Essen. Gäste reservieren einen Tisch, kommen aber einfach nicht. Das Problem „No Show“ hat spürbar zugenommen. Spitzengastronomen ärgern sich darüber.
Das Phänomen nimmt zu: Gäste reservieren einen Tisch im Restaurant und erscheinen einfach nicht. Viele rufen nicht mal an, einige sagen sehr kurzfristig ab: Der Tisch bleibt leer. Aus dem Englischen stammt die moderne Bezeichnung für diese ärgerliche Form des Nicht-Erscheinens: „No Show“.
Bundesweit reagieren Gastronomen im gehobenen Segment zunehmend mit Strafen für respektlose Gäste. Wir haben Essener Spitzengastronomen gefragt, was sie von der „No Show“-Gebühr halten.
Hannappel: Firma reserviert Vierer-Tisch, aber niemand erscheint – und das ohne Absage
Knut Hannappel, Inhaber des gleichnamigen Sterne-Restaurants in Essen-Horst, berichtet von einem noch frischen und ärgerlichen „No Show“-Erlebnis. Ein Unternehmen aus München habe einen Vierer-Tisch reserviert. „Doch die Gäste kamen nicht, sie haben nicht abgesagt und sich bis heute nicht gemeldet.“ Dass es an einem Samstagabend passierte, macht den Fall noch ärgerlicher. Den Tisch hätte er an solch buchungsstarken Abend gut und gerne zwei Mal vergeben können.
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„No Show“ betrifft nicht so sehr die Pizzeria an der Ecke, die stark von Laufkundschaft profitiert, sondern eher die Spitzengastronomie. Eine Absage wie im Fall Hannappel drücke den Umsatz bei Vier- bis Sechs-Gänge-Menüs um mehrere Hundert, wenn nicht sogar Tausend Euro. „Ich bereite für jeden Gast Aperos und Pralinen vor, wenn die Gäste nicht kommen, wandern sie in den Eimer.“ Dasselbe passiere mit dem täglich frisch gebackenen Brot, das jedem Gast gereicht werden soll. „Das Nicht-Erscheinen ist respektlos und unverschämt“, findet der Gastronom.
„Das Problem hat in den letzten Jahren zugenommen“, sagt Katrin Lohmann, Leiterin von Nelsons Müllers Sterne-Restaurant „Schote“ am Rüttenscheider Stern, und ergänzt: „Ein leerer Tisch ist ein schmerzhafter wirtschaftlicher Verlust.“
Schote: „Wir haben lieber belegte Tische als eine No-Show-Gebühr“
Müller arbeitet mit einem Online-Reservierungssystem, das Fluch und Segen zugleich sei. Es vereinfache die Buchungen. Aber: „Die Hemmschwelle, eine Reservierung im Reservierungssystem zu stornieren, ist niedrig.“ Es gebe sogar Gäste, die an ein und demselben Abend in drei Restaurants einen Tisch buchten und sich erst im letzten Moment für ein Restaurant entschieden.
Aktuell sei die „Schote“ an den buchungsstarken Samstagen bis Ende September ausgebucht. Allerdings gebe es eine ständige Fluktuation, deshalb arbeite man mit Wartelisten. In Müllers „Schote“ tut man sich schwer damit, eine Storno-Gebühr einzuführen. „Ich habe lieber belegte Tische als eine No-Show-Gebühr“, sagt Katrin Lohmann. Die Gastronomin wünscht sich eine neue Stornierungskultur und sagt: „Die Branche muss die Gäste besser erziehen.“
Knut Hannappel verlangt keine Strafgebühr für „No Show“, denn sie decke die Umsatzverluste ohnehin nicht ab. Aber er räumt aber ein: „Ich kann die Kollegen verstehen, die eine Grundgebühr verlangen.“ Ihn ärgerten „fadenscheinige“ Begründungen bei Absagen. „Wenn es mir schon den ganzen Tag schlecht geht, sage ich nicht fünf Minuten vorher ab.“
Kettner’s Kamota: „Wir haben offenbar die besten Gäste der Welt“
Jürgen Kettner betreibt in Werden ein Restaurant, das erfolgreich auf österreichische Kochkunst mit japanischen Einflüssen setzt und zuletzt mit einem Michelin-Stern geadelt wurde: „Kettner’s Kamota“. Er sei von ärgerlichen Absagen und leeren Tischen weitgehend verschont geblieben und sagt augenzwinkernd: „Wir haben offenbar die besten Gäste der Welt.“
Gleichwohl wirbt der Inhaber und Küchenchef in der Branche dafür, bei den Gästen das Bewusstsein für das Problem zu schärfen. „Das Nicht-Erscheinen nimmt leider spürbar zu.“ Die Spitzengastronomie wolle ihren Gästen Spitzenleistungen bieten. Deshalb setze man die besten Produkte ein, gleichzeitig müsse man effizient einkaufen und betriebswirtschaftlich rechnen. „1000 Euro Umsatzverlust tun sehr weh.“
Die Essener Gastro-Expertin Uta Bühler kennt sich bestens aus in der Welt der Spitzengastronomie. In Metropolen wie London und New York werde die Kreditkarte schon seit jeher bei „No Show“ belastet und Sylter Gastronomen hätten sich bereits vor 15 Jahren darauf verständigt, eine Storno-Gebühr zu verlangen. Bei einer Buchung in Südafrika werde die Kreditkarte des Gastes bereits im Moment der Buchung mit einer Grundgebühr belastet. Erscheine der Gast wie geplant, werde diese Gebühr auf den tatsächlichen Verzehr angerechnet.
Gastro-Expertin Uta Bühler kennt Restaurants, die wegen „No Show“ 100.000 Euro Umsatzverlust im Jahr machen
„Es ist ganz einfach: Wer reserviert und nicht erscheint, richtet einen Schaden an und den muss er ersetzen“, sagt Uta Bühler. Strafe, Storno-Gebühr, Überlebens-Sicherung, Umsatz-Ausfall – es gebe viele Begriffe. „Ich bin für Schadenersatz.“
Die Gastro-Expertin appelliert eindringlich an die Spitzenköche, betriebswirtschaftlich zu arbeiten. Gleichzeitig warnt sie vor falsch verstandener Kulanz. „Kulant kann nur der sein, der wirtschaftlich auf einem sicheren Fundament steht.“ Das sei jedoch bei längst nicht jedem der Fall.
Wie ruinös „No Show“ sein kann, weiß Uta Bühler allzu gut. Die Essenerin kennt deutsche Sterne-Restaurants, die im Jahr 100.000 Euro Umsatzverlust durch Nicht-Erscheinen machen. Deshalb sagt auch sie: „Wir müssen die Gäste für dieses ernste Problem sensibilisieren.“
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