Essen-Schonnebeck. Im Essener Norden fahren Schulkinder jetzt freitags gemeinsam mit dem Fahrrad zur Schule. Ziel ist es, gegen sogenannte Elterntaxis vorzugehen.

Sechs Kinder haben sich am frühen Freitagmorgen auf dem Schonnebecker Markt zusammengefunden: Nina, Lara, Julia, Joel, Savannah und Bashira besuchen die vierte Klasse der Schillerschule in Schonnebeck (Immelmannstraße 6-8). Begleitet werden sie heute von Ninas Eltern Kathi (40) und ihrem Mann Dennis (43), der ein Lastenrad mitgebracht hat. Es ist noch dunkel, aber Dennis, Kathi und die Kinder sind gut zu erkennen, denn sie sind mit orangefarbenen und gelben Warnwesten ausgestattet.

Die Kinder fahren heute gemeinsam mit dem Fahrrad zur Schule. Vorher verstauen sie ihre Schulranzen bei Dennis im Lastenrad. Bashira wird heute zehn, deswegen hat sie nicht nur ihren Schulranzen, sondern auch eine große Tüte mit Kuchen dabei, den sie aufgeregt im Lastenrad von Dennis verstaut.

Essen-Schonnebeck: Kinder fahren freitags mit dem Fahrrad zur Schule

Dann geht es los: Dennis vorne, dann die Kinder hintereinander weg, am Ende Kathi: Die Fahrradkolonne fährt vom Schonnebecker Markt aus zum Westbergkamp, dann rechts auf den Reickskamp, über die Gerhard- und die Westbergstraße bis hin zum Berg Auf dem Stapel, der die Kinder zur Schillerschule auf der Immelmannstraße führt. Auf der letzten Etappe geht es steil bergauf, zwischendurch muss Dennis die Kinder anschieben. Die Strecke ist einen knappen Kilometer lang.

Ungefähr fünf Minuten dauert die Tour zur Schillerschule, um 7.50 Uhr erreicht die Fahrradkolonne das Schulgebäude. Die Kinder schließen ihre Fahrräder ab, Dennis wünscht allen einen schönen Schultag, und schon zockeln die Kinder zur Schule. Bevor er sich auf den Weg zur Arbeit macht, zückt Dennis sein Handy: Alle Kinder sind gut angekommen, schreibt er in die gemeinsame Whatsapp-Gruppe der Eltern.

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Seit den Sommerferien organisiert Dennis Wegner, der selbst mit seiner Familie in Katernberg lebt, den sogenannten Bicibús im Essener Norden. Nach den Sommerferien begann er Flyer in der Schillerschule zu verteilen, die Schule unterstütze ihn bei seiner Idee.

Seitdem kommt er jede Woche Freitag um 7.30 Uhr mit seiner Tochter Nina, die die vierte Klasse der Schillerschule besucht, zum Schonnebecker Markt. Dort wartet er auf die Kinder, die meisten werden von ihren Eltern zum Markt gebracht. Sobald die Truppe vollständig ist, geht die Fahrt zur Immelmannstraße los.

Der Freitag bietet sich an, sagt Dennis, weil da viele Eltern später ins Büro fahren oder aus dem Homeoffice arbeiten können. Die Gruppe stelle immer sicher, dass die Kindergruppe von zwei Erwachsenen begleitet werden kann. Inzwischen hätten sich fünf bis sieben Kinder gefunden, die regelmäßig beim Bicibús mitfahren. Laut Dennis ist aber noch viel Luft nach oben: In der Immelmannstraße gibt es neben der Schillerschule auch die Johann-Michael-Sailer-Schule, die beiden Schulen besuchen je 200 Kinder.

Bicibús Schonnebeck soll Kinder zum Fahrradfahren ermutigen

Dennis Wegener möchte die Kinder animieren, auch mal aufs Fahrrad zu steigen, möchte ihnen Mut machen und Motivation geben, die Berge zur Schule mit dem Fahrrad zu erklimmen. Außerdem möchte er gegen die sogenannten Elterntaxis angehen, der Gewohnheit, dass viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen. Die Situation mit den Autos, die sich vor der Grundschule tummeln, sei zuweilen „bizarr“, wie Dennis findet. Als an der Schule Fahrradtraining stattfand, seien „die Fahrräder teilweise aus den SUVs rausgeholt“ worden.

Initiativen gegen Elterntaxis gibt es bereits an verschiedenen Standorten in Essen: Die Andreasschule in Rüttenscheid hat etwa ein „Verkehrszähmerprojekt“ gestartet, um Elterntaxis den Kampf anzusagen. Dort gibt es speziell eingerichtete Haltestellen, an denen Eltern ihre Kinder mit dem Auto absetzen können – das letzte Stück bis zur Schule müssen die Kinder laufen. In Holsterhausen wurde wegen des durch Elterntaxis entstandenen Chaos eine Straße zur „Schulstraße“ umfunktioniert und zeitweise gesperrt.

Jeden Freitag fahren die Schulkinder der Schillerschule in Essen-Schonnebeck mit dem Fahrrad zur Schule. Die Idee nennt sich „Bicibús“ und stammt ursprünglich aus Barcelona.
Jeden Freitag fahren die Schulkinder der Schillerschule in Essen-Schonnebeck mit dem Fahrrad zur Schule. Die Idee nennt sich „Bicibús“ und stammt ursprünglich aus Barcelona. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Dennis Wegner spricht sich nicht nur gegen Elterntaxis aus, sondern auch für Fahrradstraßen: Aus diesem Grund ist er im Essener Rad-Entscheid aktiv und setzt sich für eine bessere Fahrradinfrastruktur im Essener Norden ein. Auf der Strecke zwischen Schonnebecker Markt und Schillerschule gebe es „nicht einen Meter Radinfrastruktur“, so Dennis. Er hofft, mit seiner Aktion ein Zeichen zu setzen, damit im Essener Norden die Fahrradstraßen ausgebaut werden.

In Rüttenscheid etwa hat die Stadt Essen umfangreiche Pläne bekanntgegeben, um den Autoverkehr zu reduzieren und Fahrradstraßen zu schaffen. Die Pläne werden kritisch diskutiert – einige Einzelhändler planen Protestaktionen. Dennis hat Sorge, dass der Essener Norden bei der Diskussion „vergessen werden könnte“. Auch im Norden sei es wichtig, sich die Frage zu stellen, wie der Autoverkehr reduziert werden kann.

Bicibús Schonnebeck: Idee stammt ursprünglich aus Barcelona

Mit dem Bicibús möchte Dennis einen Beitrag leisten, um den Kindern den Spaß am Radfahren beizubringen. Ursprünglich kommt die Idee des sogenannten Bicibús aus Barcelona. Bici ist die Kurzform für Bicicleta, das bedeutet Fahrrad auf Spanisch. In Barcelona werden teilweise die Straßen von der Polizei gesperrt, damit die Kinder zur Schule fahren können. Der Bicibús fährt dort in mehreren Etappen durch die ganze Stadt.

In Rheine gebe es ein ähnliches Modell, dort werde der Bicibús als Demonstration angemeldet. Bei den Essener Kindern scheint die Aktion bislang auf Begeisterung zu stoßen: „Fahrradfahren ist cooler als Autofahren“, sind sich Lara und Nina einig.

Das ist der Bicibús Schonnebeck

Der „Bicibús Schonnebeck“ fährt jede Woche Freitag vom Schonnebecker Markt zu den Schulen auf der Immelmannstraße 6-8 (Schillerschule und Johann-Michael-Sailer-Schule).

Die Kinder treffen sich ab 7:30 Uhr am Schonnebecker Markt. Die Route führt über Westbergkamp, Reickskamp, Gerhardstraße, Westbergstraße über Auf dem Stapel zur Immelmannstraße.

Die Eltern organisieren sich über eine WhatsApp-Gruppe. Teilnehmende Kinder müssen wetterfeste Kleidung, einen Helm und ein funktionstüchtiges Fahrrad mitbringen. Alle Infos unter: www.bicibus-schonnebeck.de.

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