Essen-Kupferdreh. Das Stadtbad in Essen-Kupferdreh hat derzeit geschlossen. Warum gerade trotzdem Menschen im Bad unterwegs sind, was passiert und was geplant ist.
Es ist ruhig im Stadtbad Kupferdreh: keine Bewegung auf der Wasseroberfläche, kein Kinderschreien und auch keine Wassergymnastik. Das Bad an der Schwermannstraße hat in den ersten drei Wochen der Sommerferien geschlossen. Was nicht heißt, dass hier niemand arbeitet. Im Gegenteil.
Hans-Werner Vahle, gemeinsam mit Dirk Giesen Schwimmmeister im Stadtbad, dreht im Keller an Stellschrauben, kontrolliert Anzeigen. „Unsere Schwimmmeister haben im Moment viel zu tun“, erklärt Stephanie Kannenberg von der Interessengemeinschaft Stadtbad Kupferdreh. Gemeinsam mit der langjährigen Betriebsleiterin Elisabeth Nüchter leitet sie das Bad hauptberuflich. „In diesen drei Wochen werden Wartungsarbeiten und Reparaturen durchgeführt, Fliesenschäden behoben, die Fugen in den Duschen und Sanitäranlagen erneuert. Wir haben hier gerade viele Handwerker im Haus.“
1971 wurde das Bad eingeweiht. Corona hat einer offiziellen Feier zum 50. Bestehen vor zwei Jahren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nachgeholt wurde das in diesem Jahr mit einem Tag der offenen Tür im Mai. Zeit auch für einen Rückblick auf die bewegte Geschichte des Bades.
Seit 40 Jahren Schwimmmeister in Kupferdreh
In den Anfangsjahren des Schwimmbads gab es hier noch Maschinisten, die sich um alles kümmerten. Heute übernehmen zwei Schwimmmeister diese Aufgabe. Vahle macht den Job seit sage und schreibe 40 Jahren: Schon seine erste Station nach der Ausbildung war das Stadtbad Kupferdreh. Er ist zwar Angestellter der Stadt, aber dies hier ist sein Bad. Hier kennt er jede Schraube, man könnte sagen: jeden Tropfen.
Das zeigt sich auch bei einem Rundgang durch das Bad, etwa in der Sauna. „Ich kann mich noch gut erinnern, dass hier mal die Jungen- und die Mädchen-Duschen waren“, erzählt er. „Dann haben wir an dieser Stelle ein Loch reingekloppt, alles umgebaut und die Sauna installiert.“ 1997 sei das gewesen, kurz nachdem die IG Stadtbad Kupferdreh die Betriebsführung des Hallenbads übernommen hatte. Seitdem finanziert die Interessengemeinschaft alle Sanierungen, Umbauten und Neuerungen.
„Wir sind ein Verein und dürfen keinen Gewinn machen“, so Kannenberg. „Alle Gewinne, die wir erwirtschaften über Eintritt und Kursprogramm, stecken wir wieder ins Bad.“ Sämtliche Entwicklungen werden mit Fotos dokumentiert, gerahmt und für alle im Eingangsbereich sichtbar aufgehängt. Man ist hier stolz auf die eigene Arbeit – und das zu Recht.
Schwimmhalle mit Sprungturm
Weiter geht es in die Schwimmhalle. 25 Meter lang und zehn Meter breit ist das Becken, es verfügt über ein Ein-Meter-Brett und einen Drei-Meter-Turm – letzteren gibt es in Hallenbädern nicht mehr allzu oft. „Tatsächlich kommen viele Kinder und Jugendlichen hierher, wenn sie das Schwimmabzeichen in Silber machen wollen“, sagt Vahle, „dazu gehört auch der Sprung vom Drei-Meter-Turm“. Der wichtigste Teil der Angebote ist und bleibt nun mal das Schul- und das Kinderschwimmen. Kannenberg: „Ich halte es für sehr wichtig, dass alle Kinder in der Lage sind, sich über Wasser zu halten. Das kann lebenswichtig werden.“
Apropos Überleben: Tatsächlich hat das Bad im vergangenen halben Jahrhundert so einige Höhen und Tiefen erlebt. So sah sich die Stadt Essen 1988 kaum noch in der Lage, die Einrichtung zu finanzieren. Das so genannte „Tandem-Modell“ wurde initiiert: montags bis mittwochs öffnet das Bad in Werden, donnerstags bis samstags das Kupferdreher. Und als das Schwimmbad 1992 kurz vor der Schließung stand, wurde ein neues Betriebssystem erfunden: Kupferdreher Vereine wie die Geräte-Tauchgemeinschaft Essen, der Tauchsportclub Essen, der Turnverein 1877 Kupferdreh und der DLRG taten sich mit Bürgerschaft und Werbegemeinschaft zur Interessengemeinschaft Stadtbad Kupferdreh zusammen und übernahmen 1997 das Bad in Eigenregie.
IG Stadtbad Kupferdreh leitet den Betrieb
Ein Modell, das bis heute funktioniert: Die IG Stadtbad Kupferdreh bietet zahlreiche Kurse im und neben dem Wasser an, vor allem aber Schwimmkurse für Kinder und Jugendliche. Diesem Konzept konnten auch die letzten Krisen nicht viel anhaben, sieht man mal von einer pünktlichen Jubiläumsfeier ab. Kannenberg: „Erst kam Corona, da mussten wir schließen.“ Eine Übergangslösung waren Online-Kurse – natürlich ohne Wasser.
Es folgte der Ukraine-Krieg inklusive Energiekrise, verbunden mit der Absenkung der Wassertemperatur. Da es in Kupferdreh jedoch nur ein Becken gibt, kann das Stadtbad immerhin auf 28 Grad heizen. Dennoch mussten vor allem einige rheumageplagte Senioren das Schwimmen an der Schwermannstraße einstellen. „Das ist denen zu kalt. Kinder dagegen ziehen einfach einen Neoprenanzug an. Was uns besonders trifft, ist aber die Tatsache, dass wir das Babyschwimmen absagen müssen. Der Schwimmverband sagt zu Recht, dass das für Babys zu kalt ist. Deswegen mussten wir 80 Babys und ihren Eltern wegschicken.“
Dass das Stadtbad nach wie vor gut dastehe, liege an den vielen ehrenamtlichen Helfern und vor allem an den Besucherinnen und Besuchern, freut sich Kannenberg. „Wir haben viele treue Schwimmbadbesucher, die jeden Morgen schwimmen. Wenn ich morgens um sieben Uhr komme, dann stehen die schon am Eingang und wollen rein. Und über unser Kursangebot versuchen wir weitere Menschen ebenfalls zum Schwimmen zu bewegen.“
Letzte Station unseres Rundgangs: der noch recht junge Gymnastikraum. Hier finden Kurse statt wie Zumba, Pilates, Yoga, Rückenschule oder auch Yogilates, eine Mischung aus Yoga und Pilates. Und hier steht zudem eine kleine Revolution an: Nach den Sommerferien wird es im Gymnastikraum einen Beamer geben, der das Bild eines Computers auf eine Wand übertragen kann, sodass Video-Konferenzen stattfinden können. „Wir haben aus Corona gelernt“, sagt Kannenberg. „Wir können hier Kurse machen, die über eine Webcam ins Internet übertragen werden. So können Menschen auch zu Hause vor ihrer eigenen Webcam mitmachen, und ich kann sie hier sehen und korrigieren.“ Mit seinen über 50 Jahren ist das Stadtbad Kupferdreh offenbar so modern wie eh und je.
Chronik des Stadtbades Kupferdreh
1967: Die Idee, ein Hallenbad für Kupferdreh zu bauen, kommt auf. Ein Mehrzweck-Schwimmbecken soll es werden mit Ein- und Drei-Meter-Brett, aber ohne Sauna.
27. August 1969: Spatenstich. Bei den Bauarbeiten wird eine Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.
3. Mai 1971: Nach 13 Monaten Bauzeit und 3,2 Mio. D-Mark Kosten wird das Bad feierlich eingeweiht.
1981: Der zweimillionste Besucher wird erwartet.
1988: Die WAZ titelt: „Kupferdreher fürchten um den Fortbestand ihres Bades“. Der Rat der Stadt beschließt ein „Tandem-Modell“.
30. November 1995: Die IG Stadtbad Kupferdreh e.V. wird gegründet. Ratsfrau Brigitte Wawrowsky wird erste Vorsitzende.
11. April 1997: Die IG Stadtbad Kupferdreh übernimmt den Betrieb. Gleichzeitig wird der Gymnastikraum fertiggestellt.
29. November 1997: Zwei überflüssige Duschräume werden durch eine Sauna ersetzt, 2001 kommt noch eine Infrarot-Sauna hinzu.
September 1999: Auf einer freien Fläche unterhalb einer Treppe wird ein Seminarraum errichtet – für Sitzungen, aber auch Kinderbetreuung, Märchenstunden und Ausstellungen. Der Raum erhält den Namen „Ottos Residenz“ – benannt nach Schatzmeister Otto Wünnenberg.
2002: Die mittlerweile völlig undurchsichtige Fensterfront in der Schwimmhalle wird ausgetauscht.
2005: Der Sprungturm wird saniert und mit einer Modenschau eingeweiht.
2023: Nach zahlreichen weiteren Umbauten und Sanierungen feiert das Stadtbad seinen 50. – auf Grund von Corona mit zwei Jahren Verspätung.