Essen. Kürzlich wurden sie verlegt, nun sind sie zerstört: Stolpersteine, die in Essen-Steele an Juden erinnern sollten. Der Staatsschutz ermittelt.
Dort, wo ein Nazi-Mob in der Pogromnacht das Geschäft der Kongreckis in Essen-Steele verwüstet hat, klafft eine schäbige Lücke im Pflaster: Unbekannte haben die erst kürzlich verlegten Stolpersteine, die an das Schicksal der jüdischen Familie an der Dahlhauser Straße erinnern sollten, zum Teil herausgerissen. Ob politisch motivierte Täter oder Metalldiebe am Werk waren, kann die Polizei noch nicht einschätzen, berichtete deren Sprecher Pascal Pettinato am Freitag. Wer hinter den Verwüstungen steckt, ist völlig unklar. Es liegen Strafanzeigen wegen Diebstahls vor. Dennoch ermittele der Staatsschutz.
Es ist „ein brutales Bild“, sagt Irene Wollenberg, Mitglied des Sprecherkreises „Mut machen! Steele bleibt bunt“. Die Stolpersteine für Auguste und Siegfried Kongrecki seien vollständig verschwunden, das Mahnmal für Abraham Kongrecki sei zur Unkenntlichkeit beschädigt und geschändet worden. Die Inschrift sei nicht mehr zu erkennen. Diesen Stolperstein stellte die Polizei sicher.
Stolpersteine: Die entstandenen Löcher wieder aufgefüllt
Der oder die Täter müssen mit äußerster Gewalt vorgegangen sein, ist Wollenberg überzeugt. Gleichzeitig machte man sich aber die Mühe, die entstandenen Löcher mit Kies wieder aufzufüllen, was durchaus für eine geplante Tat sprechen könnte.
„Jedes Gedenken an diese Opfer des Naziterrors soll ausgelöscht werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Bündnisses „Mut machen! Steele bleibt bunt“ und der Initiative „Runder Tisch Steele“: „Wir sind bestürzt und empört über diesen widerwärtigen Akt menschenverachtenden antisemitischen Hasses, über die Schändung des Mahnmals. Wir sehen die abscheuliche Tat jedoch nicht als Einzelfall, sondern reihen sie ein in die Reihe antisemitischer Gewalttaten in Deutschland.“
Ob die Stolpersteine erneuert werden, ist noch unklar
Der Vorfall mache die Notwendigkeit des Engagements gegen jede Art von Antisemitismus und Rassismus deutlich und er bekräftige die gemeinsame Aussage: „Nie wieder!“ Ob die herausgerissenen Stolpersteine nun erneuert werden, sei noch nicht geklärt, sagt Irene Wollenberg: „Wir denken darüber nach.“
Als die Mahnmale an der Dahlhauser Straße 20 am 20. Oktober eingelassen wurden, berichteten Marienschülerinnen über das Schicksal von Abraham und Auguste Kongrecki und ihrem Sohn Siegfried. Die Familie hatte seit 1930 unter dieser Adresse ein Geschäft für Weiß- und Wollwaren, das in der Pogromnacht 1938 verwüstet wurde. Siegfried hatte als einziger jüdischer Junge auf der Schule an der Bergstraße unter Misshandlungen durch Mitschüler zu leiden, die der Hitler-Jugend angehörten. Als es zu schlimm wurde, blieb er daheim.
Kongrecki sah seine Familie nie wieder
Abraham Kongrecki konnte 1939 nach England fliehen, sah aber seine Familie nie wieder. Zwei Jahre später wurden Ehefrau und Sohn nach in das polnische Ghetto Litzmannstadt deportiert. Siegfried starb dort an Fleckfieber. Er wurde keine 15 Jahre alt. Auguste überlebte ihn nur um wenige Wochen.
Die drei Stolpersteine, die in Steele an das Schicksal der Familie erinnern sollten, waren drei von 55, die inzwischen in dem Stadtteil verlegt worden sind. Über 400 sind es stadtweit. Die Aktion in Essen, die der Historische Verein für Stadt und Stift Essen betreut, hat vor nunmehr fast 20 Jahren begonnen. Auf Initiative des ehemaligen Oberbürgermeisters Peter Reuschenbach fanden in 2004 sich Spender und Paten zusammen, die die einzelnen Steine finanzieren. Der Stadt entstehen daher keine Kosten.
Die ersten Stolpersteine in Essen erinnern an Emma, Leo, Walter und Alfred Cussel, die zuletzt in dem sogenannten „Judenhaus“ in der Kastanienallee lebten. Alfred Cussel und seine Kinder wurden in das Ghetto Izbica deportiert, das den Nationalsozialisten als Durchgangslager für die Vernichtungslager Sobibór und Bełżec diente. Niemand aus der Familie überlebte.
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