Essen. Während das Einkaufszentrum Limbecker Platz seine Komplettierung feiert, sorgen sich zunehmend Handelsexperten, Makler und Händler um die einstige Top-Fußgängerzone im Ruhrgebiet, die Kettwiger Straße. Da sich das Center auf junge Leute unter 35 Jahre konzentriere, gebe es eine Marktlücke.

Die meisten gehen davon aus, dass sich die Laufwege der flanierenden Kunden durchs Zentrum stark verändern werden. Sie pendeln wohl künftig eher zwischen dem Limbecker Platz und der „Rathaus-Galerie” (bisher: City-Center), statt vom Bahnhof die Kettwiger Straße entlang zu laufen. In ein bis zwei Jahren hätten die Kunden „ihre neuen Wege gefunden”, meint auch Thomas Glindemeyer vom Einkaufzentrum Limbecker Platz.

Der Kettwiger Straße bleibt also nicht mehr viel Zeit, sich neu zu erfinden. Gewerbeimmobilien-Fachmann Eckhard Brockhoff hat schon in den vergangenen vier Jahren den Abstieg der Kettwiger gespürt: Weniger Kunden, weniger Umsatz, sinkende Mieten, sinkender Häuserwert. „Von 2006 bis 2010 hat sich das Mietniveau an der Kettwiger um 30 Prozent reduziert”, berichtet Brockhoff. Häuser an der Kettwiger seien früher zum 18-fachen der Jahresnettomiete verkauft worden, heute werde man sie noch nicht einmal zum 13,5-fachen Wert los.

Rosen: "Weiterhin eine Ausnahmestellung"

Positiver äußert sich BNP-Paribas-Immobilienfachmann Christian Rosen: „Die Kettwiger hat ihre schwierigen Jahre bereits hinter sich, sie hat weiterhin eine Ausnahmestellung mit hoher Kompetenz in Herrenbekleidung. Sie ist ein Boulevard, auf dem man gerne wandelt.” Mit den Modehändlern Walbusch, New Yorker und Peter Hahn hätten sich nun neue Mieter angesiedelt.

Befragt man Händler an der Kettwiger, so äußern diese nur hinter vorgehaltener Hand ihre Sorge, um den Standort nicht schlecht zu reden. Siegfried Kurzhals, Geschäftsführer der Geschenkartikel-Kette Wicky: „Wenn man durch die Stadt läuft, sieht man ja, was los ist. Sicher ist, dass andere Lagen von dem neuen Center nicht gerade profitieren.” Wicky wird jedenfalls die Kettwiger nach fünfjähriger Vertragsdauer verlassen. Das sei aber, sagt Kurzhals, von vornherein geplant gewesen. Wer an dem Standort folgt, ist noch unklar.

Was wird aus C&A-Haus?

Im Nebel liegt auch noch, was aus dem 1980 erbauten C&A-Haus an der Kettwiger wird: Ende Januar wird die Textilkette das Gebäude aufgeben, weil sich die Düsseldorfer Geschäftsführung für eine kleinere, aber modernere Filiale im Einkaufszentrum Limbecker Platz entschieden hat.

Das Schicksal des vierstöckigen C&A-Hauses hängt nun an einer unbekannten Luxemburger Firma mit dem Namen „Caret S.a.r.l", eine luxemburgische GmbH, die das Haus vor drei Jahren gekauft hatte. Einen Großmieter für das Gebäude zu finden, halten Makler für unwahrscheinlich, zumal laut Brockhoff die Nachfrage sinkt: „Früher wollten zum Standort Essen 200 bis 300 neue Händler ziehen, heute sind es nur zehn.”

Kettwiger als Luxusmeiler

Die Kettwiger müsse sich neu erfinden - als Luxusmeile: „Diese Fachgeschäfte gibt es in Essen nicht mehr. Da sich das Center auf junge Leute unter 35 Jahren konzentriert, existiert eine Marktlücke.”

Die Händler wissen jedenfalls, dass sie investieren müssen, wenn die Kettwiger wieder richtig aufleben soll. Die Regeln des Geschäfts haben sich verschärft, wie C&A-Sprecher Thorsten Rolfes angibt: „Die Kunden haben höhere Ansprüche an das Einkaufserlebnis. Früher reichte es, wenn man das Haus etwa alle zehn Jahre modernisiert hat, heute muss man das alle fünf, sechs Jahre tun."

Herrenhaus bleibt

Der Essener Kaufhof-Leiter Ralf-Peter Irrenberg setzt auf den gemeinsamen Einsatz aller Händler: „Wir wünschen uns, dass wir als Galeria Kaufhof, gemeinsam mit den Geschäftspartnern in der Fußgängerzone und dem Center am Limbecker Platz, den Standort Essen weiter nach vorne bringen.”

Auch Rolfes will nichts Schlechtes über die Kettwiger sagen: „Die Eröffnung des Einkaufszentrums vor anderthalb Jahren hat sich bei uns nicht bemerkbar gemacht.” Die Sorge, dass das Center der Kettwiger schade, teilt Rolfes nicht: „Ich glaube, dass tut der gesamten Innenstadt gut, weil es Menschen in die Stadt zieht.”

Anson's Herrenhaus am Eingang zur Kettwiger jedenfalls bleibt - und weist kursierende Gerüchte zurück, der Standort werde aufgegeben. „Wir fühlen uns hier wohl”, beteuert Anson's-Generalbevollmächtigter Stefan Ziebold.