Die Zahl der Amok-Drohungen an Essener Schulen hat sich seit dem Amoklauf von Winnenden im März 2009 verdoppelt.
Der Polizei wurden seitdem 18 Fälle bekannt, in denen Schüler eine Bluttat ankündigten – entweder mündlich, in einem Internet-Forum, oder handschriftlich, per Filzstift-Schmiererei an einer Klotür oder Schulwand. Der durchschnittliche Wert liegt seit März somit bei mehr als vier Fällen pro Monat – vor dem Amoklauf Winnenden waren es zwei. Bei der Tat in Baden-Württemberg am 11. März starben 17 Menschen.
Ungewöhnlich war der Fall einer Amok-Drohung vom vergangenen Wochenende (WAZ v. 20. Juni): Im Briefverteilzentrum in Vogelsang wurden Post-Mitarbeiter auf eine verdächtige Sendung aufmerksam – er war an das Carl-Humann-Gymnasium in Steele adressiert. Die Adresse war unvollständig. Polizeiangaben zufolge waren Teile des Schreibens durch den Umschlag erkennbar – eine Amokdrohung für die bevorstehende Abifete. Die Polizei verständigte die Schulleitung – diese entschied: Abifete abblasen!
Am gestrigen Montag blieb dann das Nordost-Gymnasium in Vogelheim geschlossen – im Stadtteil war am vergangenen Wochenende auf einer Hauswand eine Amok-Ankündigung bemerkt worden.
Nach Paragraph 126 Strafgesetzbuch handelt es sich um eine „Störung des öffentlichen Friedens”. Täter können mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren Dauer belangt werden. Nicht selten werden stattdessen hohe Geldbußen verhängt.
Insgesamt hat die Polizei seit 2006 55 Fälle von Amok-Drohungen an Essener Schulen registriert. Etwa die Hälfte der Täter konnte ermittelt werden – denn besonders intelligent gehen sie meistens nicht vor: Eine schriftliche Hinterlassenschaft an der Schulklo-Tür macht die Ermittlungen für die Polizei dann einfach, wenn Schüler den Kloschlüssel beim Hausmeister erst ausleihen müssen. Dort nachzufragen, grenzt den Kreis möglicher Täter erheblich ein.
Im Internet-Zeitalter sprechen sich Fälle in Windeseile herum – vor allem durch Netzwerke wie „SchülerVZ”. Das trägt erheblich zur Verunsicherung von Schülern, Lehrern und Eltern bei.
Ob eine Amok-Drohung, hastig mit Filzstift an eine Schulklotür geschmiert, ernst zu nehmen ist oder nicht, muss am Ende der Schulleiter selbst entscheiden: Zwar helfen Polizei und Schulpsychologen der Stadtverwaltung bei der Einschätzung – aber: „Die Entscheidung muss man am Ende alleine treffen”, sagt Klaus Peter Kleinsimon, Leiter der psychologischen Schulberatungsstelle. Am Carl-Humann-Gymnasium jedenfalls hat man sich seit Auftauchen des Briefes „hervorragend” von den Experten beraten gefühlt, heißt es. Dort lief gestern der Unterricht wieder normal ab. Die Abi-Feier wird aber wohl nicht nachgeholt.