Essen-Stadtwald. Mehr Schutz, keine Sicherheit: Warum die Abstimmung des Essener Rates über eine Erhaltungssatzung für die Eyhofsiedlung nur ein Teilerfolg ist.
Nach intensiver Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner erhält die historische Eyhofsiedlung in Essen-Stadtwald jetzt eine so genannte Erhaltungssatzung. Mit der Zustimmung des Planungsausschusses am Donnerstag vergangener Woche ist die Verabschiedung einer solchen Satzung am kommenden Mittwoch, 27. September, im Rat der Stadt Essen sicher. Ein Erfolg im jahrelangen Kampf um den Erhalt der Siedlung. Allerdings: Der Abriss von Gebäuden ist damit nicht endgültig vom Tisch.
Rückblick: Ende 2019 war bekannt geworden, dass die GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft sechs rund 100 Jahre alte Gebäude an der Angerstraße abreißen und durch Neubauten ersetzen wollte. Eine Bürgerinitiative sammelte daraufhin 2300 Unterschriften für den Erhalt der Eyhofsiedlung. Die Bezirksvertretung II bat schließlich im August 2020 die Fraktionen im Rat der Stadt, eine Erhaltungssatzung zu erlassen. Die zwischen 1920 und 1924 durch den Architekten Josef Rings für den Gemeinnützigen Bauverein Essen-Stadtwald errichtete Eyhofsiedlung soll durch eine solche Satzung „zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes“ geschützt werden.
Essener Bürgerinitiative setzt sich für Eyhofsiedlung ein
„Ohne das Engagement der Initiative wäre es zu der Satzung nicht gekommen“, resümiert Wolfgang Freye, der für die Linke im Planungsausschuss sitzt. „Die Einwohnerinnen und Einwohner waren auch an der Erarbeitung der Satzung beteiligt. Es gab in den letzten Jahren nur wenige Entscheidungen im Bereich der Stadtplanung, die so breit diskutiert wurden.“ Ziel der Satzung ist es, die vorhandene und besondere städtebauliche Struktur der Siedlung zu schützen. Übermäßige „Überformungen“ sollen so verhindert werden, damit das einheitliche Siedlungsbild in Zukunft weiter bestehen bleibt.
Will sagen: Der Neubau, der Abbruch, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen bedürfen nach Verabschiedung der Satzung einer Genehmigung seitens der Stadt. Anhand so genannter „Erhaltungsziele“ überprüft die Verwaltung künftig individuell, ob eine Maßnahme zulässig ist. „Nach meinem Verständnis sind damit die Planungen der GE-WO hinfällig“, sagt der planungspolitische Sprecher der SPD-Ratsfraktion Philipp Rosenau. „Aufzüge an der Fassade und Tiefgaragen, die Einfluss auf die Größe der Gärten gehabt hätten, widersprechen nun der Erhaltungssatzung. Die ursprüngliche Planung der GE-WO wird so also nicht umgesetzt werden können.“
Fraktionen im Rat einig über Erhaltungssatzung
Darüber, dass der Rat der Erhaltungssatzung in der kommenden Woche zustimmen wird, besteht fraktionsübergreifend keinerlei Zweifel. Uneinigkeit indes herrscht drüber, wer dies nun politisch als Erfolg verbuchen kann. Sie sehe es „persönlich als Erfolg, dass wir mit der Satzung nun die städtebauliche Gestalt der von Josef Rings ursprünglich als genossenschaftlich geplanten Siedlung als Ganzes erhalten können und damit ihren fast dörflich anmutenden Charakter schützen“, sagt etwa Elisabeth Mews, Sprecherin für Denkmalschutz bei der Grünen Ratsfraktion.
„Der Erlass der Erhaltungssatzung hat Auswirkungen für die Besitzer der fast 200 Immobilien der Siedlung. Daher war uns die aktive Einbindung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger enorm wichtig“, so der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Martin Köhler. „Für uns hat der dauerhafte Bestand der über 100 Jahre alten Eyhofsiedlung eine große Bedeutung. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten und freuen uns, dass diese schöne gartenstädtische Siedlung auch für kommende Generationen erhalten bleibt.“
SPD sieht Erfolg der Opposition
Als Erfolg für die Opposition bewertet dagegen die SPD den zu erwartenden Ratsbeschluss. „CDU und Grüne haben sich lange gegen eine Erhaltungssatzung gesperrt, weil sie dem Investor nicht im Wege stehen wollten“, so Rosenau. Die CDU habe die Bedeutung der Satzung noch in der letzten Sitzung des Planungsausschusses „herunterzuspielen“ versucht, merkt auch Freye an. Schlussendlich sei die Erhaltungssatzung aus seiner Sicht vor allem ein Erfolg für die Baukultur in Essen. Freye: „Experten sehen die Siedlung in ihrer Bedeutung auf einer Stufe mit der Margarethenhöhe. Die Eyhofsiedlung hat qualitativ hochwertigen und trotzdem bezahlbaren Wohnraum und ist eine grüne Oase.“
Knackpunkt aber bleibt: Auch eine Erhaltungssatzung bietet grundsätzlich keinen umfassenden Schutz gegen mögliche Abriss- und Neubaupläne in der Siedlung. Freye: „Sie erschwert sie aber, da sie einen Erhalt der Geschossigkeit der Häuser vorsieht. Außerdem sind bauliche Veränderungen in der Siedlung in Zukunft genehmigungspflichtig.“
Rein theoretisch also könne die GE-WO Gebäude abreißen „und genauso wieder aufbauen“, erklärt Rosenau, „aber das würde wirtschaftlich natürlich überhaupt keinen Sinn ergeben. Es wäre viel besser, die bestehenden Häuser mithilfe von Landesmitteln zu sanieren“. Der „politische Preis“ für einen Abriss der historischen Häuser sei nun deutlich gestiegen, stimmt Freye zu. „Wir gehen davon aus, dass die GE-WO ihr Vorhaben angesichts der Preisexplosion auf dem Baumarkt sowieso überdenken muss. Aus ökologischen Gesichtspunkten ist Sanierung ohnehin immer sinnvoller als Abriss und Neubau.“