Essen. Das neue Ausbildungsjahr hat zwar schon begonnen, aber das heißt nichts: In vielen Essener Betrieben gibt es noch freie Ausbildungsstellen.

In vielen Unternehmen hat am Dienstag das neue Ausbildungsjahr begonnen. Doch für all diejenigen, die noch keinen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben, lautet in diesem Jahr die gute Nachricht: In Essen gibt es noch 1040 freie Ausbildungsplätze. Für die 940 Jugendlichen also, die nach den aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur noch suchen, gibt es – zumindest rein rechnerisch – ein breites Angebot.

Das war vor einigen Jahren anders. „Der Ausbildungsmarkt hat sich komplett gedreht. Wir haben heute einen Bewerbermarkt“, sagt die Chefin der Arbeitsagentur in Essen, Andera Demler. Heißt: Die Unternehmen müssen sich heute strecken, wenn sie Auszubildende gewinnen wollen. Deshalb ist Demler auch zuversichtlich, dass in den kommenden Wochen noch viele Ausbildungsverträge dazukommen. „Die Messe ist noch nicht gelesen.“

Vor allem der Handel in Essen sucht derzeit noch viele Lehrlinge. Das erscheint in Zeiten eines boomenden Onlinehandels überraschend. Franz Roggemann von der Industrie- und Handelskammer jedoch glaubt, dass es gerade in dieser Branche, die während der Corona-Zeit besonders gelitten hatte, nun Nachholeffekte gibt. Außerdem würden gerade Supermärkte und Discounter nach wie vor einstellen. In Zahlen der Arbeitsagentur liest sich das so: Für eine Ausbildung zum Verkäufer, zur Verkäuferin werden noch 136 Azubis gesucht, für den Kaufmann bzw. die Kauffrau im Einzelhandel sind es noch 82 offene Stellen. Dagegen gibt es in den beiden Berufen nur 41 bzw. 32 Bewerber und Bewerberinnen.

Essener Handwerk sucht noch etliche Auszubildende

Ähnlich eklatant dürfte die Lücke bei den Zahnarzthelfern und -helferinnen sein. In den Essener Zahnarztpraxen sind noch 56 Lehrstellen unbesetzt. Aber auch das Handwerk sucht noch dringend Nachwuchs. Besonders gute Chancen bieten sich für Jugendliche im Elektro- sowie im Sanitär-, Heizung- und Klima-Handwerk (SHK). Beide Bereiche boomen nicht zuletzt wegen der Energiewende. Da ist der rasche Ausbau der Photovoltaikanlagen einerseits und der gesetzlich vorgeschriebene Heizungsaustausch andererseits. Dies liest sich auch in den Zahlen. „Momentan suchen noch 23 Elektrobetriebe und 20 SHK-Betriebe noch Azubis. Und viele auch zwei oder drei“, betonte Wolfgang Dapprich, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Essen.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Im Ausbildungsstellenportal der Kreishandwerkerschaft werden aktuell unter anderem Fachzeuglackierer, Dachdecker, Friseure, Kfz-Mechatroniker, Konditoren, Maler und Lackierer, Metallbauer, Tischler aber auch Bürokaufleute gesucht. Bis Ende Oktober, so hofft Dapprich, wird das Essener Handwerk nach einer Jahre währenden Delle erstmals wieder auf über 800 abgeschlossene Ausbildungsverträge kommen. „Die Betriebe haben erkannt, dass sie in Ausbildung investieren müssen, um Fachkräfte zu bekommen“, bekräftigt Arbeitsagentur-Chefin Andrea Demler.

Top Ten der unbesetzten Lehrstellen (Stand Ende Juli)

  • Verkäufer/in: 136
  • Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel: 82
  • Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r: 56
  • Kaufmann/Kauffrau Büromanagement: 41
  • Handelsfachwirt/in: 39
  • Verwaltungsfachangestellte/r Kommunalverwaltung: 36
  • Medizinische/r Fachangestellte/r: 30
  • Elektroniker/in Energie- und Gebäudetechnik: 25
  • Gärtner/in Garten- und Landschaftsbau: 22
  • Friseur/in: 21

Top-Wunschberuf: Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement

Dennoch passen die Gesuche der Unternehmen längst nicht immer mit den Wunschberufen der Jugendlichen zusammen. Andrea Demler beobachtet, dass sich die Top Ten bei den jungen Leuten in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert haben. Auch in diesem Jahr standen wieder die Berufe Kaufmann/Kauffrau im Büromanagement, der Kfz-Mechatroniker, die Arzthelferin, die Verkäuferin und der Verkäufer im Einzelhandel ganz oben in der Gunst der Schulabgänger. „Nur leider passt das nicht immer mit dem Arbeitsmarkt, der sich verändert, zusammen“, meinte Demler. Deshalb sei es wichtig, dass sich die Jugendlichen in ihren Berufswünschen breiter aufstellen und sich nach ihren Talenten fragen.

Die Arbeitsagentur will in den kommenden Wochen versuchen, noch so viele Bewerber und Unternehmen wie möglich zusammenzubringen. Besonders erfolgreich sei das neue Begegnungsformat, das die Arbeitsagentur seit kurzem anbietet. Dabei lernen sich beide Seiten in einem formlosen Treffen kennen – ohne, dass es gleich um Schulnoten und Anforderungen geht. „Daraus ergeben sich fünf bis zehn Ausbildungsverträge in der Woche“, so Demler.

Auch das Thema Praktika will die Arbeitsagentur forcieren. Im September wird es zusammen mit der Industrie- und Handelskammer eine Praktikumsbörse anbieten. Die Idee dahinter: Mehr praktische Erfahrungen sollen Schülern mehr Lust auf eine duale Ausbildung machen. Die Industrie- und Handelskammer hofft, möglichst viele Unternehmen dafür zu gewinnen. „Kluge Betriebe sehen jeden Praktikanten als Chance“, betonte Roggemann.

Mehr zur Ausbildungssuche

Jugendliche auf Ausbildungssuche können sich zudem an die Arbeitsagentur Essen wenden unter 0201 1811234 (kostenfrei) oder per Mail an Essen.Berufsberatung@arbeitsagentur.de

Arbeitgeber, die noch eine Ausbildungsstelle zu vergeben haben, melden sich telefonisch unter 0800 4 5555 20 oder per Mail an Essen.Arbeitgeber@arbeitsagentur.de