Essen. .

Der Radweg Rheinische Bahn bietet neue, ungeschminkte Blicke in die Stadtlandschaft: Eine 13 Kilometer lange, starke Tour, die ungeschminkt zeigt, wie Essen ist. Nicht überall schön, aber oft interessant.

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Von DerWesten

Neues in einer Stadtlandschaft zu entdecken, die man ziemlich gut kennt, ist nicht so einfach. In diesem Jahr aber sind viele alte Güterbahnstrecken in Radwege umgewandelt worden, die bislang unzugängliche oder gar verbotene Areale erschließen. Besonders interessant ist der Radweg Rheinische Bahn, der vergangene Woche freigegeben wurde. Kombiniert mit der altbekannten Gruga-Radroute, ergibt sich ein 13 Kilometer langer, zu großen Teilen kreuzungsfreier Rundkurs durch den Westen und die Mitte der Stadt, der nicht nur das Zeug zum Freizeit-Klassiker hat, sondern auch für Leute attraktiv ist, die das Rad zum Einkaufen oder für die Fahrt zur Arbeit nutzen. Die WAZ hat sich auf den Weg gemacht.

Start ist in Rüttenscheid in Richtung Margarethenhöhe. Hier gibt’s erst mal nicht viel Neues, außer dass der neben dem Gruga-Radweg fließende Mühlenbach inzwischen zwar klares Wasser führt und ein bombastisches Naturbett hat, allerdings nur als sehr müdes Rinnsal daherkommt. Im Moment ist das ein trauriger Anblick, der klar macht, weshalb Stadt und Emschergenossenschaft das Regenwasser aus der Kanalisation heraus und in diesen Bach leiten wollen. Er braucht es dringend.

An der Grenze Schönebeck/Frohnhausen/Mülheim beginnt die neu ausgebaute Trasse der Rheinischen Bahn. Man sieht Kleingärten, wilde Brachflächen, einzelne Häuser, die sich an den Bahndamm lehnen, Hundeplätze, eben die typische Rest- und Patchwork-Landschaft des Ruhrgebiets. Die Bewohner der Hopfenstraße, die früher nach hinten raus ab und zu einen Güterzug sahen, müssen sich jetzt mit Scharen von Radlern arrangieren, die neugierig auf die Balkone starren. Ist wohl gewöhnungsbedürftig.

Bizarre Bahnhofs-Reste

Ein paar Kilometer weiter in Höhe Schölerpad tauchen die bizarren Überreste des ehemaligen Bahnhofs Altendorf auf. Rostige Geländer, Treppen, die zu zugemauerten Unterführungen führen, alte Eisenbrücken - ein Geisterbahnhof mitten in Essen. Zehn Minuten weiter am Niederfeld in Bochold ist derzeit viel Phantasie gefragt, wenn man sich vorstellen soll, dass der halb weggebaggerte Bahndamm mal ein See wird. Der legendäre Kiosk von Willi Göken steht zwar noch, aber der Tierfigurenzoo ist schon gemeinsam mit dem Bahndamm ein gutes Stück nach unten gerutscht. Schade um dieses Altendorfer Original.

Wieder einige hundert Meter weiter überspannt die für Radler frisch restaurierte Eisenbahnbrücke die Helenenstraße und von hier an gibt es bis fast zur Innenstadt nur noch Krupp: Da ist der neue Park und der See, auf dem die Freizeitkapitäne ihre ferngesteuerten Schiffe sausen lassen und da ist schließlich das ThyssenKrupp-Quartier mit dem markanten Quader, den man jetzt von der Rückseite sieht. Mit den alten Rohrleitungen, dem Gestrüpp und der langweiligen Pferdebahn nebenan ist dieser Abschnitt eindeutig nicht die Schokoladenseite, und zwar weder der Radroute noch des Quartiers.

Rechts tut sich zuletzt noch ein neuer Blick auf die scheußlichen Häuser des Stahlstraßen-Bordells auf, dann weitet sich die Perspektive und plötzlich ist im Hintergrund die Innenstadt da. Vorne gähnt eine große Brache mit einem bereits gut erkennbarem Park. Erst vom Radweg aus bekommt man einen Eindruck von der beeindruckenden Größe des neuen Uni-Quartiers. Durch die City und den Stadtgarten geht’s zurück zum Ausgangspunkt. Eine starke Tour, die ungeschminkt zeigt wie Essen ist. Nicht überall schön, aber oft interessant.