Das Verfahren gegen den ehemaligen Essener Starchirurgen Christoph Broelsch scheint tatsächlich kurz vor dem Abschluss zu stehen. Ohne weitere Beweisanträge begann die Verteidigung mit ihrem Plädoyer forderte Freisprüche. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vier Jahre Haft beantragt.
Rechtsanwalt Rainer Hamm bedankte sich am Dienstag zu Beginn für die sachliche Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Essen: "Das Gericht hat die Verteidigung durchaus beeindruckt durch eine vorbildliche Aufklärung." Er kündigte ausführliche Plädoyers an. Darin werde es vor allem darum gehen, rechtliche Unterschiede zur juristischen Bewertung durch die Staatsanwaltschaft deutlich zu machen: "Wir werden für unsere Rechtsauffassung werben."
Seinem Mandanten wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, Patienten für eine Chefarztbehandlung zu "Spenden" genötigt zu haben. Außerdem soll der 65-Jährige Steuerhinterziehung und Abrechnungsbetrug begangen haben. Zusätzlich zu den vier Jahren Haft hatten die Staatsanwälte Hans-Joachim Koch und Christian Bolik am 22. Februar nach 27 Verhandlungstagen ein dreijähriges Berufsverbot für den Mediziner gefordert. Hamm sprach zu Beginn seines Plädoyers von einem "methodischen Kurzschluss", dem die Staatsanwaltschaft beim vorgeworfenen Abrechnungsbetrug unterliege.
Freisprüche forderte Hamm bei den Anklagepunkten Nötigung und Bestechlichkeit. Er warf Staatsanwalt Koch Unsachlichkeit vor und bescheinigte ihm das Niveau eines Stammtisches: "Seine Vorwürfe gegen den weltweit angesehenen Arzt sind nicht sachlich." Es stimme nicht, dass Broelsch die Patienten zu Spenden genötigt hätte. Denn die Patienten hätten ja nicht einmal bemerkt, dass sie Opfer wurden. Keiner habe Anzeige erstattet: "Sie haben gar nicht gemerkt, dass sie Opfer eines angeblichen Massennötigers wurden."
Objektiv und subjektiv habe Broelsch die Tatvorwürfe der Nötigung und Bestechlichkeit nicht erfüllt, betonte Hamm. "Lassen Sie die Kirche im Dorf", forderte er das Gericht auf, "sprechen Sie ihn frei".
Sein Mitverteidiger Jürgen Pauly sah auch im Anklagepunkt Abrechnungsbetrug kein Verschulden von Broelsch. Von einem Nicht-Juristen wie Broelsch seien keinesfalls so detaillierte Kenntnisse zu erwarten wie bei einem Staatsanwalt. Pauly: "Für den Chefarzt einer großen Klinik stehen medizinische Dinge im Vordergrund." Er betonte, dass die Rechtsprechung in Deutschland auf die noch junge Transplantationsmedizin nicht zutreffe. Wenn ein Organ plötzlich da sei, erwarte "kein Patient, dass der Chefarzt zur Stelle ist". Dessen Leistung liege aber in vielen anderen Bereichen, etwa bei der Vor- und Nachbereitung der Operation.
Erwartet werden für heute noch Ausführungen Paulys zur Steuerhinterziehung und das "Letzte Wort" von Christoph Broelsch.