Essen. Noch immer ist das Durcheinander bei den Abrechnungen nicht gänzlich behoben. Doch Vorsicht: Hohe Abschläge zu „übersehen“, ist keine gute Idee.

Wie schnell man vor lauter Gasgeben den Bremsweg unterschätzt, daran haben die meisten ja aus der Fahrschule noch eine schemenhafte Erinnerung. Er ist, so viel sei verraten, immer deutlich länger als gemeinhin gedacht – eine Erkenntnis, die Essens Stadtwerke dieser Tage aus leidvoller Erfahrung auf einem anderen Gebiet bestätigen können: Knapp fünf Monate nach der bundesweiten Einführung der Gas- und Strompreisbremse, die die Abrechnungs-Software des Versorgers gehörig ins Schlingern brachte, ist die Rutschpartie noch immer nicht beendet.

Keine Jahresabrechnung, mithin keine neuen Abschläge, und im Hintergrund womöglich zu lichten Höhen auflaufende Zahlungsrückstände, für die den Kunden irgendwann die stolze Rechnung präsentiert wird – das ist das Szenario aus dem Kalkulations-Chaos, für das die Stadtwerke in Essen und andernorts nichts können, das ihnen aber reichlich Knatsch mit der Kundschaft einbringt.

Geschätzt über 11.000 Kundinnen und Kunden warten immer noch auf die Abrechnung

Kein Wunder, dass die Stadtwerke auf Nachfrage versuchen, den aktuellen Stand ihrer Berechnungs-Praxis in ein eher warmes Licht zu tauchen: Man habe, sagt Unternehmens-Sprecher Thomas Falk, die Preisbremsen inzwischen erfolgreich ins Abrechnungs-System einbauen können. Und Ende dieser Woche dürften „etwa drei Viertel“ der circa 45.000 Kunden, bei denen im ersten Halbjahr die Jahresrechnung fällig war, selbige auch erhalten haben.

Was aber eben auch heißt: Rund ein Viertel, und das sind immer noch mehr als 11.000 Kunden zwischen Karnap und Kettwig, warten noch auf ihre Abrechnung. Viele sind darunter, bei den die künstliche Intelligenz des Abrechnungs-Systems Alarm geschlagen hat, weil sie die teils beachtlichen Einsparungen der Kundschaft hie und da für nicht plausibel hält: „Das müssen wir jetzt händisch nacharbeiten“, sagt Stadtwerke-Sprecher Falk. Wann auch der und die Letzte einen Schlussstrich unters abgelaufene Heiz-Jahr ziehen kann, da mögen sich die Stadtwerke lieber nicht festlegen: „Zeitnah.“ Ach so.

Aufgelaufene Beträge werden nicht in einer Summe gefordert, sondern „abgestottert“

Immerhin versprechen die Stadtwerke, ihren ausgebremsten Kunden gleich in mehrerlei Hinsicht entgegenzukommen. So sollen, wenn erst einmal die Jahresrechnung vorliegt, fällige Erstattungen aus den Preisdeckeln umgehend an die Kundschaft weitergereicht werden. Und zwar, indem man die Rückzahlungsbeträge vollständig auf die Abschläge anrechnet.

Im Gegenzug ist geplant, aufgelaufene Rückstände aus bislang nicht gezahlten Abschlägen nicht etwa in einer Summe einzufordern, sondern sie gleichmäßig auf die restlichen Abschläge des jeweiligen Abrechnungsjahres umzulegen. Wer also beispielsweise drei Abschläge nicht gezahlt hat, kann die fällige Summe in den dann folgenden neun Monaten „abstottern“.

Gleichwohl dürfte angesichts der Preisentwicklung manchem ein böses Erwachen bevorstehen. Schon vor Wochen hatten die Stadtwerke deshalb appelliert, sich für mögliche Nachzahlungen zu wappnen. Unternehmenssprecher Falk empfiehlt Kundinnen und Kunden auf jeden Fall, ihren Abschlagsplan „sorgfältig zu prüfen“ und für den Fall, dass sich da jemand finanziell überfordert fühlt, den Kundenservice zu kontaktieren. Keine gute Idee sei es dagegen, die Chose einfach laufen zu lassen und mögliche Rücklastschriften zu riskieren.

„Wir verstehen den Ärger der Kundinnen und Kunden“, betonen die Stadtwerke

Bei den Stadtwerken wissen sie, dass das Durcheinander ihnen keine neuen Freunde beschert hat, „wir verstehen den Ärger“, den sie in der Zentrale an der Rüttenscheider Straße im Grunde teilen: Allein die externen IT-Kosten, die durch die Umprogrammierung der IT-Systeme für die Energiepreisbremsen anfallen, beziffern die Stadtwerke mit rund 200.000 Euro. Einen finanziellen Ausgleich seitens des Gesetzgebers, der ihnen die Sache mit den Preisbremsen „vor die Füße geworfen“ hat, wie es intern heißt, gibt es nicht.

Derzeit wird so viel Personal wie möglich eingesetzt, um mit den Jahresrechnungen wieder in einen normalen Rhythmus hineinzufinden. Alles für eine Preisbremse, die zwar bis zum April 2024 angelegt ist, „bei der wir aber vermuten, dass sie Ende des Jahres ausläuft“, sagt Falk. Ob die Abrechnungsprogramme dann wieder geändert werden müssen, ist noch nicht raus. Bei den Stadtwerken wäre die Begeisterung darüber definitiv gebremst.