Essen. Die Keramische Werkstatt Margarethenhöhe feiert 100-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum zeigt das Düsseldorfer Hetjens-Museum die kostbaren Gefäße.

In einer Welt, die jeden Tag nach dem vermeintlich Neuen und Innovativen verlangt, wirkt die Keramische Werkstatt Margarethenhöhe wie ein Bollwerk der Beständigkeit. Dabei sind es gerade die Zartheit und Zerbrechlichkeit der meisterhaft geformten Gefäße, die die Arbeiten so einzigartig machen. Seit 100 Jahren wird hier traditionelle Keramikkunst gepflegt und in alle Welt geliefert. Weltstars wie Regisseur Robert Wilson oder gekrönte Häupter wie das Königshaus von Jordanien haben sich schon mit den Teekannen und Suppenschüsseln aus Essen eingedeckt.

Konzentration und Hingabe: Kyoungah Kim arbeitet in der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe an einer Teekanne.
Konzentration und Hingabe: Kyoungah Kim arbeitet in der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe an einer Teekanne. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Mindestens so gerne aber sieht Keramikmeisterin Young-Jae Lee ihre Müslischalen und Teebecher auf den Frühstückstischen der Katernberger Nachbarschaft. Denn was hier mit Geduld und Präzision geschaffen wird, soll nicht zum Angucken in die Wohnzimmer-Vitrine wandern, sondern als Gebrauchsgegenstand zum Teil des täglichen Lebens werden. Gleichwohl werden die Geschirrteile der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe nun zu ausgewählten Ausstellungsstücken. Zum 100-jährigen Bestehen der Essener Traditionswerkstatt ist das Düsseldorfer Hetjens-Museum als das größte Keramik-Museum in Deutschland in den kommenden Monaten erste Adresse für eine besondere Jubiläumsschau.

Zur Ausstellungseröffnung herrschte am Rhein vor ein paar Tagen großer Bahnhof. Dabei blüht die Kunst von Young-Jae Lee und ihren Kolleginnen und Kollegen sonst doch eher im Verborgenen. Hinter hohen Hecken wirkt die Werkstatt auf dem Welterbe Zollverein eher wie ein verwunschener Ort der inneren Einkehr. Keine laute Werbung, kein Eigenmarketing. Die Keramische Werkstatt Margarethenhöhe hat sich ihren Namen in aller Welt mit einzigartiger Beständigkeit erarbeitet. „Keinem Zeitgeist, keiner Mode zu unterwerfen“, das ist dabei seit jeher die Maxime der Südkoreanerin Young-Jae Lee, die die Leitung der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe 1986 zusammen mit Hildegard Eggemann übernommen hat. „Jeden Tag Neues zu machen, ist viel einfacher“, findet die Keramikkünstlerin.

Klare Formen und zart changierende Glasuren: Ein Blick in die Regale der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe.
Klare Formen und zart changierende Glasuren: Ein Blick in die Regale der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ihren Namen hat die Werkstatt aus den Gründerjahren behalten. 1924 wird die Keramische Werkstatt ein Teil der berühmten Künstlerkolonie auf dem Gelände der Gartensiedlung Margarethenhöhe. Kunsthandwerker und Künstler wie der Bildhauer Will Lammert, Maler wie Philipp Schardt und Goldschmiedin Elisabeth Treskow arbeiteten Tür an Tür und sorgten in ihren Werkstätten und Ateliers damals für kreative Aufbruchstimmung. Der Bauhaus-Idee verpflichtet, steht in dieser Zeit die Herstellung von hochwertigem, seriell gefertigten Gebrauchsgeschirr im Vordergrund. 1933 wird die Keramische Werkstatt nach Zollverein verlegt, seit 1987 residiert sie an der Bullmannaue.

Michael Schmandt arbeitet seit einem halben Jahrhundert in der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe.
Michael Schmandt arbeitet seit einem halben Jahrhundert in der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Höchste Qualität und Klarheit sind bis heute das Markenzeichen der zeitlosen Geschirr-Kollektionen, die ostasiatische Keramiktraditionen und die funktionalen Gestaltungsideen des Bauhaus-Prinzips verbinden. „Wir beliefern mittlerweile die dritte Generation“, berichtet Young-Jae Lee. Was habe man schließlich von einem hochwertigen Geschirr, dessen kaputte Teller und Tassen nach wenigen Jahren schon nicht mehr zu ersetzen seien, weil die Serie aus dem Programm genommen wurde. In der Keramischen Werkstatt haben sich Form und Glasur der Schüsseln und Schalen seit Jahrzehnten nicht verändert, sind so immer wieder kombinier-und ergänzbar.

Jede einzelne Teeschale ist mit Konzentration und Hingabe geformt

Und doch ist jede Tasse, jeder Teller, ein Unikat, in dem die Konzentration und jahrzehntelange Erfahrung der Keramikkünstler steckt. Michael Schmandt ist seit 50 Jahren dabei und mit seiner kontemplativen Arbeitsweise bis heute eine der wichtigsten Stützen für Young-Jae Lee. „Durch ihn lerne ich immer noch.“

Hetjens-Museum zeigt Keramikkunst

Die Ausstellung „100 Jahre Keramische Werkstatt Margarethenhöhe. Young-Jae Lee im Hetjens“ läuft bis zum 1. September. Öffnungszeiten: Di bis So 11 bis 17 Uhr, Mi bis 21 Uhr. Hetjens-Museum, Schulstraße 4, 40213 Düsseldorf. Der Eintritt beträgt 5/erm. 2,50 Euro.

Führungen durch die Ausstellung werden am 12. Juni, 17. Juli und 28. August, jeweils um 17.30 Uhr angeboten.

Mehr Infos zum Rahmenprogramm unter www.duesseldorf.de/hetjens

Die Arbeit mit dem Ton ähnele dabei dem Spielen eines Instrumentes, vergleicht es die 1951 in Südkorea geborene Töpfermeisterin: „Die Welt muss draußen bleiben.“ Mit ihren Gefäßen ist die international anerkannte und mehrfach ausgezeichnete Künstlerin schon seit Jahren weltweit in Ausstellungshäusern in Europa, Amerika, Korea und Japan vertreten.

Gefäße in schillerndem Rostbraun, Weiß und Hellgrünmatt werden in der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe gefertigt.
Gefäße in schillerndem Rostbraun, Weiß und Hellgrünmatt werden in der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe gefertigt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Aus der Natur entlehnte, geometrische Grundformen wie Kreis, Kegel und Zylinder dienen der Töpferin dabei als Leitmotive für ihre Kompositionen, die für sie zugleich „die abstrakteste Form des menschlichen Körpers“ abbilden. Die sachten Rundungen der bauchigen Teeschalen und die perfekten Proportionen der filigranen Spindelvasen haben gleichwohl auch ihren Preis. Die kleine Espresso-Tasse gibt es für 45 Euro, den Suppenteller bekommen Kunden für 90 Euro, die Salatschüssel ist für 550 Euro zu haben.

Geformt, glasiert, gebrannt und versandt wird jedes Einzelstück an der Bullmannaue. Die Keramische Werkstatt ist Arbeitsort, Lagerraum und Ausbildungsstätte zugleich. Nirgends sonst in NRW kann man die Keramikkunst lernen wie hier. Auch das ein Zeugnis von höchster Beständigkeit.

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