Essen-Rüttenscheid. Im Rüttenscheider Seniorenzentrum St. Martin wird jetzt Telemedizin eingesetzt. Wie dadurch Pflegekräfte entlastet werden sollen.
- Das Rüttenscheider Pflegeheim St. Martin arbeitet seit einem halben Jahr mit Telemedizin.
- Ein Hausarzt kann jetzt auf verschiedene Patientendaten der Bewohnerinnen und Bewohner zugreifen, die in dem Rüttenscheider Heim leben.
- Das soll unter anderem die Pflegekräfte entlasten – die dann mehr Zeit für die Seniorinnen und Senioren haben.
Anderthalb bis zwei Stunden: So lange muss laut Markus Kampling, Geschäftsführer der Katholischen Pflegehilfe, eine Pflegekraft freigestellt werden, wenn sie einen Bewohner zum Arzt begleitet. Um Pflegepersonal und gleichzeitig die Arztpraxen zu entlasten, geht die Katholische Pflegehilfe in ihrem Seniorenzentrum St. Martin an der Rüttenscheider Straße neue Wege: Seit einem halben Jahr wird dort mit Telemedizin gearbeitet.
„Viele denken bei dem Thema erstmal an die Videosprechstunde“, erklärt Christoph Schöbel, Leiter des Zentrums für Schlaf- und Telemedizin der Universitätsmedizin Essen. Er begleitet das Projekt, das auch wissenschaftlich ausgewertet werden soll. Tatsächlich gehe es aber in erster Linie darum, beim organisatorischen Klein-klein Zeit zu sparen. Ärztliche Untersuchungen gibt es weiterhin vor Ort. „Der Mensch steht im Mittelpunkt“, betont Schöbel.
Telemedizin-Projekt: Essener Hausarzt kooperiert mit Seniorenheim
Das Telemedizin-Projekt wird gemeinsam mit Hausarzt Gerd Reimer umgesetzt. Er ist in der Gemeinschaftspraxis Baumeister und Reimer an der Rüttenscheider Straße ansässig. 40 der etwa 100 Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenzentrums St. Martin sind seine Patienten. Über einen VPN-Zugang kann er auf die Software des Pflegheims zugreifen. Dort kann er beispielsweise sehen, welche Medikamente verschiedene Fachärzte den Bewohnerinnen und Bewohnern verordnet haben. Außerdem kann er die Pflegedokumentation abrufen.
„Wenn ein Patient zum Beispiel Blutdruckunregelmäßigkeiten hat, kann ich mir anschauen, welche Blutdruckwerte die Pflege in letzter Zeit dort angegeben hat“, erklärt Reimer. Außerdem könne er beispielsweise sehen, wenn der Urologe ein Medikament verschrieben habe, dass sich mit dem Arzneimittel nicht vertrage, das er verordnen wolle. So könne er sich dann mit dem Arztkollegen absprechen. Der große Vorteil sei die Zeitersparnis. Für ihn, weil er sich besser und schneller vorbereiten könne, aber auch für die Pflegekräfte.
Leiterin von Rüttenscheider Pflegeheim: Telemedizin reduziert Stress bei Pflegekräften
Die mussten zuvor nämlich unter Umständen den Arzt anrufen, um etwas Medizinisches zu erfragen. Wenn der in der Sprechstunde und deshalb gerade nicht erreichbar war, mussten sie zunächst auf den Rückruf warten. Der kam dann vielleicht, während sie sich gerade um einen Bewohner kümmerten. Woraufhin sie den Bewohner vertrösten mussten, um zum Computer zu laufen, dort etwas in der Dokumentation nachzulesen und es dem Arzt durchzugeben.
Nicht zu unterschätzen sei dabei neben dem Zeit- auch der Stressfaktor, sagt Einrichtungsleiterin Kathrin Borowczak: „Wenn die Pflegekräfte den Arzt nicht erreicht haben, kriegen sie den Kopf nicht frei und denken die ganze Zeit daran, dass sie es gleich nochmal versuchen müssen.“ Dank Telemedizin könnten sie mit dem Gefühl in den Feierabend gehen, dass ihnen nichts durchgegangen ist.
Rüttenscheider Pflegeheim investierte 80.000 Euro in Telemedizin
Auch den Bewohnerinnen und Bewohnern bringe das neue System eine Entlastung, erklärt Kampling: „Wir wollen die Menschen, die hier leben, optimal medizinisch versorgen. Viele von ihnen sind hochbetagt, sodass ein Transport zum Arzt ihre gesundheitliche Situation nicht unbedingt besser macht.“ Darüber hinaus könnten die Pflegekräfte die beim Organisatorischen eingesparte Zeit in die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner investieren.
80.000 Euro hat die Katholische Pflegehilfe in das Projekt investiert, davon 50.000 in die Hard- und Software, 30.000 in die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Stiftung Universitätsmedizin unterstützt den wissenschaftlichen Teil mit 100.000 Euro.
Künftig soll auch mit einem Messenger-System gearbeitet werden, in dem die Pflegekräfte Nachrichten an den Arzt übermitteln können. Die kann er sich dann anschauen, wenn er Zeit hat. Der Träger hofft, dass andere Allgemeinmediziner ebenfalls einsteigen. Und irgendwann, so schätzt Markus Kampling, komme vielleicht doch die Videosprechstunde: „In einigen Jahren werden wir eine andere Generation hier im Pflegeheim haben.“ Für diese künftigen Bewohnerinnen und Bewohner sei die Kommunikation über den Bildschirm viel natürlicher.
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