Essen. Das Handwerk klagt über fehlende Fachkräfte. Ein Essener Malermeister aber sagt: Jammern nützt nichts, und hat ein neues Arbeitsmodell eingeführt.
Dass sich das Handwerk schwer damit tut, Mitarbeiter zu finden, ist bekannt. Doch Malermeister Marc Kecker aus Essen will sich damit nicht einfach abfinden. Seit Herbst vergangenen Jahres hat er in seinem kleinen Betrieb die Vier-Tage-Woche eingeführt und sein Resümee ist eindeutig: „Aus meiner Sicht läuft das gut. Ich würde es nicht wieder zurückdrehen“, sagt der 50-Jährige, der in der zweiten Generation den gleichnamigen Malerbetrieb führt.
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Marc Kecker hat sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – vier Gesellen bzw. Gesellinnen und zwei Azubis. Ihre 40-Stunden-Arbeitswoche ist nun auf vier Tage verteilt – Freitag ist immer frei. Der Arbeitstag beginnt für Keckers Leute um 7.30 Uhr und dauert bis 17.45 Uhr. Im Kern sind die Arbeitstage damit nicht zehn, sondern neuneinhalb Stunden lang. „Ich wollte meinen Mitarbeitern keinen Zehn-Stunden-Tag zumuten“, sagt Kecker. Schließlich müssten sie noch von der Baustelle nach Hause fahren. Die Fahrten sind bisweilen lang. Die zwei Stunden, die Kecker ihnen damit quasi in der Woche erlässt, „sammeln wir an und machen dann mal eine Schulung oder räumen die Werkstatt auf.“
Lange Arbeitstage aber dafür ein langes Wochenende
Die Arbeitstage sind für die Mitarbeiter damit eine Stunde länger als beim Fünf-Tage-Modell, bei dem Freitagmittag Schluss war. „Nicht jeder war gleich begeistert, als ich die Idee vortrug“, räumt Kecker ein. Schließlich ist die Freizeit an den vier Arbeitstagen ungleich kürzer. Mittlerweile aber würden all seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Vorteile eines langen Wochenendes sehen.
Kecker hat zunehmend die Erfahrung gemacht, dass sich gerade die Erwartungen der Jüngeren deutlich verändert haben. „Die meisten wollen keine Überstunden mehr machen und legen großen Wert auf Freizeit.“ Es sei daher wichtig, auf solche Bedürfnisse einzugehen, wenn man als Arbeitgeber für die junge Generation attraktiv bleiben wolle. „Als Handwerksbetrieb können wir Homeoffice nichts entgegensetzen“, spielt er auf den Trend in vielen Dienstleistungsunternehmen nach der Pandemie an.
Mehrheit der Deutschen wünscht sich Vier-Tage-Woche
Die Idee der Vier-Tage-Woche kam Kecker, nachdem er einen TV-Beitrag über neue Arbeitswelten gesehen hatte. Darin war ein Handwerker-Ehepaar aus Süddeutschland vorgestellt worden, das damit gute Erfahrungen gesammelt hatte. Auch aus Keckers Belegschaft sei immer mal wieder der Wunsch an ihn herangetragen worden, verkürzt vier Tage zu arbeiten.
In Deutschland ist die Vier-Tage-Woche bislang wenig verbreitet, im Handwerk noch seltener. In Belgien allerdings können sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aussuchen, ob sie ihre Wochenarbeitszeit auf vier oder fünf Tage verteilen. Ein solches Modell wünschen sich in Deutschland mehr als 70 Prozent, wie eine Forsa-Umfrage im Frühjahr ergab. Die meisten würden sich dann für das Vier-Tage-Modell ohne Lohneinbußen entscheiden, wie es Kecker in seinem Unternehmen lebt.
Bis der Essener Malermeister den Entschluss fasste, trieben ihn freilich viele Fragen um: Wie setzt man das um? Was sagen die Kunden? Geht das überhaupt? Mittlerweile schreibt der Malermeister bereits auf seine Angebote, dass sein Malertrupp nur an vier Tagen arbeitet. „Beschwerden gab es nie. Im Gegenteil. Viele Kunden reagieren positiv, halten das für fortschrittlich.“
Unternehmer spart Energiekosten
Auch für den Unternehmer Kecker selbst bringt die Vier-Tage-Woche viele Vorteile. Zum einen spart er 20 Prozent Energiekosten. Bei den derzeitigen Dieselpreisen jenseits der Zwei-Euro-Marke ist dies mittlerweile ein entscheidender Faktor. Zum anderen hat er selbst freitags nun mehr Ruhe. Dies nutzt er, um Kunden zu besuchen, Angebote zu schreiben oder an strategischen Dingen zu arbeiten, wofür im hektischen Arbeitsalltag nur selten Zeit bleibt. Und manchmal gönnt er sich auch, etwas länger morgens im Bett zu liegen. Dann klingelt der Wecker mal nicht um fünf Uhr.
Noch wird Marc Kecker mit Bewerbungen nicht überschüttet. Sein Modell hat er auch noch gar nicht beworben, sagt er. Aber er ist sicher, dass er sich damit langfristig interessant macht und von anderen abhebt. Und er denkt bereits über weitere Dinge nach. Wie einen Einkaufsservice für seine Mitarbeiter. Diese könnten sich online bestellten Einkäufe in den Betrieb liefern lassen und sie nach der Arbeit direkt nach Hause mitnehmen. Das würde ihnen die Zeit im Supermarkt ersparen.