Essen. Ein wegen Anschlagsplänen verurteilter Essener soll erneut vor Gericht. Die Missbrauchsfotos hätte man schon mitverhandeln können, so der Anwalt.
Im Fall des Jugendlichen, der einen Anschlag auf das Essener Don-Bosco-Gymnasium geplant hatte und gegen den nun neue Vorwürfe bekannt geworden sind, hat sich sein Verteidiger Andreas Wieser gemeldet. Zu dem Fund von kinder- und jugendpornografischen Fotos und Videos, über den das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtet, sagt der Rechtsanwalt: „Das ist nichts Neues.“ Die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft stütze sich bei ihren jetzigen Ermittlungen auf Material, das bereits im Mai 2022 von der Polizei sichergestellt worden sei.
Damals wurde der 16-Jährige verhaftet, nachdem Mitschüler einer Lehrerin anvertraut hatten, dass er einen Anschlag auf das Borbecker Gymnasium plante. Die Pädagogin hatte die Polizei alarmiert, die womöglich einen schwere Amoktat verhinderte: Bei dem Schüler wurden ein Waffenarsenal sowie antisemitische und rassistische Pamphlete gefunden. Der Staatsschutzsenat des OLG Düsseldorf verurteilte den Jugendlichen im Februar dieses Jahres wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Verbindung mit Verstößen gegen das Waffengesetz zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren.
Prozess gegen Essener: Andere Tatvorwürfe wurden damals abgetrennt
Schon damals hätten die Ermittler auf den sichergestellten Datenträgern nicht allein die für die angeklagten Straftaten relevanten Hass-Pamphlete und Anschlagspläne gefunden, sondern auch Bilder von Kindesmissbrauch, betont Wieser. Diesbezügliche Straftatbestände habe die Bundesanwaltschaft – die für schwere Straftaten im Bereich Staatsschutz, Terrorismus und Spionage zuständig ist – jedoch nicht mitverhandeln wollen. Man sei an seine Zuständigkeiten gebunden, erklärt ein Sprecher des Generalbundesanwalts auf Anfrage dazu: „Es ist nicht unüblich, dass andere Tatvorwürfe abgetrennt werden.“
Wäre der Fall damals nicht so hoch angesiedelt gewesen, sondern vor einem Jugendschöffengericht verhandelt worden, sagt Wieser, hätte man sämtliche Vorwürfe gegen den Jugendlichen betrachtet und eine Einheitsstrafe verhängt. Gut möglich, dass es auch dann auf eine Bewährungsstrafe hinausgelaufen wäre.
Jugendlicher sei in Therapie und fasse Fuß
Wie er selbst erst vor einer Woche erfahren habe, müsse sein Mandant nun jedoch einem weiteren Verfahren entgegensehen. Dabei halte sich der mittlerweile 18-Jährige an die Bewährungsauflagen und unterziehe sich einer stationären Therapie: „Die Maßnahmen, das ganze Programm laufen bestens. Er ist in der Spur, fasst auch ausbildungstechnisch Fuß.“ Dass die Therapie jetzt womöglich anders zugeschnitten werden müsste, glaubt Wieser nicht. Dabei sollen die Ermittler laut „Spiegel“ 11.000 Fotos und 400 Videos gefunden haben, die offenbar auch den Missbrauch Minderjähriger zeigen. Anders als das Gericht, das solche Aspekte im Februar unberücksichtigt ließ, habe sich der Gutachter den Jugendlichen „umfassend“ angesehen.
Wieser, der regelmäßigen Kontakt zu den Eltern hat und auch mit dem 18-Jährigen telefoniert, glaubt: „Der macht da seinen Weg.“ Er sei froh, dass das OLG in Düsseldorf „mit Augenmaß geurteilt“ habe. Die Bundesanwaltschaft hatte drei Jahre Haft ohne Bewährung gefordert. Auch ehemalige Mitschüler, deren Eltern sowie Lehrer hätten sich eine schärfere Strafe gewünscht. In sozialen Medien seien heftige Drohungen gegen den Jugendlichen veröffentlicht worden. Er fürchte, dass der Zorn nun wieder so hochkochen könne, dass es die ermutigende Entwicklung seines Mandanten zurückwerfe.
Schüler wird sich erneut vor Gericht verantworten müssen
Da der zum Tatzeitpunkt noch minderjährig gewesen sei, werde über die neuen Vorwürfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. „Vermutlich an dem Jugendschöffengericht, wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“ Also an dem nicht öffentlich bekannten Ort der Therapie. Noch bis Ende des Jahres könnte dann ein zweites Urteil gesprochen werden. Gehe der Fall ans Landgericht, werde wohl erst im kommenden Jahr verhandelt.
Dass sein Mandant am Ende doch noch im Gefängnis lande, glaubt Wieser nicht: Nach den verstörenden Missbrauchsfällen von Lügde und Staufen sei der Besitz kinderpornografischer Inhalte zwar vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft worden und damit mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr belegt. „Doch auch die kann man zur Bewährung aussetzen.“ Überdies werden Jugendliche rechtlich anders behandelt: Der starre Strafrahmen gilt für sie nicht.
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