Essen. Die Deutschland-Tour, wichtigstes nationales Radrennen, führt durch Essen. Wo die Profis langfahren. Was sie sehen werden. Was sie nerven wird.
130 Profi-Rennradler rasen am Samstag durch Essen. Wir sind die Strecke mal Probe gefahren und sagen voraus: Die Sportler werden zehn Minuten hinter dem Ortseingangsschild keine Lust mehr haben.
Essen ist Ziel von Etappe 3 der „Deutschland-Tour“ am Samstag, 26. August: 174 Kilometer aus dem sauerländischen Neheim durch Südwestfalen und das Bergische Land bis zur Huyssenallee am Stadtgarten in Essens Südviertel.
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Die Radprofis starten mittags und irgendwann gegen 16 Uhr, vielleicht auch früher oder etwas später, sollen sie Kettwig erreichen – also Essen, das Ruhrgebiet.
Sie werden von Süden aus die Ruhr überqueren, das ganze Kettwiger Fachwerk-Panorama wird sich ihnen erschließen; links die Kirche, rechts der Stausee, und sie werden womöglich denken: „DAS ist das Ruhrgebiet?! Wo sind die Schlote? Wo ist der Dreck?“ Solche Klischees soll’s ja immer noch geben.
Der Schuirweg – von null Meter überm Meeresspiegel bis zu den Wolken
Aber dann: Von der Ruhrtalstraße kurz vor dem Ortseingang Werden, null Meter überm Meeresspiegel, geht’s den Schuirweg rauf, vorbei an der Walter-Hohmann-Sternwarte, bis ganz nach oben, Meisenburgstraße, da ist das Wetteramt – klar, die Wolken sind hier ja zum Greifen nah.
Der Schuirweg jedenfalls zählt zu den brutalsten Anstiegen im Stadtgebiet, ekelhaft langgezogen ist er, windet sich wie eine Schlange, und wer sich mit dem Rad hochquält – niemand tut das im normalen Leben –, der empfindet die lachenden Sonnenblumen, die jetzt gerade links und rechts blühend von den Feldern grüßen, als blanken Hohn, als Sarkasmus, als Schikane.
Die Strecke führt weiter durch Haarzopfs neue Mitte, gepflegte und moderne Häuser, so weit das Auge reicht. Die Fulerumer Straße hat angenehm frischen Asphalt bekommen, das Rad rollt hier von selbst, aber dann kommt die A40, stellt sich sozusagen quer in den Weg. Wir sehen bescheidene Siedlungsbauten der 50er-Jahre direkt an der Autobahn, plötzlich ist es laut, und warum sind hier keine Bäume mehr?
An der A40 ändert sich alles: Wie sollen auf den engen Straßen so viele Menschen gleichzeitig Fahrrad fahren?
Willkommen im anderen Essen, dem dicht besiedelten, dem großstädtischen. Wir fahren durch die Adelkampstraße, weiter nach Holsterhausen; Windmühlenstraße, Keplerstraße, total eng bebaut alles. Wie sollen hier 130 Radler gleichzeitig durchrauschen?
Kleiner Gruß der Essener Stadtverwaltung: Die Rennprofis benutzen hier die „Fahrradstraßen“, die die Kommune vor drei Jahren im Essener Westen einrichtete, auf dem Asphalt sind große, blaue Logos, Fahrräder haben Vorfahrt. Ob die Sportler dafür einen Blick übrig haben werden? Durch die ganze Gemarkenstraße wird es gehen, überall im Stadtteil stehen längst „Parken-Verboten-Schilder“; Anwohner sind aufgefordert, ihre Autos bis Samstag, 10 Uhr, wegzustellen. Am Ende von Holsterhausen, Kahrstraße, Ecke Alfredstraße, gibt es übrigens heftige Schlaglöcher im Asphalt.
Haben sie extra den Rasen gemäht am Berliner Platz?
Die ARD überträgt das Rennen live, auch vom Hubschrauber aus. Man wird sehen, wie die Sportler die Bismarckstraße hinunterschießen, dann rechts, entlang an den alten und neuen Hochhäusern und der Baulücke, die der weggerissene RWE-Wolkenkratzer hinterlassen hat. Hoffentlich sperren die Veranstalter die Zufahrt zur A40 gut ab, nicht, dass sich einer verfährt in Richtung Dortmund...
Dann geht’s auf die Huyssenallee, dort wird der Stadtgarten umrundet, und auf der Helbingstraße zurück, fährt man in die Stadt. Durch den Tunnel, das Rathaus fliegt rechts vorbei, und ganz ehrlich: Vielleicht war der Schuirweg im Essener Süden anstrengend, aber das Radfahren durch Essens Innenstadt ist an diesem „Test-Tag“ auch mal wieder nicht ohne. Es gibt viel Gehupe, zähen Verkehr; alle wirken genervt. Da hilft dem Radler die „Umweltspur“ am Rathaus genauso wenig die hübsch rot markierten Radstreckenflächen am Viehofer Platz.
Die Strecke macht Kehrt am Kreisverkehr am Berliner Platz, offenbar haben sie extra für die Tour die Grünfläche in der Mitte gemäht – jedenfalls riecht es so, frischer Geruch liegt in der Luft. Dann geht’s zurück die Schützenbahn hoch, am Hauptbahnhof entlang, wieder auf die Huyssenallee.
Wieso ist es eigentlich an diesem Tag so anstrengend, die Schützenbahn hochzufahren, die Steigung ist doch moderat? Ach, weil wir schon anderthalb Stunden unterwegs sind. Die Profis am Samstag haben dann an dieser Stelle fast 170 Kilometer in den Knochen. Mal sehen, wie fertig sie sein werden.
Stellt Euch ins Ziel an der Huyssenallee, jubelt ihnen zu, feuert sie an!
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