Essen. Die Gewerkschaft IG Bau warnt vor krebserregendem Asbest in vielen Tausend Essener Altbauten. Was Handwerker und Heimwerker wissen sollten.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt warnt vor Asbest in Altbauten. „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt IG-Bau-Bezirksvorsitzender Peter Köster.
Köster spricht von „Asbest-Fallen“ und nennt Zahlen: „In den vier ‚Asbest-Jahrzehnten‘ wurden in Essen rund 49.100 Wohnhäuser mit 201.200 Wohnungen neu gebaut. Das sind immerhin 56 Prozent aller Wohngebäude, die es heute in der Stadt gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.“ Der Bezirksvorsitzende der IG BAU Mülheim-Essen-Oberhausen verweist dabei auf die „Situationsanalyse“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut in Hannover in Auftrag gegeben hat.
Zu einer Krankheitsdiagnose kann es nach Jahrzehnten kommen, warnt die IG Bau
Wer in einem asbestbelasteten Haus wohne, müsse sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Eine unmittelbare Gefahr bestehe nicht. Erst bei Sanierungsarbeiten werde es kritisch. „Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden“, sagt Peter Köster. „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.“ Bis zu 30 Jahre könne es dauern, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.
Die krebserregende Mineralfaser stecke in vielen Baustoffen. Asbest sei oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement. Dieser finde sich vorwiegend an Rohren, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen. Ein großes Problem sei Spritz-Asbest: „Hier sind die Asbestfasern schwächer gebunden. Sie können deshalb leichter freigesetzt werden. Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden früher intensiv mit Spritzasbest verkleidet“, erklärt Köster.
Asbest galt als „Wunderwaffe“, seit 1993 darf es nicht mehr verbaut werden
Ingo Jankowski aus Dellwig führt einen Fachbetrieb für Asbestsanierung. Jankowski bestätigt, dass es in Altbauten diffuse Quellen für Asbest gebe. „Asbest war die Wunderwaffe“, berichtet der Fachmann. Lässt sich der Stoff doch leicht verarbeiten, er gilt als hitze- und säurebeständig. Erst viel später wurde bekannt, welche Risiken damit verbunden sind. Seit 1993 darf Asbest nicht mehr verbaut werden. Die Sanierung ist aufwendig und teuer.
Die Stadt Essen hat schon vor Jahren auf die Problematik aufmerksam gemacht. Kindertagesstätten und Schulen wurden angewiesen, sich mit der städtischen Immobilienwirtschaft abzustimmen, bevor an Wänden Bilder, Tafeln oder Garderobenhaken angebracht werden. Denn möglicherweise lauert Asbest in Putz oder Spachtelmasse.
Tüv, Dekra und Ingenieurbüros bieten die Erstellung von Schadstoffgutachten an
Die IG Bau sieht aktuell Handlungsbedarf. „Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Dabei bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiesparsanierung: „Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut. Es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen“, so Köster. Mit der Sanierungswelle drohe eine „Asbest-Welle“ auf dem Bau.
Die Gewerkschaft fordert bessere Informationen über Asbest-Gefahren, die Förderung von Asbest-Sanierungen durch den Bund und konsequenten Arbeitsschutz etwa durch die Einführung eines Schadstoff-Gebäudepasses mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung eines Gebäudes. „Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker muss wissen, auf was er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert“, so Peter Köster.
Fachmann Ingo Jankowski rät zudem jedem, der sich mit dem konkreten Gedanken trägt, eine Immobilie zu erwerben, ein Schadstoffgutachten erstellen zu lassen wie es der Tüv, die Dekra oder Ingenieurbüros anbieten. Damit es nach dem Kauf keine böse Überraschung gibt.