Essen. Geschirr, Besteck, Deko: Großer Ausverkauf im früheren Lokal „Sportlertreff“ am Baldeneysee, das geschlossen hat. Für immer.
Der Sportlertreff ist bereits dauerhaft geschlossen, der Ausverkauf hat jetzt begonnen. Es gibt Geschirr, Besteck, Deko-Artikel und Küchenartikel. So steht es auf einem Schild vor dem Lokal zu lesen, innen stapeln sich Teller, stehen Gläser und Pfannen auf den Tischen. Hartmut Jolink löst nun seine Gastronomie auf und verkauft das Inventar.
Ob seine legendären Pfannkuchen mit Ziegenkäse oder Speck, das bei Gästen beliebte Schweinefilet mit Wirsing, Dips mit Steinofenbaguette oder ein Wildkräutersalat: Hartmut Jolink tischte 26 Jahre lang im Sportlertreff am Baldeneysee auf - jetzt ist Schluss. Die Gäste haben von ihm und seinem Team Abschied genommen. Darunter war mancher, der beinahe so lange in Heisingen arbeitete wie der Chef selbst. Wie es für ihn und den Standort weitergeht.
Das Lokal an der Lanfermannfähre trennt lediglich der Spazierweg vom Ufer des Baldeneysees, auf den die Gäste vom Außenbereich und aus dem Restaurant selbst schauen. Eingerichtet war es zuletzt in Brauntönen, hatte dazu ein paar rote Tupfer, rustikale Stahlträger als Tischbeine. Hartmut Jolink hat es eingerichtet, hat Ideen von der Nordsee („die Möbel habe ich beim Italiener in Norden-Norddeich gesehen“) und aus Hamburg („die Speisekarte mit Klammer auf dem Holzbrett habe ich bei Tim Mälzer entdeckt“) nach Heisingen gebracht, hat seinem Lokal dazu eine Portion Ruhrpott-Flair verliehen.
Früher war hier das Pumpenhaus der Zeche Carl Funke am Baldeneysee
Vor allem aber hat Hartmut Jolink die Gastronomie für alle geöffnet, denn übernommen hat er diese einst als reine Ruhrgas-Gastronomie, heute gehört sie zu EON. Vor etwa 14 Jahren sei in Abstimmung mit der Stadt beschlossen worden, dass Clubhäuser zugänglich für alle Gäste gemacht werden können. Immerhin gelte der See als Naherholungsgebiet, der Sportlertreff war seitdem ein Lokal, in dem Spaziergänger, Radfahrer oder auch Nachbarn ebenso einkehrten. Zwar gab es keine Werbung an dem Gebäude, das einst das Pumpenhaus der dortigen Zeche Carl Funke gewesen ist. Aber Hartmut Jolink hat irgendwann die Speisekarte in einem Kasten draußen angebracht.
Da viele von seinen Gästen bereits von dem nahenden Abschied erfahren haben, trudelten zuletzt beinahe täglich Rückmeldungen bei Hartmut Jolink ein, der überrascht wie gerührt war. Beschlossen hat er das Ende am See bereits im vergangenen Sommer, nachdem sein Koch gekündigt hatte. Nur zwei Tage hat er mit seiner Frau überlegt und sich dann entschlossen, den Pachtvertrag zu kündigen, statt einen Nachfolger für seinen Koch zu finden. Dass diese Suche beinahe aussichtslos gewesen wäre, das weiß der Chef aus seiner langjährigen Gastronomie-Erfahrung.
In Spitzenzeiten arbeiteten bis zu 32 Beschäftigte im Sportlertreff, heute seien es mit Aushilfen gerade einmal 15. „Dabei bräuchte ich eigentlich bis zu 28“, sagte Hartmut Jolink. Denn er habe zwar einen schönen Beruf, aber eben auch einen, der mit Blick auf die Arbeitszeiten familienunfreundlich sei. Manchem Bewerber fehle es offenbar an Anreiz, bei anderen scheitere es schon an der Anbindung, da die Bushaltestelle etwa ein Kilometer entfernt ist. Die Personalnot beschäftige ihn daher schon länger, zuletzt sei er überall eingesprungen. „Die letzten zwei Jahre waren so stressig, dass ich gar nicht erst nach einem neuen Koch gesucht habe“, sagte er zu seinem Entschluss in Heisingen aufzuhören.
Kümmerte er sich in den Jahren üblicherweise vor allem um Organisation, Einkäufe, Rechnungen, Planung, Service und sprang zu Stoßzeiten in der Küche ein, stand er dann allein mit seinem Küchenhelfer dort und putzte mitunter auch selbst das WC. An seiner Seite sei zwar ein engagiertes Team gewesen, darunter seine rechte Hand Dominik Steckel sowie eine zuverlässige Putzkraft („super Seele“), aber es seien schlichtweg zu wenige gewesen. Daher bedeuteten 26 Jahre Sportlertreff einerseits mit dem Herzen dabei, aber eben auch sechs bis sieben Tage auf den Beinen zu sein. Das hieß beispielsweise, „dass ich seit acht Jahren keine Runde mehr um den See gejoggt bin“.
Zuvor war der Koch in Essen für den Steeler Stadtgarten und das Aalto zuständig
Gelernt hat er seinem Beruf bei Mövenpick, dabei war sein Traumjob Modellschreiner. Doch ein Verwandter habe von seiner Arbeit als Schiffskoch und der weiten Welt erzählt. Hartmut Jolink zog dann von Mülheim nach Essen, wurde Betriebsleiter und Mitgesellschafter der Dampfbierbrauerei in Borbeck, wechselte schließlich in die Gastronomie Steeler Stadtgarten und war zudem fürs Aalto zuständig, bis er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. „Schon hatte ich rund 2400 Vorgesetzte“, sagte er lachend über die frühere Betriebsgastronomie für Ruhrgas-Mitarbeiter und Mitglieder der benachbarten Sportgemeinschaft.
Ausgerichtet hat Hartmut Jolink in den Jahren am See dann auch viele Geburtstags-, Kommunions- und Hochzeitsfeiern, hat Großveranstaltungen mit bis zu 650 Gästen organisiert, hat für Mitglieder des Vorstandes und der Sportgemeinschaft gekocht, die Kreishandwerkerschaft sowie manchen Oberbürgermeister bewirtet und Seefeste von Vereinen kulinarisch gestaltet.
Die Speisekarte in seinem Sportlertreff wechselte er zwei- bis dreimal die Woche, sie reichte von gut bürgerlich bis zur Seezunge und bot einen Mix: von Kleinigkeiten bis zum Kalbsgericht. Dazu kochte er je nach Saison Spargel oder schob eine Weihnachtsgans in den Ofen. Von seiner letzten Speisekarte mit Rumpsteak, Lammrücken, Spinatknödeln oder Reibekuchen wählten Gäste bis zum 28. Februar. Dann war Schluss mit der Kombination Hartmut Jolink und Sportlertreff.
„Nach einer kurzen Renovierung wird die EON-Gastronomie den Betrieb übernehmen. An einem Konzept wird noch gearbeitet“, kündigt Unternehmens-Sprecher Christian Drepper an. Die Gastronomie gebe es hier seit etwa 30 Jahren, bevor die Ruhrgas AG 1998/99 den Sportlertreff unter der Führung von Hartmut Jolink eröffnet habe, habe es bereits zwei Pächter gegeben, sagt er zum Standort und seinen Betreibern.
Wechsel von der Essener Gastronomie in ein Mülheimer Bistro
Hartmut Jolink selbst indes denkt noch nicht an Ruhestand. Der 64-Jährige hat bei der Fliedner-Stiftung in Mülheim-Selbeck angeheuert, wo rund 600 alte und junge Menschen mit und ohne Behinderung leben. Für sie und auch die Mitarbeiter wird er in einem Bistro kochen, wird mittags ein Stammessen anbieten, dazu vielleicht eine vegane Variante oder mal eine Currywurst und fürs Wochenende etwas zum selbst Aufwärmen. Denn Hartmut Jolink wird von Montag bis Freitag arbeiten - ein großer Unterschied zu seinem bisherigen Berufsleben, das vor insgesamt 48 Jahren begann.
Das bedeutet künftig, mehr Zeit für die Familie zu haben („meiner Frau nicht auf die Nerven zu gehen“), Freundschaften besser pflegen zu können, wieder zu joggen und öfter auf die Lieblingsinsel Föhr zu fahren. Gleichwohl gibt es schon Ideen fürs Bistro, in dem er künftig gern integrativ arbeiten würde, sowie einen Tipp für die Heisinger: „Mit dem Fahrrad kommt man dort gut hin“, lädt er augenzwinkernd ein und schaut noch einmal auf den Baldeneysee.
„Ich habe das alles hier immer gern gemacht und die Gäste wissen das“, sagte Hartmut Jolink ein bisschen wehmütig und gesstand doch, dass der Weggang vom Steeler Stadtgarten damals ein größerer Einschnitt in seinem Leben gewesen ist. Jetzt habe er sich nicht gegen den Sportlertreff, aber eben für etwas anderes entschieden. Ob er am letzten Tag sentimental werden würde, das konnte er nicht recht einschätzen. Fest stand aber, dass es einen sehr emotionalen Moment geben sollte, wenn er und sein Küchenhelfer Sri Sivakumar Muthukumaru sich verabschieden und von da an beruflich getrennte Wege gehen werden.
Vor 25 Jahren kam er als Aushilfe in den Sportlertreff. Rasch stellte Hartmut Jolink ihn fest in Vollzeit ein, arbeitete Tag für Tag mit ihm. „Er ist mein Sechser im Lotto“, sagte der Chef über seinen Küchenhelfer. Und wenn Sri Sivakumar Muthukumaru nun mit seiner Familie zurück nach Sri Lanka ziehen wird, dann mit der Gewissheit, dass sie nächstes Jahr Besuch bekommen werden. Die Reise zu ihrem Freund haben Hartmut Jolink und seine Frau längst geplant: „Er gehört einfach zu uns.“
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