Essen. Weil er einem Geldgeber eine Million Euro schuldig blieb, soll Hubert Schulte-Kemper sein Vermögen offenlegen. Andere Finanziers wittern Betrug.

Von Houdini, dem großen Entfesselungskünstler, hieß es, er hätte diese eine Wette laufen: Dass es nirgends eine Fessel gebe, aus der er nicht entkommen könne, und ja, irgendwie hatten alle insgeheim von Hubert Schulte-Kemper so etwas Ähnliches erwartet – er selbst vielleicht am meisten. Als seine Essener Fakt AG, dieses unübersichtliche Geflecht aus großen Immobilien und noch größeren Projekten, aus Finanzierungskniffen und Großspurigkeit, im November vergangenen Jahres in die Insolvenz schlitterte, da ließ „HSK“, wie sie ihn nennen, alle Welt wissen: dass diese Pleite den gesamten Konzern mit sich reiße, sein persönliches Vermögen inklusive, also bitte, das stehe doch „überhaupt nicht“ zur Debatte.

Wenn er sich da mal nicht irrte: Der Gerichtsvollzieher steht schon auf der Matte.

Die ersten Geldgeber wollen sich nicht länger hinhalten lassen – vorneweg creditshelf

Denn mit immer neuen Vertröstungen wollen sich einige Geldgeber, bei denen Schulte-Kemper persönlich für Firmenkredite bürgte, offenbar nicht länger hinhalten lassen. Vorneweg die Kredit-Plattform creditshelf solutions GmbH, die der Fakt AG einst zu einem stattlichen Zinssatz drei Millionen Euro lieh, diese aber nie komplett zurückerhielt. Als creditshelf nach einigem Hin und Her im Winter genervt klagte, schwänzte der ehemalige Fakt-Chef und Hypotheken-Bänker im Januar den Termin vor de Landgericht und kassierte prompt ein Versäumnis-Urteil.

Dieses focht der Unterlegene nicht einmal an, und wohin das führt, lässt sich nun ein paar Monate später am Amtsgericht in Marl in einer Zwangsvollstreckungssache besichtigen: Unter der Geschäftsnummer DR II 641/23 versucht creditshelf dort, wenigstens jenen Teil der Außenstände einzutreiben, für den „HSK“ einst eine selbstschuldnerische Bürgschaft einging. Es geht um nicht weniger als 1.051.307 Euro und 42 Cent.

Ein Attest zum Gerichtstermin – und in den Akten ein möglicher Antrag auf Haftbefehl

Ein erster Termin für den Offenbarungseid, den man heutzutage behutsam „Vermögensauskunft“ nennt, war vom Obergerichtsvollzieher sogar schon anberaumt: Am 15. Juni um kurz nach neun hätte Schulte-Kemper zum Amtsgericht in Marl stiefeln müssen, um dort „die Finger zu heben“, wie der Volksmund sagt. Ein ärztliches Attest bewahrte den 77-Jährigen offenbar vor der Schmach.

Mit Hinhaltetaktik kommt man in einem solchen Fall nämlich nicht weit: Termine zur Vermögensauskunft darf niemand für Omas Kaffeekränzchen oder den Malle-Urlaub sausen lassen. Wie streng es bei der Durchsetzung der Vermögensauskunft zugeht, hängt, so sagt ein Kenner der Materie, in Teilen vom zuständigen Gerichtsvollzieher ab, manches auch vom jeweiligen Gläubiger. Im Falle von Schulte-Kemper scheint creditshelf nicht gerade auf Schmusekurs. So hat das Unternehmen beantragt, notfalls einen Haftbefehl zu erlassen, sollte der 77-Jährige nicht zahlen oder sich dauerhaft weigern, sein Vermögen zu offenbaren.

Auch die Sparkasse Vest in Recklinghausen leitet für 500.000 Euro die Pfändung ein

Ob die persönliche Pleite des offenbar erkrankten Ex-Bänkers nun nur aufgeschoben ist, und wenn ja: wie lange, bleibt einstweilen unklar, schließlich könnte sich der Gläubiger auch mit einer Ratenzahlung zufrieden geben, wenn ihm denn die monatlichen Zahlungen hoch genug erscheinen. Dass da jemand klammheimlich Vermögenswerte verschiebt, diese Sorge können einem die Gerichte nehmen, die keine Rücksicht nehmen auf Orden, Titel oder Ehrenzeichen. Denn der Schuldner muss auch angeben, welche Besitztümer er in den zwei Jahren vor dem anberaumten Termin an eine nahestehende Person verkauft oder in den vier Jahren vor dem Termin verschenkt hat.

Derweil ist für „HSK“ weiterer Finanz-Ärger schon programmiert. Nach creditshelf machte vor ein paar Wochen auch die Sparkasse Vest in Recklinghausen ernst, um vom Fakt-Gründer 500.000 Euro zuzüglich Zinsen einzutreiben. Gegen Schulte-Kempers Firma HSK Finanzmanagement GmbH wurde dazu ein „vorläufiges Zahlungsverbot mit Arrestwirkung“ in Gang gesetzt, so sichert man sich bei Dritten finanzielle Ansprüche, die noch nicht rechtskräftig gesichert sind.

Ein Multimillionär wirft der Fakt AG vor, ihn „arglistig getäuscht“ zu haben

Um ein Vielfaches dieser Summe, geht es währenddessen bei einer Klage des Kurzzeit-Finanzierers Swiss M Capital, der bei Schulte-Kempers Vermögensfirma gleich mehr als 5,9 Millionen Euro eintreiben will. Der Rechtsstreit ist bereits beim Landgericht anhängig, der Prozess für Januar 2024 anberaumt, wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage bestätigte. Andere Darlehensgeber von einst scheuen dagegen nach Informationen dieser Zeitung derlei Schritte noch, verhandeln, lassen sich auf „Stillhalte-Abkommen“ ein oder mit warmen Worten vertrösten. Achselzuckende Begründung: Bei „HSK“, der hinter den Kulissen nach wie vor eifrig Pläne für eine Wohnbau-Offensive schmiedet und auf die Suche nach „frischem Geld“ geht, sei derzeit eh nichts zu holen.

Oder sie fahren, wie ein vermögender Geschäftsmann aus Hamburg, Schritt für Schritt schwerere Geschütze auf. So warf der Multimillionär von der Waterkant nach Informationen dieser Zeitung der Fakt AG und ihrem einstigen Vorstandschef Hubert Schulte-Kemper in einem anwaltlichen Schreiben vor einigen Wochen vor, ihn als Darlehensgeber über seine Rückzahlungsbereitschaft wie auch seine Rückzahlungsfähigkeit „arglistig getäuscht“ zu haben.

Bedenken zerstreut und beschwichtigt, als intern längst Alarmstimmung herrschte

Es geht, immerhin, um rund 16 Millionen Euro und um den Umstand, dass die Führungsriege der Fakt AG bei Fragen nach der finanziellen Lage des Unternehmens noch im März 2022 und damit zu einer Zeit Bedenken zerstreut und beschwichtigt habe, als intern längst Alarmstimmung herrschte. „Eingehungsbetrug“ sei das, heißt es in dem Schreiben der Anwaltskanzlei. Eine harsche Anschuldigung, denn sie bedeutet, dass das Gegenüber schon bei Vertragsschluss gewusst habe, dass es seine vertraglichen Verpflichtungen nicht werde erfüllen können – oder wollen.

Und der Geldgeber von einst geht noch weiter: Manche Darlehen, so klagt der Hamburger Geschäftsmann, habe Fakt gar nicht für die ausdrücklich vereinbarten Zwecke verwandt. Stattdessen „wurden sie teilweise in Form eines sogenannten ,Schneeballsystems’ genutzt, um alte Darlehen zurückzuzahlen“. Der Geldgeber will die Darlehen deshalb anfechten. Ob dies Aussicht auf Erfolg hat, ob derlei Vorwürfe auch die Staatsanwaltschaft hellhörig machen, bleibt einstweilen ungewiss.

Houdini-Künste wären jedenfalls von Vorteil.