Essen. Die einen lieben den Motorrad-Treff an Haus Scheppen. Anderen ist es zu viel. Die Stadt Essen will jetzt aufräumen. Wir haben uns umgehört.
„Haus Scheppen“ am Essener Baldeneysee zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen der Stadt. Der Motorradtreff am Seeufer genießt bei Bikern seit Jahrzehnten Kultstatus. Auch Spaziergänger, Fahrradfahrer, Jogger und Inlineskater zieht es nicht selten an den Treff im Schatten des ehemaligen Lehnsguts aus dem 13. Jahrhundert. An sonnigen Wochenenden oder Feiertagen, geht es dort mitunter wild zu. Zu wild, findet die Stadt Essen, sie möchte „Haus Scheppen“ als Aufenthaltsort „aufwerten“. Was sagen jene dazu, die den Treff am See gerne besuchen oder dort arbeiten? Wir haben uns vor Ort umgehört.
Der Motorradfahrer: „Manche benehmen sich an Haus Scheppen wie die Axt im Walde“
Guido Raabe kennt den Motorradtreff an „Haus Scheppen“ schon seit mehr als 30 Jahren. An diesem sonnigen Tag hat er sich mit seiner BMW R80 RT, Baujahr 1991, mal wieder auf den Weg gemacht von Kray aus an den Baldeneysee. Die Strecke sei reizvoll, die Landschaft schön. „Und es gibt immer etwas zu sehen“, sagt der 55-Jährige. Auf dem Parkplatz vor den beiden Kiosken herrscht zur Mittagszeit Trubel wie so oft, wenn das Wetter mitspielt. Motoren heulen auf, andere blubbern dumpf im Standgas vor sich hin. Dazwischen Männer wie Frauen in Lederkluft.
Man trifft sich zum Fachsimpeln oder auf einen Pott Kaffee, gerne auch beides. So war es schon immer, sagt Guido Raabe. Dass die Stadt Essen den Treff aufwerten will, davon hat er gehört. Aber was heißt das? „Wenn ich mein Motorrad weiter weg parken muss und ein paar hundert Meter weit laufen muss, fände ich das nicht gut“, sagt Raabe. Der Motorradtreff wäre dann kein Motorradtreff mehr. Dass mancher das Treiben aber auch kritisch sieht, dafür habe er Verständnis. „Leider benehmen sich einige wie die Axt im Walde“, sagt Raabe und meint jene, die den Gashahn ihrer Maschine aufreißen aus reinem Imponiergehabe und ohne Rücksicht auf andere. „Das lässt uns alle in einem schlechten Licht erscheinen.“
Die Fahrradfahrer: „Haus Scheppen ist Kult“
Steffi (50) und Kai (53) aus Ratingen haben mit ihren Rennrädern einen Stopp an Haus Scheppen eingelegt. Die Strecke rund um den See ist bei Fahrradfahrern sehr beliebt. Bei jenen, die gerne gemütlich radeln, und bei den Sportlichen wie Steffi und Kai, die auch mal kräftiger in die Pedale treten. „Wir wissen, dass es hier oft sehr voll ist“, sagt Steffi. Schlimm oder gar gefährlich findet sie das aber nicht. „Wir fahren dann eben vorsichtig, und gut ist.“ Dass die Stadt Essen etwas ändern möchte an, sehen beide eher kritisch: „Man sollte hier lieber nichts anpacken. Der Treff ist Kult.“
Die Inlineskater: „Wir finden es cool, dass es so wuselig ist“
Magda und Patrick sehen das ähnlich. Beide sind auf Inline-Skates unterwegs und erfrischen sich bei einem Getränk an einem der Kioske. „Ich finde es eigentlich ganz cool, dass es hier so wuselig ist“, sagt die 27-jährige Essenerin. Unsicher fühlen sie sich nicht auf ihren Rollen, trotz der vielen Motorräder um sie herum.
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Der Segler
René Steputat ist Segler und Vorsitzender des Essener Fahrtensegler- und Kanuvereins (EFKV), der seit vielen Jahrzehnten den Hafen an „Haus Scheppen“ nutzt. Für Segelboote ist es ein geschützter und auch deshalb ein idealer Ort. So gesehen könnte aus Sicht des Segelvereins alles so bleiben, wie es ist. Dennoch begrüßt René Steputat, dass die Stadt sich des Chaos annimmt, das an einigen Tagen im Jahr an Haus Scheppen herrsche. Nicht nur, weil es immer mal wieder vorkommt, dass die Zufahrt zum historischen Gemäuer trotz Piktogramm am Boden und trotzt der Hinweisschilder zugeparkt wird. „Die Situation zu verbessern ist auf jeden Fall ein Thema, und zwar so, dass alle etwas davon haben“, sagt Steputat. Wohl wissend, dass dies nach der Quadratur des Kreises klingt. An übervollen Tagen müssten Ordnungsamt und Polizei deshalb wohl mehr Präsenz zeigen. „Das würde vieles vereinfachen.“
Die Kioskbetreiberin: „Der Motorradtreff sollte Priorität haben“
Nicoala Adrian betreibt seit 35 Jahren einen der beiden Kioske an „Haus Scheppen“. „Der Treff gehört einfach zu Essen“, sagt sie. Was nicht heißen solle, dass alles so bleiben muss, wie es ist. Wo sieht sie Verbesserungsbedarf? „Der Platz müsste dringend gemacht werden.“ Denn der Asphalt sei voller Risse und Stolperfallen. Auch „ein ordentlicher Gehweg“ müsste her. Ein Kinderspielplatz wäre schön. Nicht weit entfernt, am alten Förderrad, gebe es dafür Platz genug. „Wo sollten hier auch Kinder spielen“, sagt Jutta Adrian und zeigt auf den Platz vor ihrem Kiosk.
„Am liebsten wollen alle auf den Parkplatz.“ Um das Ganze zu entzerren, könnte das Parken dort an Wochenenden nur Motorrädern gestattet werden, schlägt sie vor. Autofahrer müssten dann auf die beiden Parkplätze oberhalb von „Haus Scheppen“ ausweichen. Was auch immer die Stadt sich einfallen lässt: „Der Motorradtreff sollte Priorität haben.“
Der Stammgast: „An Wochenenden meide ich Haus Scheppen“
Gerd Obenauf ist Stammgast an „Haus Scheppen“. Und das seit 40 Jahren. Fast täglich kommt er vorbei auf einen Kaffee und um Freunde und alte Bekannte zu treffen. „Leider werden wir immer weniger. Das Alter!“, erzählt der 77-Jährige. Gerd Obenauf ist ganz in der Nähe aufgewachsen. Deshalb kann er viel erzählen über den Baldeneysee, über die Zeit, als sich am See noch die Förderräder der Zechen drehten, von Spaziergängen an Pfingsten zu „Haus Scheppen“ und vom Motorradtreff. Was er ändern würde?
Online-Umfrage zu „Haus Scheppen“
Um Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich an der Umfeldgestaltung von „Haus Scheppen“ zu beteiligen, hat die Stadt Essen eine Online-Umfrage gestartet. Bis zum 19. Mai können sich Interessierte beteiligen. Die Umfrage ist nach Angaben der Stadt anonym und dauert etwa zehn Minuten. Die Ergebnisse sollen am Samstag, 29. Juni, bei einer öffentlichen Veranstaltung an „Haus Scheppen“ vorgestellt werden. Hier geht es zur Umfrage: https://beteiligung.nrw.de/portal/essen/beteiligung/themen/1006761?zugangscode=Jq1px4hM
„Nichts“. Die Leute, die das hier kennen, fühlen sich hier wohl. Die anderen kommen sowieso nicht“, ist er überzeugt. An Wochenenden aber meidet auch Gerd Obenauf den Treff. „Weil ich hier dann keinen Parkplatz finde. Auch mit dem Motorrad ist das schwierig.“ Auf der Straße Richtung See werde auch häufig zu schnell gefahren“, auch das hat er beobachtet. Mehr Kontrollen müssten wohl sein. „Anders ist da nichts zu machen.“
Die Anwohnerin: „Tempo 30 auf der ganzen Strecke, das wäre schon was“
Jutta (67) wohnt seit zehn Jahren in einem der schmucken Zechenhäuschen an der Straße Pörtingsiepen. Wer zum Motorradtreff an „Haus Scheppen“ will, fährt hier durch. „Samstagsnachmittags geht es los. Sonntags ist es dann extrem“, erzählt die Anwohnerin. 2000 bis 3000 Motorräder dürften es sein, die an den Häusern vorbeirollen, schätzt sie. „Das geht den ganzen Tag über.“ Daran gewöhnen könne sie sich nicht, auch wenn die meisten vernünftig fahren, wie sie erzählt. Manche aber seien zu schnell unterwegs, oft seien es jüngere Motorradfahrer auf geländegängigen Maschinen. Andere seien zu laut, selbst wenn sie langsam fahren. Was sollte die Stadt tun? „Ehrlich gesagt, ich würde die Motorräder hier verbieten“, so die 67-Jährige. Sie wisse, aber dass die Stadt den Treff erhalten will.
„Tempo 30 auf der ganzen Strecke, das wäre schon mal was.“ Bislang endet das Tempolimit nicht weiter hinter der Wohnbebauung. Auf der Straße durch den Wald gilt Tempo 50. Viele gäben bereits Gas, bevor sie das letzte Haus hinter sich gelassen haben, erzählt die Anwohnerin, die sich Kontrollen gerade an Wochenenden wünscht. „Manchmal steht hier ein Radarwagen, aber unter der Woche, wenn nichts los ist.“
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