Essen. Ehrenamtliche Fanhelfer unterstützen bei Rot-Weiss Essen Rollstuhlfahrer am Spieltag. Einer von ihnen ist selbst schwerbehindert.

André Rinker arbeitete in der Gastronomie, bis ein Schlaganfall 2020 sein Leben auf den Kopf stellte. Seitdem kann er nicht mehr arbeiten – obwohl er so gern etwas tun möchte. Eine erfüllende Aufgabe hat der 59-Jährige jetzt als ehrenamtlicher Fanhelfer bei Rot-Weiss Essen gefunden. Das Engagement für andere gibt ihm auch neuen Antrieb für sein eigenes Leben.

Sonntagmittag, Heimspiel an der Hafenstraße. Scharen von Fans, uniformiert in Trikots und Schals, strömen zum Stadion. Was sie verbindet, ist die Liebe zu ihrem Verein, die Freude auf das anstehende Spiel. Doch für viele von ihnen ist es bedeutend einfacher, sich im Stadion zurechtzufinden, als für andere. Etwa 40 Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer besitzen eine RWE-Dauerkarte. Einige von ihnen haben in der Vergangenheit von Problemen am Spieltag berichtet.

RWE veranstaltete ersten Rollstuhlfahrer-Stammtisch im Oktober 2023

Daniel Mucha hat das Fanhelfer-Projekt ins Leben gerufen. Seit September 2023 ist er Leiter der Abteilung Fanbetreuung bei Rot-Weiss Essen. Im Oktober veranstaltete er den ersten Rollstuhlfahrer-Stammtisch, lud Fans mit Behinderung an die Hafenstraße ein. „Dabei ergaben sich viele Mängel“, sagt er. Man habe also eine Liste erstellt, um die Probleme anzugehen. Ein Ergebnis des Stammtisches war die Installation von ehrenamtlichen Fanhelfern.

André Rinker steht an den Toiletten vor dem Zugang zum Rolli-Bereich. Denn einer der Hauptkritikpunkte der Rollstuhlfahrer war dieser: „Sie berichteten, dass die Behinderten-WCs von nicht behinderten Menschen benutzt werden – und dass die dort häufig Chaos hinterlassen“, erklärt Daniel Mucha. So sei zum Beispiel der Urin gelandet, wo er nicht hingehöre.

Fanhelfer bei RWE: „Ich möchte ja was tun, ich möchte helfen“

Zwar sind die Toiletten abgeschlossen und können nur mit einem Euroschlüssel geöffnet werden, der Fans mit Behinderung ausgehändigt wird. Allerdings gibt es einen Notschalter, mit dem sich die Tür von außen öffnen lässt, falls jemand drinnen Hilfe braucht. Und diesen Schalter hätten die Fans ohne Behinderung dann einfach betätigt, so Mucha. Deshalb stehen dort nun Fanhelfer und achten darauf, dass die Toiletten wirklich nur von denjenigen benutzt werden, für die sie vorgesehen sind.

„Nach dem Schlanganfall habe ich nur noch zu Hause gesessen“, erzählt André Rinker. Denn seitdem dürfe er sich keinem Stress mehr aussetzen und könne nicht länger als zwei bis drei Stunden arbeiten. „Danach merke ich es richtig körperlich“, sagt der 59-Jährige, der aufgrund des Schlaganfalls selbst den Schwerbehindertenstatus hat. Schwierig, unter diesen Umständen einen Job zu finden. Aber: „Ich möchte ja was tun, ich möchte helfen.“

20 ehrenamtliche Fanhelfer bei Rot-Weiss Essen

Im Internet sei er auf das Fanhelfer-Projekt gestoßen. Schon früher habe er sich ehrenamtlich engagieren wollen, aber irgendwie habe es nie geklappt. Die Aufgabe als Fanhelfer habe ihm neue Motivation gegeben, er mache jetzt auch wieder mehr Sport und kümmere sich um den Schrebergarten. „Nur zu Hause zu sitzen, ist blöd“, findet er. Mit der Zeit entwickelten sich auch Freundschaften und Bekanntschaften zwischen Rollstuhlfahrern und Helfern.

20 Fanhelferinnen und -helfer gibt es aktuell bei RWE. Laut Daniel Mucha meldeten sich schon beim ersten Termin viele Freiwillige, die durch ihre Berufen daran gewöhnt sind, sich um andere zu kümmern: Krankenpflegerinnen, Polizisten, Feuerwehrmänner. „Einige sind zum Beispiel im Umgang mit demenzkranken Menschen geschult“, so Mucha.

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Fanhelfer holen beim RWE-Spiel Essen und Getränke

Zu ihren Aufgaben gehört es auch, den Rollstuhlfahrern Essen und Getränke zu holen. Denn wo sich andere Fans einfach am Stand anstellen, ist das Holen von Bier und Bratwurst für sie ein größerer Akt. Fans mit Rollator stellen diesen teils ab und lassen sich von den Fanhelfern zu ihrem Platz begleiten. Und darüber hinaus stehen die Ehrenamtlichen auch einfach als Ansprechpersonen zur Verfügung, für den Fall, dass es Probleme geben sollte, egal welcher Art.

Einer, der vom Fanhelfer-Projekt profitiert, ist Ronny Berger. Der 56-Jährige hat eine Dauerkarte und ist bei jedem Heimspiel dabei. Mit sechs Jahren war er zum ersten Mal im Stadion. „RWE-Fan wird man nicht, man wird als RWE-Fan geboren“, sagt er. Weil er an Kinderlähmung erkrankt ist, ist er seit langem auf seinen Rollstuhl angewiesen. Wie viele andere hat er sich schon über die unbefugte Toilettennutzung geärgert. Und auch er betont: „Wenn man alleine beim Spiel ist, kann man sich nicht einfach ein Bier und eine Wurst holen.“ Dass es jetzt die Fanhelfer gebe, sei deshalb „eine gute Sache“.

RWE-Fanbeauftragter erlebt positive Resonanz

Zum ersten Mal erlebe er, dass sich um Menschen mit besonderen Bedürfnissen im Stadion gezielt gekümmert werde. „Das gab es in der Vergangenheit noch nie“, ist Bergers Erfahrung. Als positiv erlebe er zum Beispiel, dass die Rollstuhlfahrer das Stadion jetzt nicht mehr durch die Wellenbrecher verlassen müssen, sondern den Notausgang nutzen können.

Vorher bestand laut Daniel Mucha die Gefahr, dass ein Rollstuhlfahrer im Gedränge geschubst werde und im schlimmsten Fall aus dem Rollstuhl falle. Die Fanhelfer weisen die Rollstuhlfahrer, die den neuen Weg noch nicht auf dem Schirm haben, darauf hin, und schauen am Ausgang nach dem Rechten. In den Toiletten gibt es jetzt außerdem besser zu erreichende Mülleimer und einen Abstellplatz für Rollstühle und Rollatoren.

Mucha erlebt bisher eine sehr positive Resonanz auf das Projekt: „Wenn dich ein Rollstuhlfahrer oder sein Betreuer mit Tränen in den Augen umarmt, ist das einfach ein Glücksgefühl.“

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