Essener Süden. Im Essener Süden soll eine „ökumenische Wohngemeinschaft“ zwei Kirchenstandorte ersetzen. Ein schmerzhafter Prozess für die Pfarrei St. Ludgerus.

Das Jahr 2024 beginnt für die katholische Großpfarrei St. Ludgerus mit einer turnusmäßigen „Visitation“ des Bischofs. Nach einer Heiligen Messe am 11. Januar in der Basilika wird Franz-Josef Overbeck in den nachfolgenden Wochen immer wieder in die Gemeinde zurückkehren: Geplant sind Besuche in Kita, Grundschule, Krankenhaus, Gespräche mit Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt, mit der Leitung der Stiftung St. Ludgeri und den Ordensgemeinschaften. Dazu Treffen mit den Mitarbeitern der Pfarrei, mit dem Pastoralteam und den Gremien.

Vielbeachtet wird der Besuch der Jona-Kirche in Heidhausen sein. Bischof Overbeck begrüßt eine Mitnutzung dieser evangelischen Kirche durch die katholische Gemeinde St. Kamillus ausdrücklich. Für Pfingsten 2024 steht der Auftakt einer „ökumenischen Wohngemeinschaft“ auf dem Programm, mit dem Einzug der Gemeinde St. Kamillus in die Jona-Kirche.

Evangelische Jona-Gemeinde prüft ihren Immobilienbestand

Aktuell wird seitens der evangelischen Gemeinde der Immobilienbestand geprüft und bewertet. Sollte es räumlich nicht für alle Angebote der katholischen Gemeinde reichen, laut Raumnutzungsplan monatlich über 100 Buchungen, müssten eventuell mobile Angebote oder Verlagerungen in das zukünftige Pfarreizentrum in den ehemaligen „Domstuben“ aushelfen.

Mit der evangelischen Jona-Gemeinde wird eine „ökumenische Wohngemeinschaft“ in Heidhausen gebildet.
Mit der evangelischen Jona-Gemeinde wird eine „ökumenische Wohngemeinschaft“ in Heidhausen gebildet. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In Fischlaken wird nicht nur die Kirche Christi Himmelfahrt außer Dienst gestellt. Bald könnten auch Pfarr- und Gemeindehaus sowie das Jugendheim geschlossen werden. Der Umsetzungsplan sieht eine Aufgabe bis Ende 2024 vor, was allerdings stark vom angestrebten Verkaufsprozess abhänge. Ziel sei es, die Liegenschaft zu vermarkten und den gesamten Standort einer neuen Nutzung zuzuführen.

Was die Frage aufkommen ließ, was genau mit dem Verkaufserlös geschehe. Fließt er in nennenswerter Höhe ins zukünftige „ökumenische Zentrum“ am Schwarzen oder komplett in die Sanierung des Pfarrhaushalts? Das Kirchengebäude muss weiterhin gewartet werden und die Gemeinde muss ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommen. Dies betrifft besonders die Sicherheit der Fassade, des Dachs und der Außenanlagen. Auch unbefugtes Eindringen muss verhindert werden. Bleibt noch die Frage nach den liturgischen Geräten und Gegenständen, Kunstobjekten und weiteren Einrichtungsgegenständen der Gemeinde.

Der Abschied soll durch die Gemeinde mit geprägt werden

Der nächste Schritt vor einem möglichen Abriss wäre die „Profanierung“ des Kirchengebäudes. Ein Verwaltungsakt, der im kirchlichen Amtsblatt vollzogen wird. Der Abschiedsprozess soll aber über diesen formalen Akt hinaus durch die Gemeinde mit geprägt werden. Dazu passt das Wort von Bischof Overbeck: „Wir geben nur Gebäude auf, keine Menschen.“

Wir geben nur Gebäude auf, keine Menschen.
Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen

Für Heidhausen wurde die Aufgabe des Gemeindeheims St. Kamillus bis Ende 2024 festgehalten. Neben den gemeindlichen Gruppen würde auch die Bücherei ihre Heimat verlieren. Hier müssten möglicherweise temporäre Zwischenlösungen gefunden werden. Das Kirchengebäude St. Kamillus gehört dem Orden der Kamillianer, die Pfarrei St. Ludgerus war nur Mieter. In Stellungnahmen zur Pfarreiversammlung Anfang November waren Gemeindemitglieder deutlich geworden: Es gebe die Sorge, dass ein übereilter Umzug die Gemeindestrukturen „zerfasern“ lasse: „Im Moment fühlt es sich so an, als wenn die Pfarrei uns vor der Jona-Kirche ablädt und uns – unter Verweis auf den Hl. Geist – in eine ungeordnete Zukunft entlässt.“

Über die Zukunft der Kitas ist noch nicht entschieden

Die Zukunft der vier katholischen Kitas ist ebenfalls ein Thema in Werden, Fischlaken und Heidhausen. Von den aktuell 622 Kita-Plätzen dort befinden sich 45 Prozent in katholischer Trägerschaft. Momentan verhandelt die Pfarrei mit dem Kita-Zweckverband. Hintergrund ist auch ein Sanierungsstau.

Zahl der Kirchenaustritte steigt an

Das Haushaltsdefizit der Propsteipfarrei St. Ludgerus für die Jahre 2021 bis 2023 betrug 620.000 Euro. Durch Reduzierung von Gebäuden und Bündelung von Aktivitäten soll ab 2025 ein ausgeglichener Haushalt möglich werden.

Die Pfarrei St. Ludgerus zählte im Jahr 2010 16.885 Katholiken, im Jahr 2022 waren es nur noch 13.986 Mitglieder.

Der Rückgang liegt begründet im demografischen Faktor und in Kirchenaustritten. Deren Zahl steigt seit 2020 kontinuierlich an, bis hin zu 395 Austritten im Jahr 2022. Für 2023 lagen die Zahlen nach drei Quartalen auf Vorjahresniveau.

So deutete Oberbürgermeister Thomas Kufen im November an, es werde über einen Neubau der Kita St. Kamillus an der Barkovenallee nachgedacht, mit dann sechs statt wie bisher vier Gruppen: „Das Bestandsgebäude ist nicht der Standard, den wir heute wollen.“ Die zukünftige Trägerschaft dieser Kita sei noch nicht entschieden, hieß es von der Gemeinde.

Auch die Kita Christi Himmelfahrt an der Wintgenstraße sei in einem baulich schlechten Zustand. Wenn die gesamte Fläche vermarket werde, solle der weiterhin bestehende Bedarf an Kita-Plätzen berücksichtigt werden. Das klingt unverbindlich. Auch hier deutet sich ein Trägerwechsel an.

Für die Werdener Kitas St. Ludgerus I und II gibt es höchst unterschiedliche Perspektiven. Während es beim „Lummerland“ an der Forstmannstraße ruhig ist, hieß es beim „Rummelpott“ bereits 2019, dass die Einrichtung vom Zweckverband mittelfristig aufgegeben werde. Das Jahr 2024 wird für die Pfarrei St. Ludgerus und die Gläubigen also große Veränderungen mit sich bringen.

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