Essen. . Uta Bühler, Chefin des Magazins „Sternklasse“, beklagt die Selbstausbeutung vieler Köche. Sie rät, in Restaurants mehr Lebensfreude zu verkaufen.
Der perlende Aperitif zum Auftakt, dann ein feines Süppchen, ein zartes Rehrückenfilet als Hauptgericht und eine satte Mousse au Chocolat als süße Krönung. Die nahenden Festtage wollen immer auch kulinarische Feiertage sein – für den Gast wie für den Gastronomen: glückselige Momente voller Gaumenfreude für die einen – klingelnde Kassen für die anderen. Doch geht die Rechnung für die Köche tatsächlich auf? „Sehr oft leider nicht“, findet Uta Bühler, Chefin des Magazins „Sternklasse“ und ausgewiesene Kennerin der gehobenen Gastronomie.
Schon seit Jahren beobachtet die Gourmet-Expertin in der Branche einen verhängnisvollen, ja sogar existenzgefährdenden Trend zur Selbstausbeutung. Ein guter Koch zu sein, bedeute keinesfalls, nur die Geschmacksknospen der Gäste explodieren zu lassen, sondern auch messerscharf kalkulieren zu können. Ahnung von Betriebswirtschaft sei mindestens genauso wichtig wie Herdkunst. Doch bedauerlicherweise, so ihre Beobachtung, gingen zu viele Köche vor der Geiz-ist-geil-Mentalität regelrecht in die Knie. „Weil sie die Annahme verinnerlicht haben, dass die Gäste lauter Sparfüchse sind.“ Die beklagenswerte Folge: Selbst gute Köche lebten längst von der Substanz.
Aufgetautes Pangasiusfilet statt frischer Zander
Für Uta Bühler eine gefährliche Abwärtsspirale, in der Genuss, Gaumenfreude und schlimmstenfalls das Geschäft auf der Strecke zu bleiben drohen. Kein Wunder, dass zuerst die Produktqualität nachlasse. „Statt frischen, teureren und leckeren Zander auf den Teller zu bringen, servieren sie lieber aufgetautes Pangasiusfilet.“
Wenn dann auch noch beim Service gespart werde und allenfalls dürftig ausgebildete Kellner zum Einsatz kämen, seien am Ende alle Verlierer: die Gastronomen, weil sie früher oder später ihr Geschäft aufgeben müssten, und der Gast, dem nur noch lieblose Fertigprodukte aufgetischt werden.
Jahrzehnte lang hat besonders die Spitzen- und Sterne-Gastronomie davon profitiert, dass namhafte Konzerne ihre Geschäftspartner nach erfolgreichen Abschlüssen gerne mit opulenten Geschäftsessen verzauberten. Diese goldenen Zeiten sind längst vorbei: Stichwort Compliance.
„No Show“-Unsitte: „Kein Kavaliersdelikt, sondern Diebstahl“
Umso mehr rächt sich jetzt, dass die so genannte „No Show“-Unsitte schmerzhafte Löcher in die Kassen reißt. „Gäste reservieren einen Tisch, erscheinen aber nicht oder sagen so kurzfristig ab, dass die Stühle leer bleiben“, sagt Uta Bühler und fügt hinzu: „Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern Diebstahl.“
Im inzwischen geschlossenen Zwei-Sterne-Restaurant „Résidence“ von Berthold Bühler lagen die No-Show-Umsatzverluste in der traurigen Spitze bei jährlich 100.000 Euro. Als bei Reservierungen dann die Kreditkarte verlangt und eine Art „Ausfallgebühr“ von 25 Euro festgelegt wurde, sanken die Verluste plötzlich rasant auf einen nur noch vierstelligen Betrag.
„Mehr Atmosphäre, mehr Freude, mehr Mut“
Uta Bühler hält gar nichts davon, in Weinerlichkeit und Wehklagen zu verfallen, sie möchte Mut machen und die Gastronomen dazu bewegen, mehr Atmosphäre und Authentizität, mehr Freude und intensivere Genusserlebnisse zu schaffen. „Ich weiß, dass es uncool ist, über Preise zu reden, aber unterm Strich ist es ehrlicher, die Zurückhaltung bei der Preisgestaltung aufzugeben – auch zum Wohle der Mitarbeiter.“
Und der Gast? Der sei sehr wohl bereit, für mehr Qualität und mehr Lebensfreude mehr Geld auszugeben – erst recht an den Feiertagen. Uta Bühler: „Wertschätzung muss man sich verdienen.“
>>> STERNKLASSE EMPFIEHLT FÜR DIE FEIERTAGE18 ESSENER RESTAURANTS
18 gehobene Essener Restaurants hat Uta Bühler ausfindig gemacht, die an Weihnachten und/oder Silvester geöffnet haben: von La Grappa bis Gummersbach.
Sie bieten eine anspruchsvolle, frische Küche und werden von mindestens einem Restaurantführer (Michelin, Gault Millau, Gusto) empfohlen.
Die komplette Liste steht auf sternklasse.de unter „Weihnachten und Silvester in Essen“.