Essen. An der A40 in Essen wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid auch an einem zweiten Messpunkt überschritten. Davon ist aber offiziell keine Rede.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erhebt im Zusammenhang mit der Luftreinhalteplanung für die Stadt Essen schwere Vorwürfe. Unter den zwölf Messstellen in Essen befinde sich eine, die in den entsprechenden Statistiken und Analysen überhaupt nicht auftauche, heißt es in einem Schreiben des Vereins an die Bezirksregierung Düsseldorf. Es handele sich dabei ausgerechnet um einen zweiten Messpunkt an der A40, obwohl der zulässige Grenzwert für Stickstoffdioxid auch dort überschritten werde, Das „vollständige Ausblenden“ dieses Messpunktes nennt die Umwelthilfe „skandalös“.

Konkret geht es um den Messpunkt mit der Kennung EKRU1 an der Kruppstraße 94-96 in Höhe der A40. Ein weiterer Messpunkt, EKRU2, befindet sich ganz in der Nähe und zwar in Höhe der Kruppstraße 117.

Das Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) hatte die Messpunkte an der A40 eingerichtet, nachdem sich die Deutsche Umwelthilfe mit dem Land NRW und der Stadt Essen im November 2019 vor dem Oberverwaltungsgericht Münster auf einen Vergleich verständigt hatte mit dem Ziel drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und ältere Benziner abzuwenden.

Die Stadt Essen hat sich verpflichtet, ihre Anstrengungen für bessere Luft zu erhöhen

Die Deutsche Umwelthilfe hatte zuvor Klage eingereicht, da Grenzwerte trotz Luftreinhalteplanung an mehreren Messstellen überschritten wurden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab der Klage in erster Instanz statt. In zweiter Instanz einigten sich Kläger und Beklagte auf einen Kompromiss. Die Stadt Essen verpflichtete sich dazu, ihre Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität zu erhöhen, damit der Grenzwert zukünftig eingehalten wird.

Tatsächlich wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid nach Angaben des Landesumweltamtes und der Stadt Essen im vergangenen Jahr nur noch an einer einzigen Messstelle überschritten, und zwar an der Messstelle in Höhe der Kruppstraße 117 mit der Kennung EKRU2. Die Belastung durch Stickstoffdioxid lag dort im Jahresdurchschnitt bei 45 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und damit fünf Mikrogramm über dem Grenzwert.

Nach Angaben des LANUV handelt es sich landesweit sogar um die einzige Messstelle, an der der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft 2022 im Jahresmittel nicht eingehalten wurde.

In den Veröffentlichungen des Landesumweltamtes taucht die Messstelle nicht auf

Die Messstelle EKRU1 an der Kruppstraße 94-96 taucht hingegen gar nicht auf, weder unter den vom Landesumweltamt genannten Kenngrößen für das Jahr 2022 auf, noch wird die Messstelle in der Veröffentlichung der Stadt Essen zur Luftbelastung genannt. Wobei sich die Stadtverwaltung an den Daten des Landesumweltamtes orientiert.

Warum fällt die Messstelle unter den Tisch? Werden Daten womöglich bewusst zurückgehalten wie es die Deutsche Umwelthilfe in ihrem Schreiben an die Bezirksregierung zumindest suggeriert?

Birgit Kaiser de Garcia, Sprecherin des LANUV, weist daraufhin, dass die beiden Messstellen an der Kruppstraße praktisch einander gegenüber liegen, zu beiden Seiten der A40. Die zweite Messstelle sei „aus Gründen der Repräsentativität“ eingerichtet worden. Nach Brüssel gemeldet werde jedoch nur der höhere der beiden Jahresmittelwerte. Das LANUV erfülle damit die Vorgaben der entsprechenden EU-Richtlinie, wie Kaiser de Garcia betont. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten zu Luftreinhaltung verpflichtet.

Die zweite Messstelle findet keine Berücksichtigung, kritisiert die DUH

Fakt ist allerdings: Auch an der ungenannten Messstelle EKRU1 wurde der zulässige Grenzwert 2022 überschritten, was angesichts der räumlichen Nähe nicht überraschend ist. Die Belastung lag dort im Jahresdurchschnitt bei 42 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Landesweit wurde der Grenzwert also nicht an nur an einer Messstelle überschritten, sondern an zweien.

Das mag man Haarspalterei nennen. Aus Sicht der Deutsche Umwelthilfe sind die Messungen an der Kruppstraße 94-96 aber sehr wohl relevant. Denn anhand der für das Jahr 2023 vorliegenden Daten sei die Luft an dieser Messstelle EKRU1 sogar stärker belastet.

Von Januar bis Juni betrug die Differenz laut DUH im Vergleich zur gegenüberliegenden Messstelle fünf Mikrogramm, in der Luftreinhalteplanung finde dies jedoch keine Berücksichtigung, kritisiert der Verein. Dass die Höchstgeschwindigkeit an der A40 im Bereich Frohnhausen angesichts der Grenzwertüberschreitung auf 60 km/h reduziert werden soll, begrüßt die Umwelthilfe hingegen ausdrücklich, was nicht unerwähnt bleiben soll.

Das Landesumweltamt bringt sich ohne Not in Erklärungszwang

Abzuwarten bleibt, ob sich die Messergebnisse an der Kruppstraße bis Jahresende bestätigen. Maßgeblich für eine Bewertung ist der Jahresmittelwert, wie Birgit Kaiser de Garcia betont.

Ungeachtet dessen hat sich die Landesbehörde und damit in letzter Konsequenz das Land NRW wohl angreifbar gemacht, indem man nicht alle vorliegenden Daten in den veröffentlichen Jahreskenngrößen genannt hat. Und dies anscheinend ohne Not.

Diese Erkenntnis ist offenbar auch beim LANUV gereift. „Im Moment laufen Überlegungen, in Zukunft beide Messwerte in die Berichterstattung einfließen zu lassen“, teilt Kaiser de Garcia mit. Damit erst gar kein falscher Eindruck entsteht.