Essen. Viele Straßen sind übersät mit Schlaglöchern. Die Stadt Essen kommt mit dem Ausbessern kaum hinterher. Kritik kommt aus der Politik.

So etwas gibt es im Kfz-Betrieb von Jens Kürvers auch nicht alle Tage: In seine Werkstatt an der Ruhrtalstraße in Werden wurden an einem einzigen Tag gleich acht Autos geschleppt, alle mit geplatzten Reifen. Die seien ausnahmslos in Schlaglöchern auf der Laupendahler Landstraße zu Bruch gegangen, schreibt Kürvers der Redaktion. Für ihn sei dies „ein Sinnbild des Straßenzustandes in Essen“. Mit dieser Einschätzung dürfte der Inhaber des Autohauses nach dem Eindruck vieler Autofahrer genau ins Schwarze treffen.

Tatsächlich finden sich derzeit auf vielen Haupt- und Nebenstraßen zwischen Karnap und Kettwig zahlreiche Schlaglöcher. Im „Mängelmelder“ der Stadt Essen finden sich dazu Dutzende Meldungen. Nicht wenige Schlaglöcher sind so tief, dass der Unterbau der Fahrbahnoberfläche zutage tritt. Wer hineinfährt in ein solches Loch, muss nicht nur um seine Reifen fürchten.

Die Ruhrallee war mehr als zwei Wochen lang nur einspurig befahrbar

Besonders gefährliche Stellen hat die Stadt mit rot-weißen Warnbaken markiert, was leider nicht überall der Fall ist. Auf der Ruhrallee wurden die Baken zu Wochenbeginn abgeräumt, nachdem sowohl stadteinwärts als auch stadtauswärts je eine von zwei Fahrspuren gesperrt war. Unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen hatten sich im Asphalt tiefe Schlaglöcher aufgetan, die nun zumindest provisorisch repariert worden sind.

Warum ließ das so lange auf sich warten? Wie ein Sprecher der Stadt auf Anfrage der Redaktion mitteilte, sollten die Löcher mit sogenanntem Heißasphalt verfüllt werden. Weil es nach Weihnachten aber ausgiebig und dauerhaft regnete, sei dies nicht möglich gewesen.

Und warum griff man deshalb nicht statt auf Kaltasphalt zurück, wie sonst üblich, wenn es darum geht, Schlaglöcher provisorisch, aber schnell zu stopfen? Die Schadstellen sollten wegen der Bedeutung der Ruhrallee für das Straßennetz „nachhaltig und langfristig“ beseitigt werden, lautet die Antwort aus dem Rathaus. Kaltasphalt könne nicht aushärten, schnell sei die geflickte Stelle wieder löchrig, sagt Stadtsprecherin Silkee Lenz. In Kauf genommen wurde damit allerdings, dass der Verkehr auf der wichtigen und vielbefahrenen Ruhrallee tagelang stockte. Wie lange es dauert, bis der Asphalt wieder aufbricht, bleibt abzuwarten.

In den Wintermonaten zählt die Stadt Essen bis zu 300 Schlaglöcher pro Tag

Dass im gesamten Stadtgebiet auf vielen Straßen Schlaglöcher auftauchen, erklärt die Stadt abermals mit den teils heftigen Regenfällen der vergangenen Wochen und den aktuell frostigen Temperaturen, was für die nahe Zukunft Schlimmes befürchten lässt. Denn Essens Straßennetz ist „erheblich überaltert“, wie es in einem Bericht der Stadtverwaltung aus April vergangenen Jahres heißt.

Die Stadt untermauert dies mit Zahlen. Demnach ist fast jede vierte Hauptverkehrsstraße in einem schlechten Zustand (24,14 Prozent), fast jede zehnte ist sogar in einem sehr schlechten Zustand (8,97 Prozent). Die Zahlen basieren auf einer Zustandserhebung aus den Jahren 2019/2020, was die Vermutung nahe legt, dass es seitdem nicht besser geworden ist. Denn wie die Verwaltung in ihrem Bericht darlegt, stehen für die Erneuerung von Hauptverkehrsstraßen im Haushalt nur sieben Millionen Euro zur Verfügung, benötigt würden aber rund 9,6 Millionen Euro pro Jahr. Im Klartext: Die Stadt Essen fährt auf Verschleiß.

Nach Angaben der Stadt werden im Durchschnitt 120 Schlaglöcher am Tag repariert. In den Wintermonaten bei starken Regenfällen oder bei Frost, wie er derzeit herrscht, könne die Zahl der Schlaglöcher aber schnell auf 300 anwachsen. „Das Thema ist erkannt“, erklärte Oberbürgermeister Thomas Kufen auf Anfrage. Derzeit seien acht Straßenbautrupps unterwegs statt sonst nur drei. Das Amt für Straßen und Verkehr arbeite mit Hochdruck daran, die Schäden zu beheben und abzuarbeiten.

Verkehrsdezernentin Simone Raskob hebt hervor, dass Mitarbeiter sich freiwillig dazu bereit erklärt hätten, auch an den Wochenenden zu arbeiten. Drei Bautrupps seien dann im Einsatz. Pro Tag könnten 500 Schlaglöcher verfüllt werden, die größeren mit Heißasphalt. Raskob geht davon aus, dass bis Anfang der kommenden Woche alle bekannten Schlaglöcher verfüllt werden.

Dennoch provozieren der bedauernswerte Zustand vieler Straßen und die Vielzahl an Schlaglöchern aktuell Kritik aus Reihen der Politik. Das Essener Bürgerbündnis (EBB) spricht von „einem Skandal“ und beklagt ein Missverhältnis zwischen Investitionen in die Erneuerung von Straßen einerseits und in den Ausbau von Radwegen andererseits. Dafür verantwortlich sei die Mehrheit im Rat der Stadt aus CDU und Grünen. „In Teilen sind wir an einer Grenze, wo die Frage zu stellen ist, ob die Stadt ihrer Verkehrssicherungspflicht noch nachkommt“, kritisiert EBB-Fraktionssprecher Kai Hemsteeg und fordert eine Kurskorrektur.

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