Steigende Schülerzahlen setzen die Stadt Essen erheblich unter Druck. In Neubauten und Erweiterungen investiert sie knapp drei Millliarden Euro
Bei der Suche nach einem neuen Grundschul-Standort für den Stadtteil Rüttenscheid ist die Stadt Essen offenbar fündig geworden. Gleichzeitig betritt man Neuland: Weil die Stadt dort kein geeignetes Grundstück besitzt und auch auf dem Immobilienmarkt nicht fündig geworden ist, soll zum ersten Mal ein privater Investor den Schulneubau hochziehen. „Wir sind optimistisch, dass das klappt“, berichtete Planungsdezernent Martin Harter in einem Pressegespräch über den Verlauf der Verhandlungen.
Der weitere Zeitplan: Noch vor der Sommerpause könne der Investor den Zuschlag erhalten und loslegen. Spätestens 2028/2029 könne die neue Grundschule für Rüttenscheid dann bezugsfertig sein. Es sei vorgesehen, dass die Stadt den schlüsselfertigen Gebäudekomplex samt Grundstück vom Investor übernehme. Der Kaufpreis für Schule inklusive Grundstück (5500 Quadratmeter) liege aktuell bei rund 35 Millionen Euro.
Kaufpreis der neuen Grundschule für Rüttenscheid liegt bei rund 35 Millionen Euro
Die Stadt hatte das Grundschul-Projekt für Rüttenscheid im vergangenen Dezember ausgeschrieben. Daraufhin habe sich nur ein einziger Interessent gemeldet: der besagte Investor aus Essen. Um wen es sich dabei handele und wo der Standort für den neuen Schulbau genau liege, wollte die Stadtspitze noch nicht preisgeben.
Eine weitere Erfolgsmeldung gibt‘s unterdessen aus Bochold: Dort hat die Stadt das Grundstück Germaniastraße 22 bis 28 gekauft, auf dem sich bislang der Rewe-Markt befand. Auch hier wird eine neue Grundschule errichtet.
Steigende Geburtenraten und der Zustrom von Flüchtlingen sorgen für einen kräftigen Anstieg der Schülerzahlen in Essen. Auch die Rückkehr zu G9 verlangt nach mehr Schulraum. Die Folge: Über alle Schulformen hinweg wird neuer Schulraum benötigt. Erforderlich sind nicht nur Neubauten, sondern auch Anbauten und Sanierungen. Weil sich Essen lange Zeit buchstäblich kaputtgespart hat, ist der Sanierungsstau erheblich. Etliche Schulbauten, besonders die in den Nachkriegsjahrzehnten schnell aus dem Boden gestampften, sind oft in einem bedenklichen Zustand.
„Essen investiert massiv in den Schulbau, wir stehen vor großen Herausforderungen“, sagte OB Thomas Kufen. Die geplanten Investitionen in die Essener Schul-Infrastruktur beliefen sich aktuell auf insgesamt 2,96 Milliarden Euro. „Damit sind 70 Prozent der gesamten Investitionen im Bausektor der Stadt Essen für den Schulbau vorgesehen.“
Die Stadt hantiert mit Rekordsummen. Schuldezernent Muchtar Al Ghusain sprach deshalb von dem größten Schulbau-Vorhaben nach dem Weltkrieg. Sein Kollege Harter, der die Arbeitsgruppe Schulbau leitet, bestätigt: „Es gibt einen extremen Handlungsdruck“.
Grundschüler-Zahlen haben sich binnen zwölf Jahren um 18 Prozent erhöht
Anhand prägnanter Zahlen machte Al Ghusain deutlich, wie dringend notwendig der Ausbau der Schul-Infrastruktur ist. Allein im Grundschul-Sektor sei die Schülerzahl seit 2011 von 18.700 auf jetzt 22.800 in die Höhe geschnellt. „Das ist eine Zunahme von 18 Prozent.“
Noch vor 20 Jahren habe man angesichts sinkender Geburtenraten die Schließung von Schulen prognostiziert. Davon könne jetzt keine Rede mehr sein. Andrea Schattberg, Leiterin des Fachbereichs Schule, rechnete vor, dass im kommenden Jahr rund 6000 Kinder eingeschult würden, dabei gebe es aktuell jedoch nur knapp 5000 Schulplätze. „Es fehlen also 1000 Plätze“, so Schattberg. Eine Lücke, die durch Mehrklassen und größere Klassenstärke bei weitem nicht gefüllt werden könne.
Das bedeutet: Essen muss in kurzer Zeit neuen Schulraum schaffen. Gelingen soll dies durch so genannte Systemcontainer. Aktuell werden zehn Systemcontainer an neun Standorten aufgestellt. Fünf von ihnen sind bereits fertiggestellt und den Schulen übergeben worden. Die anderen fünf sollen bis zum Herbst 2024 den Betrieb aufnehmen.
Schulbau-Liste der Stadt ist lang
Die Schulbau-Liste der Stadt ist lang, 74 Projekte sind darin aufgeführt, darunter 14 Neubauten. Bei den weiterführenden Schulen werden fünf Neubauten benötigt: für eine Realschule, zwei Gymnasien und zwei Gesamtschulen. Für die Realschule gebe es inzwischen zwei Standortoptionen. Für ein Gymnasium eine. An der Prinz-Friedrich-Straße 20 bis 30, im Gewerbegebiet nahe dem Kupferdreher Bahnhof, gibt es Platz für eine Gesamtschule oder ein Gymnasium. Für zwei der drei weiterführenden Schulen im Essener Süden sind bis dato noch keine geeigneten Flächen gefunden worden.
Auch bei den Berufsschulen tut sich was: Die Verwaltung prüft derzeit mehrere Grundstücksoptionen für die Ansiedlung der drei Berufskollegs (Erich-Brost-BK, Robert-Schumann-BK und BK Mitte. Mitte des Jahres will die Stadt über Details berichten.
An 36 Grundschulen, drei Förderschulen und 21 weiterführenden Schulen an insgesamt 60 Standorten sind Schulerweiterungen notwendig, davon für zwölf aufgrund der Rückkehr von G9.
Bereits beschlossen und auf den Weg gebracht sind die Neubauten der Frida-Levy-Gesamtschule, der Gesamtschule Altenessen-Süd am Berthold-Beitz-Boulevard und der Gesamtschule Bockmühle in Altendorf.
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