Essen. Vor einem Jahr ergossen sich Tausende Liter Gülle unter anderem in den Deilbach. Die Folgen waren schwerwiegender
Ein Jahr nach dem folgenschweren Gülleunfall im Einzugsgebiet des Deilbaches bei Essen-Kupferdreh erhebt der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) schwere Vorwürfe an die Adresse der Umweltbehörden. Der Umfang des Schadens im Deilbach und die Folgen für das Ökosystem seien nie wirklich untersucht worden, beklagt Andreas Bolle, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Essen. Dem städtischen Umweltamt wirft Bolle vor, den Unfall seinerzeit heruntergespielt zu haben. Damals getroffenen Aussagen der Behörde seien schlichtweg falsch.
Am Abend des 20. Februar 2023 ergossen sich aus einem leckgeschlagenen Gülletank eines landwirtschaftlichen Betriebes in Velbert-Neviges 700.000 Liter Gülle in ein naheliegendes Gewässer. Von dort gelangte die braune Brühe über den Hardenberger Bach und den Deilbach bis in den Baldeneysee. Schaumkronen trieben auf der Wasseroberfläche und sammelten sich an der Mündung des Deilbachs.
Das Umweltamt der Stadt Essen gab laut BUND viel zu früh Entwarnung
„Die naheliegendste Auswirkung eines Gülleeintrages ist ein Fischsterben“, sagt Andreas Bolle. Durch die Gülle gelangt Amoniak ins Wasser, für Fische sei dies „absolut toxisch“. Untersucht seien jedoch nur Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung und auf andere Artengruppen und zwar auf solche, die an Land lebten statt im Wasser. „Genau diese Auswirkungen sind aus fachlicher Sicht aber weniger gravierend“, so Bolle.
Die zuständige Kreisverwaltung Mettmann räumte ein, dass es „ein Fischsterben“ gegeben habe, sprach aber zunächst von acht toten Fischen. Wenige Tage später erhöhte die Verwaltung diese Zahl für ihren Zuständigkeitsbereich auf 360 Fische, darunter Bachforellen, Hasel, Döbel, Groppen und Bachschnellen. Der BUND geht davon aus, dass in Folge des Gülleeintrages tatsächlich mehr als zehntausend Fische verendeten.
Für den Deilbach gab die Stadt Essen bereits wenige Tage nach dem Gülleunfall Entwarnung. Das Gewässer sei „zur Normalität zurückgekehrt“ ließ die Verwaltung wissen und stützte sich auf Proben, die drei Tage nach dem Unglück entnommen worden waren. „Tote Fische waren auf Essener Stadtgebiet nicht erkennbar“, hieß es in einer Mitteilung aus dem Rathaus.
Anfang März äußerte sich das Umweltamt vor dem zuständigen Fachausschuss des Stadtrates detaillierter. Die Stadt Essen habe Wasserproben entnommen und Untersuchungen durchgeführt, da ein Fischsterben zu befürchten stand. Dieses sei nicht eingetreten, da die Sauerstoffsättigung des Gewässers hoch genug gewesen sei, schlussfolgert die Behörde. Im Deilbach herrsche eine hohe Fließgeschwindigkeit, weshalb nach zwei Tagen bereits keine Schäden mehr erkennbar gewesen seien. Der BUND hält diese Schlussfolgerung mindestens für voreilig, wenn nicht für falsch.
Im Kreis Mettmann hingegen wurden infolge der Verunreinigung Bodenschichten abgetragen, der Hardenberger Bach wurde ausgekoffert. „Grundsätzlich musste jedoch festgestellt werden, dass eine Verunreinigung durch eine derart hohe Menge aus dem Gewässer nur schwer zu entfernen sei“, resümierte das Essener Umweltamt.
Auf einer Länge von 1280 Metern war der Fischbestand fast vollständig ausgelöscht
Neun Wochen nach dem Gülleunfall nahm ein Fachbüro für Umweltfragen das Gewässer unter die Lupe und führte auf verschiedenen Abschnitten des Bachlaufes Elektro-Befischungen durch. Das Ergebnis klingt verheerend: Oberhalb des Gülleeintrages zählten die Experten auf einem 200 Meter langen Abschnitt 596 Fische, unterhalb der Eintragstelle waren es auf insgesamt 1280 Metern nur 46 Fische. In nahezu allen Altersklassen sei der Fischbestand „nahezu vollständig ausgelöscht“ worden, lautet das Fazit.
Die Wiederbesiedlung der betroffenen Abschnitte finde nur sehr langsam statt, heißt es weiter. Es sei deshalb zu vermuten, dass Verunreinigungen immer noch im Gewässer vorhanden seien. Zum Deilbach äußert sich das Fachbüro in seinem Bericht wie folgt: Welchen ökologischen Schaden der Bach als Mündungsgewässer des Hardenberger Bachs genommen habe, könne anhand der vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden. Da aber ein fast vollständiger Ausfall des Fischbestandes im Hardenberger Bach vorliege, sei auch ein ökologischer Schaden im Deilbach naheliegend.
Aus Essener Sicht sei besonders bitter, dass seitens der zuständigen Behörden in Essen zu dem Vorgang bis zum heutigen Tag keine weitergehenden Informationen gegeben worden seien. Andreas Bolle hält dies für überfällig. Schließlich gehe es auch darum, aus einem solchen Schadensfall zu lernen.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]