Essen-Stadtwald. Wohnungsgenossenschaft will alte Häuser in Stadtwald ersetzen. Experten plädieren für Erhalt der historischen Siedlung – und finden Unterstützer.

Seit die Gewo Osterfelder Wohnungsgenossenschaft angekündigt hat, die rund 100 Jahre alten Häuser an der Angerstraße 17 bis 29 abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen, regt sich im Stadtteil Widerstand gegen die Pläne. Die Bewohner der Häuser fürchten um ihre idyllisch gelegenen Wohnungen, zudem sorgen sich Architekturexperten um den Fortbestand der historischen Eyhof-Siedlung. Auch Politiker wollen sich jetzt für den Erhalt des Ensembles einsetzen.

Diese Häuserzeile an der Angerstraße, die laut Architektur-Experten wichtig für die Symmetrie der Siedlung ist, soll in den nächsten fünf Jahren weichen, so die Pläne der Wohnungsgenossenschaft.
Diese Häuserzeile an der Angerstraße, die laut Architektur-Experten wichtig für die Symmetrie der Siedlung ist, soll in den nächsten fünf Jahren weichen, so die Pläne der Wohnungsgenossenschaft. © FFS | André Hirtz

Mitglieder des Arbeitskreises Essen 2030, der sich um Themen wie Architektur und Stadtentwicklung kümmert, wollen Unterstützer mobilisieren, sich für den Erhalt der kompletten Siedlung starkzumachen. Die Experten haben sich an örtliche Politiker gewandt, nachdem ein Gespräch mit dem Bauordnungsamt nicht den gewünschten Erfolg gebracht habe, so der Kunsthistoriker Johannes von Geymüller. Er kann bereits eine Liste mit renommierten Unterstützern vorlegen, die sich für eine Erhaltungssatzung für die Eyhof-Siedlung aussprechen.

Inzwischen gebe es auch Überlegungen, ob nicht Denkmalschutz für das markante Torgebäude an der Angerstraße sinnvoll sei, so Gerd-Ulrich Kapteina, Jurist und ehemaliger vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht, der Sprecher des Arbeitskreises Essen 2030 ist.

Zahlreiche Unterstützer haben schon für eine Erhaltungssatzung unterschrieben

Zu den Unterstützern für eine Erhaltungssatzung gehört auch Renate Kastorff-Viehmann, die an der Fachhochschule Dortmund für den Bereich Bau- und Planungsgeschichte des Ruhrgebiets zuständig war und diverse Beiträge zu Josef Rings, dem Architekten der Eyhof-Siedlung, verfasst hat.

Die sparsam dosierten Ornamente an den Fassaden gelten als typisch für den Baustil, den Josef Rings als Architekt der Eyhof-Siedlung vertrat.
Die sparsam dosierten Ornamente an den Fassaden gelten als typisch für den Baustil, den Josef Rings als Architekt der Eyhof-Siedlung vertrat. © FFS | Julia Tillmann

Sie verweist zum Beispiel in einem Beitrag auf den Stil von Josef Rings, der mit der Stadtwald-Siedlung den Beginn des Neuen Bauens in Deutschland markiert habe. Rings habe mit gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften zusammengearbeitet. Er habe Häuser in knappen geometrischen Grundformen konzipiert, flachgeneigte Dächer bevorzugt, mit zurückhaltenden Putzfarben gearbeitet und sparsame Ornamentik genutzt, so Renate Kastorff-Viehmann.

Auffallend ist das dreibogige Torgebäude

Insbesondere die Stadtwald-Siedlung veranschauliche Josef Rings sensiblen Umgang mit dem Außenraum. Er eröffnete den Zugang vom Stadtwaldplatz aus nicht nur durch ein Torgebäude mit dreibogigem Durchgang, sondern passte die Siedlung dem Gelände an, gab ihr dadurch eine deutliche Abgrenzung und nutzte das Gefälle, um eine innere Achse zu betonen, die über den rechteckigen Grünplatz läuft, schreibt Renate Kastorff-Viehmann und kommt zu dem Fazit: „Städtebaulich wie architektonisch ist die Eyhof-Siedlung denkmalwert. Beispielhaft dokumentiert sie moderne Siedlungsplanung in Essen zu Beginn der 1920er Jahre.“

Auch interessant

Die Eyhof-Siedlung steht nicht unter Denkmalschutz

Im Gegensatz zur Gartenstadt Margarethenhöhe steht die Siedlung Stadtwald, auch Eyhof-Siedlung genannt, nicht unter Denkmalschutz. Laut dem Juristen Gerd-Ulrich Kapteina sei das für eine Erhaltungssatzung auch nicht erforderlich. Das Baugesetzbuch gebe Städten die Möglichkeit, mit einer solchen Satzung den Erhalt von Quartieren mit stadtteilprägenden Eigenarten zu beschließen, auch unterhalb der Schwelle des Denkmalschutzes. Entscheidend sei die historische, künstlerische oder sonstige Bedeutung solcher baulicher Ensembles

Die Siedlung Stadtwald entstand zwischen 1920 und 1924 unter der architektonischen Leitung von Josef Rings. Die Häuser aus den einzelnen Bauphasen wiesen zwar Unterschiede auf, aber eben auch deutliche Gemeinsamkeiten wie die grafischen Ornamente an den Fassaden oder die Loggien. Genau diese Elemente hätten auch die vom Abriss bedrohten Häuser an der Angerstraße und gehörten deshalb zweifelsohne zur Eyhof-Siedlung.

Die SPD spricht sich für eine sogenannte Erhaltungssatzung aus, die Mitglieder des Arbeitskreises 2030, der sich seit über 30 Jahren ehrenamtlich für Themen wie Architektur und Stadtentwicklung engagiert, angeregt hatten. „Das Gesamtensemble inklusive Torbogenhaus und der Flügel ist erhaltenswert. Die Flügel wegzunehmen, wäre eine Amputation“, sagt Peter Lankes, SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksvertretung II. Zum geplanten Abriss der Häuser werde man sich in der Bezirksvertretung kritisch äußern.

Johannes von Geymüller (l.) und Gerd-Ulrich Kapteina, beide vom Arbeitskreis Essen 2030, setzen sich für den Erhalt der Häuserzeile an der Angerstraße und damit für den Fortbestand des kompletten Ensembles Eyhof-Siedlung ein.
Johannes von Geymüller (l.) und Gerd-Ulrich Kapteina, beide vom Arbeitskreis Essen 2030, setzen sich für den Erhalt der Häuserzeile an der Angerstraße und damit für den Fortbestand des kompletten Ensembles Eyhof-Siedlung ein. © FFS | Julia Tillmann

„Wir sind auf jeden Fall dafür, den Mittelblock mit dem Torbogenhaus zu erhalten“, sagt auch Sven Köhler, CDU-Ratsherr für Stadtwald. Der Bereich sei das Einfallstor zur Eyhof-Siedlung, die prägend sei für Stadtwald und seine Entwicklung. Man habe bereits im kleinen Kreis über das Thema gesprochen und wolle sich nach der Sommerpause mit den Vertretern des Arbeitskreises Essen 2030 zusammensetzen und über das weitere Vorgehen beraten.

Geld für notwendige Sanierungen ausgeben

Er habe aber erfahren, dass Mieter angrenzender Wohnungen durchaus Renovierungsbedarf sehen würden. „Es wäre wichtig, dass dann Geld für erforderliche Sanierung ausgegeben wird und die Wohnungen auf einen dem Jahr 2020 angemessenen Stand gebracht werden“, so Köhler.

Auch interessant