Essen. Spitzenathleten und Freizeitkapitäne nutzen den Baldeneysee. Neue Sportarten kommen hinzu. Was bedeutet das für das Miteinander?
Der Baldeneysee ist für alle da, heißt es gerne. Aber wie viel Wassersport verträgt der See? Tatsächlich sind hier Leistungssportler genauso zu Hause wie Freizeitkapitäne. Wo sonst kann man Olympiasiegern beim Training zuschauen? Mit etwas Glück zieht Max Rendschmidt oder Max Hoff von der KG Essen an einem vorbei, wenn man den See auf einer Kanutour vom Wasser aus genießt. Auf ihrer heimischen Trainingsstrecke holen sich die beiden Kanuten Kraft und Ausdauer wie früher Ansgar Wesseling, der 1988 in Seoul im berühmten Deutschlandachter Gold für Deutschland gewann.
Der Baldeneysee hat Spitzensportler hervorgebracht, ihrem Glanz darf sich auch die Sportstadt Essen sonnen und ein wenig alle, die hier zu Hause sind.
Im Rückblick handelten die Stadtväter also weitsichtig, als sie 1931 bei ihren Verhandlungen mit dem Ruhrverband per Vertrag festlegten, dass die Stadt Essen berechtigt ist, den Stausee als Sport- und Erholungsstätte der Bevölkerung zu nutzen, und das kostenlos. Der Baldeneysee war da noch im Bau und die Stadt war als Finanzier eingesprungen, als den Bauherrn das Geld ausging.
An Medaillen mögen sie im Rathaus nicht unbedingt gedacht haben. Wobei: Zwei Jahre nach Fertigstellung des Baldeneysees richtete der Yachtclub Ruhrland die erste Ausscheidungsregatta zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin aus; O-Jollen gingen an den Start, ein Bootstyp, der auch heute noch auf dem Baldeneysee zu sehen ist.
45 Wassersportvereine sind am Baldeneysee ansässig
Der Segelsport nahm gleich mit Eröffnung des neuen Sees Fahrt auf, was für eine Stadt fern ab der Küste bemerkenswert ist, wie Hans-Walter Fink anmerkt, der als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Baldeneysee die Fäden der am See ansässigen Wassersportvereine zusammenhält. Einige davon sind älter als der Baldeneysee. Gerudert wurde auf der Ruhr schon, bevor der Fluss in Werden aufgestaut wurde.
45 Vereine sind es heute an der Zahl, darunter 24 Segelvereine. Auch Essens Segler haben einen Olympiasieger in ihren Reihen. 1976 gewann Harro Bode, der spätere Vorstandschef des Ruhrverbands, bei den Spielen in Montreal in der 470er-Klasse Gold. Segeln gelernt – und übrigens auch das Schwimmen – hatte Bode in jungen Jahren unter Anleitung seines Vaters auf dem Baldeneysee. Das ist so geblieben. Die Jugend erlernt das Segeln in Optimisten, die Essener Sportjugend bietet es Grundschulen an, die das Angebot gerne annehmen.
Sorgen um mangelnden Nachwuchs müssen sich die Vereine nicht machen. „Seit Corona verzeichnen wir einen Mitgliederzuwachs“, berichtet Fink, was erfreulich sei. „Es gibt offenbar einen Nachholbedarf.“ Auch nach Urlaub vor der Haustür.
Mit der neuen Tribüne könnte die Bedeutung des Sees als Wettkampfstätte wachsen
Nicht alle Vereine sind auf Pokale oder Medaillen aus. Für viele ist Wassersport Hobby oder Zeitvertreib. Das Nebeneinander funktioniert, sagt Fink. Der See ist eben für alle da. Wobei die Bedeutung des Baldeneysees als Wettkampfstätte noch wachsen könnte, wenn die Stadt Essen ihren Plan umsetzt und an der Regattastrecke eine neue Tribüne baut, die mehr sein wird als eine Sitzgelegenheit.
In ihrem Bauch soll es Platz geben für Boote und Büros. Im kommenden Jahr soll die alte Tribüne abgerissen werden und durch einen Neubau ersetzt werden. Auch die Olympiastützpunkte der Ruderer und Kanuten könnten in nicht allzu ferner Zukunft ein neues Domizil bekommen.
In den 1960er Jahren gab es auf dem Baldeneysee sogar Motorbootrennen
Gut möglich also, dass zu den vielen Regatten und internationalen Wettkämpfen noch einige hinzukommen, schätzt Fink. Dass auf dem Baldeneysee aber wieder Motorbootrennen ausgetragen werden wie in den 1960er Jahren, darf man ausschließen. Die Ansprüche an den Schutz von Natur und Umwelt sind heute andere und ließen ein solches Event nicht mehr zu.
Dafür entdecken neue Freizeitsportarten wie Stand-up-Paddling (SUP) den Baldeneysee. Seit Discounter die Boards für wenige hundert Euro anbieten, wagen sich immer mehr Paddler mit ihren Brettern aufs Wasser. „Einerseits ist das toll“, sagt Hans-Walter Fink. Andererseits entzögen sich die Paddler den gesetzlichen Ordnungsregeln, häufig aus Unwissenheit. SUPs machen an Bojen fest oder kommen Booten in die Quere, was böse enden kann. Fatal sind Fehler gerade auf dem Baldeneysee, wo viele Wassersportler und die Berufsfahrer der Weißen Flotte auf relativ engem Raum miteinander auskommen müssen.
Noch ist die Zahl der Stand-up-Paddler überschaubar. Dennoch: „Eine Registrierung wäre hilfreich“, sagt Fink. Auch um den Sportler die wichtigsten Verhaltensregeln mit an die Hand zu geben. Damit es beim funktionierenden Miteinander bleibt.