Essen. Der Bund setzt bei der überbetrieblichen Lehrausbildung den Rotstift an. Das Essener Handwerk befürchtet, dass die Fachkräftenot verstärkt wird.

Das Essener Handwerk sieht neues Ungemach auf sich zukommen und spricht von einem „fatalen Zeichen“. Bundesfinanzminister Christian Lindner will im Bundeshaushalt 2024 sparen und setzt dabei den Rotstift auch beim Handwerk an. Konkret geht es um die Zuschüsse, die der Bund jährlich für die sogenannte überbetriebliche Lehrlingsunterweisung ausgibt. Diese sollen nach dem jetzigen Haushaltsentwurf von 70 Millionen Euro in diesem Jahr auf dann 59,19 Millionen Euro gekürzt werden. Die Haushaltsberatungen in Berlin laufen bereits.

Angesichts des milliardenschweren Etats handelt es sich um eine überschaubare Summe, die der Bund damit einsparen würde. Für das Handwerk wäre diese Kürzung allerdings durchaus schmerzlich, die Folgen schwer abzusehen, wie die Essener Kreishandwerkerschaft deutlich macht. Fakt aber wäre wohl: „Die Ausbildung würde für die Betriebe damit teurer“, befürchtet der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Essen, Wolfgang Dapprich. Denn sie müssten dann für die entstehende Finanzierungslücke aufkommen. „Und das in einer Zeit, in der die Unternehmen ohnehin schon arg gebeutelt sind“, meint Dapprich mit Blick auf hohe Energiekosten und schrumpfende Aufträge im Bausektor.

Pro Jahr Schulungen für 2800 angehende Handwerker in Essen

Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung ist für Auszubildende verpflichtend. Sie deckt praktische Lehrinhalte ab, die im Betrieb nicht oder nur zum Teil vermittelt werden können. Dies können technologische Neuerungen oder auch Einblicke in verwandte Gewerke sein. Vor allem kleine Handwerksbetriebe haben sich meist spezialisiert und können deshalb nicht alle Ausbildungsinhalte in der geforderten Breite und Tiefe abbilden. In den Lehrwerkstätten der Kreishandwerkerschaft Essen an der Katzenbruchstraße werden so pro Jahr rund 2800 angehende Handwerker und Handwerkerinnen qualifiziert.

Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung wird gemeinsam vom Bund, Land und den Ausbildungsbetrieben getragen. Letztere zahlen an ihre Innungen für die Lehrgänge eine Gebühr. Diese variiert in Essen je nach Gewerk stark - liegt pro Woche und Lehrling bei einem mittleren bis hohen dreistelligen Betrag. Bis zu acht Wochen werden Azubis während ihrer Ausbildungszeit in einer überbetrieblichen Lehrwerkstatt geschult.

Essens Kreishandwerksmeister fordert mehr Geld vom Bund

Essens Kreishandwerksmeister Martin van Beek sieht daher mit Sorge, dass die zusätzlichen Kosten für die Betriebe die Ausbildung im Handwerk weiter erschweren dürfte. „Die Fachkräftenot im Handwerk darf nicht weiter verstärkt werden“, so van Beek und fordert ein Umdenken bei der Bundesfinanzplanung. „Das bisherige Niveau von 70 Millionen Euro an Bundeszuschüssen gilt es nicht nur zu verstetigen, sondern unter anderem für klimarelevante Berufsgruppen signifikant zu steigern. Dies wäre der richtige Weg zur Gleichstellung von dualer und akademischer Ausbildung“, meint der Kreishandwerksmeister, der selbst ein Sanitär- und Heizungsunternehmen in Essen führt. Das Land NRW hatte 2023 seinen Zuschuss erhöht.

Auch Hauptgeschäftsführer Dapprich spricht von einem „falschen Signal“ für die duale Ausbildung. Er befürchtet, dass sich so mancher Handwerksbetrieb die Ausbildung künftig sparen, oder zumindest das eine oder andere Jahr damit aussetzen könnte. Dabei war die Kreishandwerkerschaft zuletzt froh, dass die Ausbildungszahlen im Essener Handwerk wieder gestiegen sind. „Wir liegen bei den abgeschlossenen Verträgen über dem Vorjahr“, weiß Dapprich zu berichten.