Essen-Rüttenscheid. Wegen Bauarbeiten an der Südstrecke in Essen fährt für die U11, 107 und 108 Schienenersatzverkehr. Von Fahrgästen hagelt es Kritik.
Die Beschwerden über den Schienenersatzverkehr, der aktuell für die Linien U11, 107 und 108 eingesetzt wird, reißen nicht ab. Die Ruhrbahn lässt zurzeit umfangreiche Bauarbeiten an der Südstrecke umsetzen, die zu einem großen Teil durch Rüttenscheid führt. Deshalb fahren nun Busse statt Bahnen. Fahrgäste berichten von Bussen, die regelmäßig zu spät und manchmal sogar gar nicht kommen.
Freitagmorgens, 8 Uhr, an der Alfredstraße. Hier hat die Ruhrbahn in beide Fahrtrichtungen eine Ersatzhaltestelle für die Haltestelle Rüttenscheider Stern eingerichtet. Die Atmosphäre ist entspannt, Busse kommen regelmäßig und nur mit kleinen Verspätungen, sodass sich auf beiden Straßenseiten selten größere Grüppchen an der Haltestelle bilden. „Ich fahre normalerweise morgens um 6, da kommen die Busse immer pünktlich“, berichtet Fahrgast Kira Tünte. Auch eine andere Passantin, die auf den Bus Richtung Hauptbahnhof wartet, sagt: „Es ist okay, manchmal gibt es Verspätungen, aber das ist bei der Straßenbahn auch so.“
Fahrgäste in Rüttenscheid sprechen von langen Wartezeiten
Fantina Dyane, die auf der anderen Seite der Alfredstraße Richtung Bredeney fahren will, gibt allerdings zu bedenken: „Jetzt geht es, aber nachmittags ist es schlimm.“ Sie nutze jeden Tag den Schienenersatzverkehr, um zur Arbeit und wieder zurück zu fahren. „Die U11 ist nicht das Problem, sondern die Linien 107 und 108“, ist ihre Erfahrung. Die Busse kämen häufig zu spät oder fielen sogar aus. Und: „Manchmal habe ich den Eindruck, die Fahrer machen eine längere Pause und fahren von Anfang an zu spät los.“
Tatsächlich: Fragt man nachmittags, dann sieht die Lage gleich ganz anders aus. Gleicher Ort, andere Zeit. Es ist Montag gegen 15 Uhr. An der Ersatzhaltestelle Rüttenscheider Stern sprechen wir einen Wartenden auf seine Erfahrung mit dem Schienenersatzverkehr an. „Ich warte seit einer halben Stunde“, ist seine Antwort. Eine Rentnerin, die neben ihm auf der Bank sitzt, bekräftigt: „Ich habe letztens eine Dreiviertelstunde gewartet.“ Ihr mache das nichts aus, sie habe ja Zeit, doch für die jungen Leute sei es ein Problem.
Essener Ruhrbahn-Nutzer planen deutlich mehr Zeit für ihre Fahrten ein
Jessica (16) fährt normalerweise mit der 107 oder 108 zur Schule. In den Ferien nutzt sie den Schienenersatzverkehr, um einkaufen zu gehen oder zur Fahrschule zu kommen. Auf Pünktlichkeit verlasse sie sich aber nicht, berichtet sie: „Ich gehe immer 20 Minuten früher raus als sonst.“ Auch Johannes Jacobi will mit dem Bus der Linie 108 Richtung Bredeney fahren. Es sei das dritte Mal seit der vergangenen Woche, dass er extrem lange warten müsse, sagt er.
„Gestern war es eine Stunde, jetzt zwischen 20 und 30 Minuten“, betont Jacobi. „Und keiner weiß, woran es liegt, vom Busfahrer erfährt man nichts.“ Er sei auf den ÖPNV angewiesen, müsse nach Werden und in Bredeney umsteigen. Mittlerweile mache er sich schon immer eine halbe Stunde früher auf den Weg.
Schließlich kommt die Linie 108, auf die viele Fahrgäste hier sehnlich gewartet haben. Vier Minuten später fährt ein zweiter 108-Bus die Haltestelle an, einer von beiden dürfte verspätet gewesen sein. Danach pendeln sich die Busse wieder etwa im Zehn-Minuten-Takt ein.
Ruhrbahn Essen: Nicht auszuschließen, dass Fahrer ihre Pause verlängern
Schon auf eine frühere Anfrage unserer Redaktion hatte die Ruhrbahn erläutert, dass es im Berufsverkehr zu Verspätungen komme, da die Busse im fließenden Verkehr „mitschwimmen“ müssen. „Unsere Busse stehen dann auf der Alfredstraße im Stau“, hieß es. Auf eine erneute Anfrage erklärt Sprecherin Sylvia Neumann zudem, der Ruhrbahn seien solche Fälle zwar nicht bekannt, es sei aber nicht auszuschließen, dass die Fahrerinnen und Fahrer ihre Pausen um ein bis zwei Minuten verlängerten, um sich an die gesetzliche Pausenregelung zu halten.
„Die SEV-Dienste werden nach der sogenannten 1/6 Regelung gefahren“, schildert Neumann. Hierbei müsse die Gesamtdauer der Arbeitszeitunterbrechungen mindestens ein Sechstel der vorgesehenen Lenkzeit betragen. Anrechenbar seien jedoch nur Arbeitszeitunterbrechungen von mindestens zehn Minuten. Neumann: „Das heißt, kommt der Kollege etwas zu spät an der End-Abfahrthaltestelle an und fährt fahrplanmäßig wieder ab, hat er eventuell nur acht Minuten Arbeitszeitunterbrechung, welche nicht anerkannt wird und er so nicht auf seine summierte Arbeitszeitunterbrechung kommt.“
Mit dem Schienenersatzverkehr der Linie 108 hat die Ruhrbahn nach eigenen Angaben Subunternehmer betraut. Zu den von Fahrgästen beklagten Busausfällen sagt Neumann: „Sicherlich kommt es auch bei den Auftragsunternehmern einmal vor, das aufgrund eines Wagenschadens, einer Krankmeldung im Dienst oder sonstigen unvorhersehbaren Ereignissen ein Fahrzeug für kurze Zeit ausfällt.“
Fahrgäste klagen über fehlende Klimaanlage in Essener SEV-Bussen
Auch über einen Facebook-Aufruf unserer Redaktion haben sich einige Ruhrbahn-Kundinnen und -Kunden mit Kritik gemeldet. Sie beklagen ebenfalls Verspätungen oder Ausfälle, vor allem bei der Linie 108. „Reinste Katastrophe, der 108-Bus kommt, wann er will, oder gar nicht“, schreibt zum Beispiel eine Nutzerin. Eine andere kritisiert: „Dauert ungefähr doppelt so lange, wenn nicht ein SEV ausfällt.“
Darüber hinaus gibt es weitere Kritikpunkte. „Die Busse sind teilweise total überfüllt, die Klimaanlage ist in keinem Bus an“, kommentiert ein Nutzer. Eine andere schreibt: „Busse ohne Klimaanlage und jetzt kommt wieder eine Hitzewelle. Letztens dachte ich, ich kippe gleich um.“ Bemängelt wird außerdem, dass es im 108-Bus keine Haltestestellenanzeige gibt und auch die Durchsagen oft ausfielen. Einige Fahrgäste beklagen zudem, die Busse führen zu schnell und die Fenster ließen sich nicht öffnen.
„Die Busse müssen nicht mit Klimaanlagen ausgestattet sein, die Fenster müssen aber zu öffnen sein“, erklärt Sylvia Neumann. Sollte das einmal nicht so sein, sei die Ruhrbahn dankbar über Hinweise, benötige aber genauere Angaben zu Fahrzeug, Haltestelle, Uhrzeit und Fahrtrichtung. Gleiches gelte für zu schnelles Fahren, auch in dieser Hinsicht seien noch keine Fälle bekannt. „Geschwindigkeitsüberschreitungen im Linienverkehr mit einem Kraftomnibus werden schwerer geahndet, als die mit einem Pkw. Wir gehen davon aus, dass die Fahrer*innen ein Eigeninteresse haben, sich an die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten zu halten“, so Neumann zudem.
Ruhrbahn: Bauarbeiten in Essen sollen am 6. August abgeschlossen werden
Tatsächlich verfügen die Fahrzeuge der Subunternehmer laut Neumann nicht über die ÖPNV-Ausstattung der Ruhrbahn-Busse und können deshalb keine Haltestellen anzeigen. Die Haltestellen sollen per Bordmikrofon angesagt werden. Auf eine frühere Anfrage unserer Redaktion hin hatte die Ruhrbahn angekündigt, sich diesbezüglich an die Unternehmer zu wenden.
Noch bis zum 6. August fährt der Schienenersatzverkehr, dann sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Neumann zufolge kann dieser Plan eingehalten werden: „Aktuell gehen wir davon aus, dass ab dem 7. August die Bahnen wieder fahren.“
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