Essen. Vor fast eineinhalb Jahren stürzte das Kartenhaus von Fakt zusammen, nun scheint auch Gründer Hubert Schulte-Kemper finanziell am Ende.
Sie wollen Klarheit, sie wollen ihre Millionen zurück, und diesmal kommen sie zu zweit: hüben die Berliner Kreditplattform creditshelf solutions, drüben ein Luxemburger Fonds des Finanzinvestors Horizon Capital. Die einen hätten gern noch etwas über eine Million Euro von Hubert Schulte-Kemper („HSK“), die anderen mehr als das Sechsfache – 6.466.792 Euro und 50 Cent, um genau zu sein. Da muss auch ein 77-jähriger ehemaliger Hypothekenbänker lange für stricken. Und das ist ja bei weitem nicht alles an Außenständen.
Die Angaben unter Eid müssen stimmen, andernfalls drohen bis zu drei Jahren Haft
Aber es ist das, was die ersten entnervten Geldgeber von einst inzwischen per Zwangsvollstreckung beitreiben wollen. DR II 641/23 und DR II 1401/23 – unter diesen Aktenzeichen wüssten die beiden Gläubiger natürlich gerne, wie viel von diesen stattlichen Summen der Gründer der einst so umtriebigen Essener Fakt-Gruppe zurückzahlen kann, oder vielleicht: ob überhaupt. Und deshalb wird „HSK“ offenbar noch in dieser Woche ins Büro von Obergerichtsvollzieher Markus Fricke ans Marler Amtsgericht zitiert.
Schulte-Kemper soll dort eine Vermögensauskunft abgeben, „Offenbarungseid“ hieß das früher: Es ist die unter Eid abgegebene Offenlegung all dessen, was man noch so an nennenswerten Vermögenswerten sein Eigen nennt und zu Geld gemacht werden könnte – Immobilien, Aktien, Einlagen auf Konten. Wer hier landet, der muss, was da abgefragt wird, „nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig“ preisgeben, sonst droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe, so steht es stets auf der ersten Seite der Gerichts-Post.
Mit Fakt hoch hinaus – und tief hinab
Höher hinaus wollte keiner als er: Als Hubert Schulte-Kemper (77) mit der Hypothekenbank in Essen AG noch zu den glorreichen Sieben der Essener Gewerbesteuerzahler zählte, da träumte er von einem gigantischen Turmbau in Hauptbahnhofs-Nähe.
Aus dem Projekt wurde nichts, und auch die Essen Hyp nahm ein eher unrühmliches Ende, schrieb zuletzt dicke rote Zahlen und wurde kurzerhand von der Commerzbank geschluckt.
Doch „HSK“, wie alle ihn nennen, erlebte eine Wiedergeburt als Immobilien-Tycoon, gründete die Fakt AG, machte in Finanzierungen und Gemüse-Anbau, spezialisierte sich auf die Revitalisierung heruntergekommener Gebäude (Rheinstahl-Hochhaus, Ruhrgas-Zentrale) und drehte sogar international ein großes Rad.
Der Absturz kam im Herbst 2022, Fakt wurde insolvent und viele der knapp drei Dutzend Tochterfirmen ebenso. Kritiker werfen ihm ein Schneeball-System zur Finanzierung seiner Projekte vor, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Schulte-Kemper kennt das. Schon einmal, im Frühsommer vergangenen Jahres, sah sich der einstige Frontmann in der misslichen Lage, die „Finger heben“ zu sollen: Da schien längst klar, dass das weitverzweigte Firmengeflecht des ehemaligen Hypotheken-Bänkers rund um die Fakt AG im Zuge einer wahren Insolvenz-Kaskade kaum wieder würde aufgebaut werden können.
Der Termin allerdings platzte, ein Attest bewahrte „HSK“ vor der Schmach, sich finanziell geschlagen zu geben. Die Außenstände, sie blieben gleichwohl bestehen, jetzt gibt es einen neuen Anlauf. Ob der gesundheitlich nach wie vor tatsächlich angeschlagene Schulte-Kemper sich diesmal erneut herauswinden kann, ob der Termin in letzter Minute wieder kippt, bleibt ungewiss: Auf Nachfrage vom Obergerichtsvollzieher dazu kein Wort.
Als vielsagender erweisen sich da schon diverse Immobilienverkäufe, die in den letzten Monaten einiges an Geld in die Kasse Schulte-Kempers und seiner beiden Finanz-Firmen SK Activ und HSK Finanzmanagement spülten. Ob die so erzielten sechsstelligen Summen in Marl, Gelsenkirchen und andernorts ausreichen, um die Forderungen von Bankhäusern, Kreditvermittlern, Fonds und privaten Geldgebern auch nur ansatzweise zu begleichen, bezweifeln Kenner der Materie. Wie etwa die Marler Zeitung schreibt, bleiben an manchen Immobilien schon jetzt selbst dringende Reparaturen aus.
Wo vielleicht mehr zu holen wäre, bei den oft durch hohe Grundschulden belasteten großen Immobilien seines einstigen Portfolios, von Essen bis Herne, vom sachsen-anhaltinischen Arneburg bis zum ungarischen Hegyeshalom, da hat „HSK“ längst nichts mehr zu melden: Um die kümmert sich meistenteils Insolvenzverwalter Gregor Bräuer, der versucht, das Beste herauszuholen. Ein Umstand, der Schulte-Kemper, glaubt man Insidern, arg fuchst. Er würde nur zu gerne mitmischen.
Ein anonymes Schreiben an die Ermittler bringt auch einen Essener Notar ins Zwielicht
Dass der Insolvenzverwalter sich der Expertise ausgerechnet desjenigen bedient, der die Fakt-Gruppe zuvor in die Pleite rutschen ließ, ist allerdings eher nicht zu vermuten. Schon deshalb, weil die Essener Staatsanwaltschaft im Umfeld der Fakt-Firmen bereits vor einigen Monaten gegen mehrere Beteiligte Ermittlungen wegen Betruges aufgenommen hat. Diese werden durch ein neuerliches anonymes Schreiben an die Ermittler gestützt, das auch dieser Zeitung zugegangen ist. Es bringt mit bemerkenswerten Insider-Kenntnissen den Vorwurf der Insolvenzverschleppung ins Spiel, beschreibt Strohmann-Verhältnisse, unterstreicht Betrugsabsichten und könnte vor allem für einen Essener Notar heikel werden: Dieser überschreite mehrfach Grenzen zulässiger Beratung, heißt es, was der unbekannte Autor auch die Notaruaufsicht in Düsseldorf wissen lässt.
Ob die Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund dieses Schreibens den Kreis der Beschuldigten erweitert, ist noch offen. Losgetreten hatte die Ermittlungen dem Vernehmen nach ursprünglich das Finanz-Unternehmen Swiss M Capital AG aus Zug in der Schweiz. Das lieh einer Fakt-Tochterfirma mehr als fünf Millionen Euro, ohne zu wissen, dass intern schon die Alarmglocken läuteten, und sieht sich hinsichtlich der Verwendung der Mittel und der Rückzahlungsbereitschaft getäuscht. Zwei Vermögensgesellschaften Hubert Schulte-Kempers bürgten einst für das Darlehen und suchen nun Schützenhilfe bei Gericht. Auch dieser Prozess war schon einmal anberaumt, auch er war nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Er soll nun Ende Mai stattfinden.
Es geht um mehr als fünf Millionen Euro. Bitte hinten anstellen.