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Weil knapp ein Drittel der Referendariate an Bewerber aus anderen Bundesländern vergeben werden, gehen viele heimische Lehramtsanwärter in diesem Jahr leer aus. Die Essenerin Nina Pätzig ist eine von ihnen.
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Ihren Nebenjob als Schwimmlehrerin hatte Nina Pätzig bereits gekündigt, am 23. August nämlich wollte sie ihr Referendariat antreten. „Jetzt bin ich froh, dass es noch keinen Nachfolger für mich gibt und ich weitermachen kann“, seufzt die 27-Jährige, die Englisch und Sport studiert hat. Nina Pätzig wird vorerst nämlich nicht ins Referendariat gehen: Es fehlt an Plätzen, das Schulministerium wurde vom großen Andrang auf den Vorbereitungsdienst kalt erwischt.
Darum gibt es jetzt ein Zulassungsverfahren, eine Art NC für angehende Referendare an Gymnasien und Gesamtschulen. Für die Vergabe der Plätze ist zu 60 Prozent die Examensnote entscheidend, außerdem wird auf Wartezeit, Mangelfächer und besondere Härten geschaut. Bis zu 600 Bewerber könnten leer ausgehen, so das Schulministerium. Sie könnten ihr Referendariat frühestens im Februar 2011antreten - ein halbes Jahr später.
33 Prozent an Lehramtsanwärter aus anderen Bundesländern
„Es hieß immer, es gebe Riesenbedarf an Lehrern, es wurde so für das Studium geworben – und jetzt haben sie keine Plätze für uns“, ärgert sich Nina Pätzig. Tatsächlich hatte Schulministerin Barbara Sommer (CDU) noch 2009 einen Mangel an Lehramtsanwärtern beklagt. Eine Klage, die auch außerhalb des Landes gehört wurde. Studenten aus ganz Deutschland bewarben sich um ein Referendariat in NRW. „33 Prozent der Bewerber für den Vorbereitungsdienst stammen aus anderen Bundesländern“, erklärt eine Sprecherin des Schulministeriums. (2005 waren es noch 14 Prozent.) Schulen und Lehrerseminare seien nun „bis an die vertretbaren Grenzen belegt“.
Weil viele der Plätze schon an auswärtige Bewerber vergeben sind, haben heimische Lehramtsstudenten das Nachsehen: Anfang Juni schrieben die Bezirksregierungen ihnen, dass es ein Zulassungsverfahren geben werde. Die Briefe sorgten für Unruhe: Nun können nur die besten Absolventen hoffen, im August ihr Referendariat aufzunehmen.
Etliche Examenskandidaten haben nicht mal die Chance, an dem so kurzfristig angesetzten Zulassungsverfahren teilzunehmen. Dazu müssten bis 18. Juni all ihre Noten und Zeugnisse vorliegen. Bisher war der 9. August der letzte Nachreichtermin, darauf sind viele Prüfungstermine abgestimmt. So erzählt ein 25-Jähriger mit der Fächerkombi Mathe/Sport, er rechne mit einer Gesamtnote von 1,3 bis 1,7, mit der er eigentlich gute Chancen auf einen Referendariats-Platz hätte. Bloß sei ihm für die letzte Prüfung der 21. Juni zugelost wurde - drei Tage nach Ablauf der Bewerbungsfrist. Viele Mitstudenten schlügen bei Professoren und Prüfungsamt Alarm, um bis Freitag ihre Zeugnisse zu erhalten.
Im Essener Prüfungsamt will man von den Sorgen nichts bemerkt haben
Nina Pätzig hat das aufgegeben: Ihr Abschlusskolloquium war für den gestrigen Mittwoch angesetzt. „Mein Prof hätte die Arbeit dann bis zum 9. August benotet. Jetzt hätte er nur bis Freitag Zeit, das ist nicht zu schaffen.“ Sie müsse nun sehen, wie sie bis Februar ihren Lebensunterhalt verdient: Neben ihren Schwimmkursen hat sie noch zwei Uni-Jobs, die sie aber nach dem Examen nicht behalten dürfe.
In der Leitung des Essener Prüfungsamtes will man von den Sorgen der Lehramtsanwärter nichts bemerkt haben. Es sei ja immer klar gewesen, dass es ein Zulassungsverfahren geben könnte. Die Sprecherin des Schulministeriums versteht dagegen, dass kein Student damit gerechnet habe, dass es dazu wirklich kommt: „Das letzte Zulassungsverfahren gab es in den 90ern.“ Da gingen die Absolventen von heute selbst noch zur Schule.