Essen-Stadtwald. Schon einmal Ohrringe gestrickt? Eine Essenerin macht ihr Hobby zum Beruf – und setzt in der Selbstständigkeit auf ausgefallene Ideen.
Seit einem halben Jahr betreibt Raquel Rosa Pidevall gleich neben dem Torbogen zur Eyhofsiedlung an der Angerstraße 33 den „Strickladen“, der genau das bietet, was er verheißt. Wolle und Zubehör nämlich – und noch etwas mehr.
Wenn die Tage kälter werden, braucht es die passende Kleidung, die warm hält. Vor allem kuschelige Pullover und Schals bieten sich da an – Klassiker zum Selbststricken. Aber Ohrringe? Halsketten? Überhaupt: Accessoires? Kein Problem, behauptet Raquel Rosa Pidevall.
Nach Deutschland gekommen ist die Spanierin 2013 „der Liebe wegen“: Ihren deutschen Mann hatte sie in Münster kennengelernt und zog dann zu ihm nach Essen-Stadtwald. „Ich habe zunächst einige Jahre als Sprachlehrerin für Erwachsene an der Essener Uni gearbeitet“, erzählt sie. „Dann wurde ich schwanger, habe Elternzeit genommen. Anschließend kam Corona, und der ganze Unterricht lief nur noch online ab. Ich möchte aber gerne Kontakt mit Menschen haben.“
„Selbstständigkeit ist immer mit Risiko verbunden“
Stricken war schon zuvor ihr Hobby, ihre Leidenschaft. „Also habe ich überlegt: Was kann ich machen?“ Ein Gespräch mit ihrer Freundin Corinne Schneider brachte dann die Entscheidung: Ein eigener Laden sollte es sein mit Wolle und Zubehör und Workshops. „Es ist ein Traumjob, aber Selbstständigkeit ist immer mit Risiko verbunden“, sagt Pidevall. „Doch da ich als Lehrerin immer selbstständig war, habe ich keine Angst davor. Ich habe also ein Geschäft im Essener Süden gesucht – Rüttenscheid oder Stadtwald. Aber die Mieten waren sehr hoch.“
Als dann das Ladengeschäft an der Angerstraße frei wurde, habe sie sofort zugegriffen: „Es ist wirklich perfekt. Die Größe ist perfekt, die Miete bezahlbar – und ich wohne nur drei Minuten zu Fuß entfernt.“ Das bietet sich an, um mittags den Sohn aus der Kita abzuholen, später soll er in der Nachbarschaft auch zur Schule gehen. „Ich habe gedacht: Das muss ich probieren.“ Corinne Schneider war bereit, zwischendurch im Laden auszuhelfen. Unter dem Namen „Schneiders.Knit“ stellt sie zudem Taschen und diverses Zubehör her, die ebenfalls im Laden erhältlich sind – eine perfekte Verbindung. Pidevall: „Ohne ihre Hilfe hätte ich das nicht machen können.“
„Strickladen“ an der Eyhofsiedlung in Essen-Stadtwald bietet nachhaltige Produkte
Und da ist er nun also: „Der Strickladen“. Ein Blick durch den Raum zeigt vor allem: Wolle. In diversen Farbtönen, vor allem skandinavische Wolle. Man müsse sich ja von anderen Läden dieser Art abheben, erklärt sie, und skandinavisches Design sei sehr beliebt. Nicht zuletzt stehen zwischen all der Wolle auch noch Bücher, die so bedeutungsschwangere Titel tragen wie „52 Weeks of Socks“ oder „52 Weeks of Shawls“. Bücher mit Anleitungen zum Stricken von Socken oder Schals. „Es gibt zudem eine Internetseite, von der wir Strickanleitungen als PDF-Datei herunterladen und weitergeben dürfen“, so Pidevall.
Einen Online-Shop habe sie ursprünglich geplant, sei aber bisher nicht dazu gekommen. „Außerdem fehlt mir dazu der Lagerplatz.“ Und dann ist da noch der persönliche Kontakt, der Pidevall so wichtig ist, und der bei einem Online-Shop entfällt. Auch deshalb bietet sie Workshops an. Der erste fand bereits im April 2023 statt, also kurz nach der Eröffnung, nannte sich „Stricken Basic“ und befasste sich mit den Grundlagen des Strickens. Für alle, die ein Hobby suchen, „bei dem sie sich kreativ austoben können und dabei entspannt auf dem Sofa auch noch Musik hören können“.
Der nächste geplante Workshop klingt zunächst ungewöhnlich: „Accessories to spice up your wardrobe“, also Accessoires, die die Garderobe aufpeppen. Gestrickte Accessoires? „Natürlich“, sagt Pidevall, „man kann alles Mögliche stricken. Ohrringe, Halsketten, Armbänder, Täschchen, Haargummis, Sonnenbrillenketten und Schlüsselanhänger. Die Teilnehmenden wählen aus, was sie herstellen möchten, ich leite sie an und unterstütze.“ Dann werden zwei Tische hervorgezogen, zwei Bänke dazu, die Teilnehmenden sitzen sich gegenüber, und los geht’s. Bis zu acht Teilnehmer sind möglich, mehr gibt der intime Raum nicht her. Auffällig im Sortiment der Accessoires sind zwei kleine gestrickte Pompons. Da drängt sich die Frage geradezu auf: Was macht man damit? „Die kann man sich an die Kleidung hängen, zum Beispiel an einen Knopf.“
Workshops und regelmäßiges „Knit-in“ an der Angerstraße in Essen-Stadtwald
Regelmäßig trifft sich zudem eine kleine Gruppe zu einem „Knit-in“ im Laden. Sie wissen schon: wie ein „Sit-in“ nur mit Nadeln. Und dann wird gemeinsam gestrickt und gequatscht und Kaffee oder Tee getrunken, und vielleicht gibt es auch noch ein paar Kekse dazu. „Jeder ist willkommen, jeder bringt mit, woran er oder sie gerade arbeitet, und wir verbringen einen netten Nachmittag zusammen. Es ist kostenlos, aber man muss sich anmelden, weil hier halt nicht 20 Leute reinpassen.“
Workshop
Für den Workshop „Accessories to spice up your wardrobe“ sind noch Plätze frei. Er findet am Samstag, 21. Oktober, von 15 bis 18 Uhr im Strickladen statt. Mindestens vier höchstens sechs Personen können teilnehmen, Kosten: 39 Euro inklusive Material, Getränke und Snack.
Dieser Workshop ist für alle geeignet „vom abenteuerlustigen Anfänger bis zum fortgeschrittenen Stricker“ – allerdings nicht für absolute Anfänger, da einige Grundkenntnisse wie etwa An- und Abketten erforderlich sind.
Anmeldung online unter www.derstrickladen.de.
Apropos „er oder sie“: Es sind in der Mehrzahl dann doch Frauen, die im „Strickladen“ auf Entdeckungsreise gehen. In Pidevalls Kopf schwirrt allerdings die Idee umher, Workshops für Kinder anzubieten. Ein Traum für die ehemalige Lehrerin, die bisher aber keine Zeit hatte, ein entsprechendes Konzept zu erstellen. „Stricken ist etwas, das Kinder gut lernen können. Wir hatten ein paar Kinder von der Waldorfschule hier, die brauchten Wolle für ein Projekt. Es war so schön, wie ihre Augen geleuchtet haben bei all den unterschiedlichen Farben.“
Pidevall hat den perfekten Beruf für sich gefunden. Das Geld, sagt sie, wird sicherlich auch irgendwann mehr werden, wenn ihr Angebot erst einmal bekannter ist. „Auch meine Kunden zeigen mir immer wieder Neues. Ich darf also weiter lernen, habe Kontakt mit Menschen. Ich habe hier etwa richtig Gutes für mich gefunden.“