Essen. Essener Eltern klagen bei unserer Familienumfrage über marode Schultoiletten. Einer der Gründe dürfte ein Wettbewerb in den sozialen Medien sein.

Toiletten, die man nicht abschließen kann, fehlendes Klopapier, kaputte Schüsseln: Essener Eltern haben sich bei unserem Familien-Check über marode sanitäre Anlagen an den Schulen beklagt. Bei der Online-Umfrage wurden verschiedene Aspekte der Familienfreundlichkeit von Kinderbetreuung, Schule, Arbeitgeber und Stadt abgefragt.

Knapp 1000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Essen bewerteten in der nicht-repräsentativen Umfrage den Zustand der Schule – Räume, Möbel und Toiletten – mit einer Note von 3,2 als befriedigend. Die Antworten wurden anonym erfasst. Speziell über die Situation der Klos äußerten sich manche ausführlicher.

Tik-Tok: Schüler werden dazu aufgerufen, ihre Schultoilette zu zerstören

  • „Viele Toiletten lassen sich nicht abschließen und Toilettenpapier gibt es oft nicht.“
  • „Die Toiletten sind schrecklich, weil komplett veraltet (waren schon zur Schulzeit meines Mannes so, seither ist nicht saniert worden).“
  • „Toiletten sind ekelhaft, keine Klobrillen kein Toilettenpapier, benutzte Binden /Tampons liegen auf dem Boden.“

Trauriger Höhepunkt dürfte eine Tik-Tok-Challenge sein, die seit einigen Monaten in dem sozialen Netzwerk kursiert. Schüler und Schülerinnen werden darin dazu aufgerufen, ihre eigene Schultoilette zu zerstören und ein Video von dem Ergebnis hochzuladen, um so möglichst viele Likes zu sammeln. Worüber viele wohl nur den Kopf schütteln können, ist an einigen weiterführenden Essener Schulen tatsächlich passiert. Namentlich genannt werden wollen diese nicht, wer schmückt sich schon gerne mit solchen Vorfällen mitten in der aktuell laufenden Anmeldephase?

Vandalismusschäden durch Brandstiftung an Essener Schulen

An einer Schule hat es laut Stadt zwei Vandalismusschäden durch Brandstiftung gegeben, die offenbar gefilmt und auf Tik Tok veröffentlicht wurden. Ein Schulleiter erzählt, dass ein Schüler eine Klorolle von innen hinter die Türklinke geklemmt und angezündet habe. Folge sei eine enorme Rauchentwicklung gewesen. Ein anderer Schulleiter spricht von herausgebrochenen Schlössern und Kot an den Wänden. Der Polizei werden nach eigenen Angaben monatlich etwa zehn Sachbeschädigungen an Essener Schulen gemeldet. Wie viele davon in den sanitären Anlagen zu verzeichnen sind und wie viele davon in Zusammenhang mit der Challenge stehen, werde nicht erfasst.

Das Dilemma ist, dass die Schüler selbst die Leidtragenden sind.
Hanna Busch, Leiterin des Jugendpsychologischen Instituts der Stadt Essen

„Das Absurde ist, dass die Schüler selbst die Leidtragenden sind“, sagt die Leiterin des Jugendpsychologischen Instituts der Stadt Essen, Hanna Busch, und erinnert daran, dass die Schüler selbst die Toiletten im Zweifel im Anschluss nicht mehr nutzen könnten. Das würden die Jugendlichen jedoch oft nicht vorher erkennen und seien sich über die Konsequenzen ihrer Tat nicht bewusst. „Mit einem Tadel ist es nicht getan“, sagt ein Schulleiter. Je nach Alter sind die Jugendlichen bereits strafmündig, müssen den Schaden selbst zahlen und unter Umständen werden sie der Schule verwiesen. Es sei immer gut, einen Täter zu ermitteln und dann „klare Kante“ zu zeigen, sagt einer der Schulleiter und ergänzt, dass darauf viel Energie verwendet werde. Dann sei schnell „Ruhe im System“.

Tik-Tok-Challenge: Schulleitungen holen sich Unterstützung bei Schülern

Zur klaren Kante gehöre allerdings auch, den Schaden schnell zu beheben und Aufklärungsarbeit zu leisten, das Gespräch mit den Schülern zu suchen. In einigen Schulen arbeitet die Schulleitung dafür mit der Schülervertretung oder mit Medienscouts zusammen, also ebenfalls Schülern und Schülerinnen, um an eine vernünftige Nutzung der WCs zu appellieren. Der Appell auf Augenhöhe funktioniere oft sehr gut.

An einigen Schulen wird außerdem darüber nachgedacht, Personal einzustellen, um die Situation auf den Toiletten in den Griff zu bekommen. Wer diese WC-Fee bezahlen soll, ist allerdings oft unklar. Manchmal übernehmen auch Schüler und Schülerinnen den Job und achten in den Pausen darauf, dass die Toiletten nicht zerstört werden, im Gegenzug können sie ihre Note in einigen Fächern verbessern. In unserem Familien-Check schrieb ein Elternteil beispielsweise: „Die Toiletten werden zurzeit renoviert und von einer guten Seele betreut und gereinigt.“

Das ist der Familien-Check

Wie bewerten Familien das Freizeitangebot in ihrer Stadt, wie blicken sie auf Schulen und Kitas? Wie flexibel ist der Arbeitgeber, wenn das Kind krank wird? Nach diesen und vielen Themen mehr haben wir in unserem „Familien-Check“ gefragt. Und mehr als 8300 Menschen aus der ganzen Region haben mitgemacht. Die Erkenntnisse stellen wir Ihnen nun in loser Folge vor. Und natürlich haben viele Teilnehmenden auch Anregungen geliefert, die wir gerne aufgreifen. Repräsentativ war die Umfrage nicht, weil die Teilnehmenden keinen Querschnitt der Bevölkerung bilden. Die Bewertungen sind vor allem als Hinweise zu verstehen, wo etwas gut oder schlecht läuft.

Grundsätzlich zeigt sowohl der Familien-Check als auch die Recherche: An Grundschulen geht es eher darum, dass Handtuchpapier auf dem Boden landet oder neben die Schüssel uriniert wird. An weiterführenden Schulen sind dazu noch Vandalismusschäden zu verzeichnen. Einrichtungen, die bereits sanierte oder gar neue Toiletten haben, sind weniger betroffen. Wenn man sehr alte Toiletten habe, sei es schwieriger, Aufklärungsarbeit zu leisten, sagt einer der Schulleiter im Gespräch mit der Redaktion. „Wo Schaden ist, entsteht neuer Schaden“, bestätigt ein anderer. Wenn die Klobrillen sowieso schon lose sind, liegen sie auch schnell auf dem Boden, hängt der Klorollenhalter nur noch an einer Schraube, landet das Papier schonmal auf dem Boden oder direkt als komplette Rolle im WC.

Blick in die Toilette einer Essener Schule (Archivbild).
Blick in die Toilette einer Essener Schule (Archivbild). © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Hoffnung ist, dass Schüler und Schülerinnen schicken, neuen Toiletten entsprechenden Respekt entgegenbringen. Die Stadt hatte im Jahr 2017 ein komplettes Sanierungsprogramm für die Essener Schulen beschlossen. Man schaute sich damals sämtliche Anlagen an und kam zu dem wenig überraschenden Schluss: So gut wie jedes Klo muss saniert werden.

Heute, sechs Jahre später, wurden nach Angaben der Stadt tatsächlich 100 Anlagen im Stadtgebiet saniert, 89 standen im September noch auf der Liste. Wann das Projekt komplett abgeschlossen sein wird, ist laut Stadt derzeit unklar, teilweise werde erst im Jahr 2027 mit der Sanierung begonnen.

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