränderten Haushaltsentwurf abzulehnen.

Zum wiederholten Mal - nun auch bei der so wichtigen Verabschiedung eines Haushalts - zeigte sich damit, dass Paß seinen Kurs im Rat nicht durchsetzen kann. Sein jüngst in einem WAZ-Interview geäußerter Appell, der Rat möge sich mit breiter Mehrheit auf einen Sparkurs einigen, verhallte ungehört.

Besonderen Zorn über diesen Umstand hegt die SPD gegenüber den Grünen. In seiner Etat-Rede warf SPD-Fraktionsvize Rainer Marschan der Partei vor, die Etat-Beschlüsse des Vierer-Bündnisses stellten keine wahrhaft grüne Politik dar. Allerdings stimmten die Grünen in einem Punkt mit SPD und Linken: Entgegen dem Wunsch von CDU und FDP und entgegen dem mehrheitlichen Elternwillen wird eine katholische Schule in Überruhr mit einer Gemeinschaftsgrundschule zusammengelegt und so als Konfessionsschule faktisch aufgelöst.

Weniger Lasten für Betriebe, mehr Kosten für Bürger

Mit ihrer Mehrheit von 43 von 83 Stimmen im Stadtrat haben CDU, Grüne, FDP und Essener Bürgerbündnis (EBB) folgende Korrekturen am vorgelegten 110-Millionen-Euro-Sparpaket beschlossen:

Kontrollgremium: Angesichts der scharfen Kritik des Rates an der zögerlichen Umsetzung früherer Sparbeschlüsse durch die Verwaltung soll nun ein neuer Ausschuss den Konsolidierungskurs stärker überwachen - auch den, der 67 Stadttöchter.

Synergien: Die fürs Marketing der Stadt wichtigen Töchter Wirtschaftsförderung EWG, Essen Marketing (EMG) und die Messe sollen ihre Synergien ausloten. Die EMG soll bis zu 90 000 Euro mehr sparen als geplant.

Beteiligungen: Leitungspositionen der Stadttöchter sollen verringert, das Gehalts- und Prämiensystem überprüft werden. Erhoffte Einsparung: 3,4 Millionen Euro pro Jahr.

Personal: Bis 2015 sollen 1000 von knapp 9000 Stellen der Kernverwaltung gekappt werden - Kostenersparnis: 3,4 Millionen Euro pro Jahr.

Energie-/ Klimakonzept: Dabei werden 60 000 Euro weniger gespart als gedacht.

Parkplätze: Generell steigen die Parkgebühren um bis zu 30 Prozent. Generell sollen für alle Parkplätze auf städtischem Grund Parkgebühren genommen werden.

22. Etage Rathaus: Die Repräsentationsetage soll an Privatleute vermietet werden.

Gewerbesteuer: Unternehmer sollen künftig 480 statt bisher 470 Prozent zahlen - die Verwaltung hatte 490 vorgesehen. Erleichterung für die Wirtschaft: 7,750 Millionen.

Grundsteuer: Hauseigentümer und Mieter müssen künftig statt 510 satte 590 Prozent Grundsteuer zahlen: Eine Zusatzlast von 16 Millionen Euro pro Jahr, für jeden Einwohner macht das im Schnitt 28 Euro aus. Die Verwaltung hatte nur 560 Prozent und eine Mehreinnahme von 10 Millionen Euro geplant.

Hotelabgabe: Die neue Hotelsteuer von 5 Prozent auf die Übernachtungspreise wird nicht eingeführt. Damit fällt die eingeplante Mehreinnahme von drei Millionen weg.

Sonnenbänke: Kommerzielle Sonnenbänke werden mit einer Abgabe belegt, die 100 000 Euro einbringen soll.

RWE-Aktien: Die im Eigentum der Stadt befindlichen RWE-Aktien sollen an einen Investor verliehen werden - gegen eine Gebühr von einer halben Million Euro.

TuP: Die Theater und Philharmonie muss jährlich 2,7 Millionen Euro weniger sparen als die Verwaltung plante. Der städtische Verlustausgleich für die TuP wird so bis 2013 von 44,9 Millionen Euro nur noch auf 40,5 Millionen heruntergefahren statt auf 37,8 Millionen. So sollen alle Sparten (Oper, Ballett, Philharmonie, Philharmoniker, Schauspiel) erhalten bleiben.

Bauunterhaltung: Hier soll pro Jahr eine Million weniger gespart werden als geplant.

Suchthilfe direkt: Die Intensität der Betreuung von Suchtkranken soll nicht reduziert werden. Die Transferaufwendungen an die Suchthilfe würden nicht gekürzt. 100 000 Euro weniger Ersparnis.

Uni-Projekt: Der Förderunterricht für Migrantenkinder soll nach Willen des Viererbündnis zunächst weiter mit dem vollen Zuschuss von 180 000 Euro pro Jahr gefördert werden. Die SPD will eine Dauerförderung von 90 000 Euro plus Sponsorengelder.

Geschwisterkinder: Die Beitragsfreiheit bleibt nach Willen fast aller erhalten.

Jugendaufwandswert: Das Geld für die Jugendfreizeiteinrichtungen wird nicht so stark gekürzt wie geplant.

Ratsfraktionen: Sowohl das Viererbündnis als auch die SPD wollen hier kürzen. Die SPD nennt aber eine konkrete Summe: 10 Prozent - 183 000 Euro für 2010/11.

Kindergarten: Bei Zuschüssen für Kita-Betreiber kürzt das Viererbündnis nur halb so viel wie geplant, die SPD wollte dort gar nicht kappen.

Schulen: Die SPD will den Ausstattungsetat um eine Million für Internet-Funknetze und bessere Labore erhöhen.