Essen-Holsterhausen. Auf dem Essener Gemarkenplatz sollen temporär Kunstrasen, Spielzeug und Sitzmöbel zum Verweilen und Spielen einladen. Das gefällt nicht jedem.
Der neu gestaltete Gemarkenplatz ist offiziell eröffnet. Bei einer kleinen Feier mit Vertretern von Grüner Hauptstadtagentur, Bürgerinnen und Bürgern sowie Kindern der Cranachschule wurde das Bürgerprojekt „Gemarkenplatz – Fit for future“ am Mittwoch (14. Juni) vorgestellt. Vor Ort stieß die Umgestaltung auf Zuspruch, einige Anwohnerinnen und Anwohner äußerten jedoch auch Kritik an dem Projekt.
Die zeitweise Neugestaltung des Platzes ist Teil des Stadtentwicklungsprojektes Be-Move und auf knapp zweieinhalb Monate vom 12. Juni bis 19. August beschränkt. In dieser Zeitspanne fallen drei Autoparkplätze auf dem Holsterhauser Gemarkenplatz weg, weitere Plätze für Taxis und Carsharing sowie ein Behindertenparkplatz wurden verlegt.
Umgestalteter Gemarkenplatz in Essen mit Picknickplätzen und Kunstrasen
Stattdessen befinden sich auf dem Platz nun zwei mit bunt bemalten Paletten begrenzte und mit Kunstrasen abgesetzte Picknickplätze. Dort kann man sich hinsetzen, ausruhen oder mit Freundinnen und Freunden treffen. Außerdem steht für Kinder eine Kiste mit Spielzeug zur Verfügung, aus der sie sich zum Beispiel Straßenkreide und ein Springseil holen können. Auch Müllsäcke und Müllgreifer werden hier gelagert, sodass Bürgerinnen und Bürger selbst bei der Instandhaltung des Platzes helfen können, wenn sie möchten. Den Sommer über sollen Veranstaltungen stattfinden, unter anderem Straßenmusik in Zusammenarbeit mit der Initiative „Wir sind Holsterhausen“.
Initiator aus Essen-Holsterhausen: „Lasst es uns doch einfach ausprobieren“
Einer der Initiatoren des Bürgerprojektes ist Markus Schürmann. Seine Mitstreiterinnen Cornelia Perthes und Greta Schulte-Eversum hat er bei einem Be-Move-Workshop im vergangenen Jahr kennengelernt. Er sah sich schon mehrfach mit der Kritik, durch das Projekt wolle man Autos Stück für Stück aus dem Stadtteil verbannen, konfrontiert. Dabei sei er selbst Autofahrer, von Beruf Maschinenbauingenieur und sicher kein „linksgrüner Spinner“, wie der Vorwurf manchmal laute. Aber: „Meine Tochter geht auf die Cranachschule, mein Sohn in der Nähe zur Tagesmutter. So habe ich gemerkt, dass es hier einfach wenig Sitz- und Spielmöglichkeiten für Kinder gibt.“
Beim Aufbau in den letzten Tagen habe er schon allerhand Reaktionen bekommen. „Die meisten sind positiv. Manche fragen: Was soll das, wer will sich hier hinsetzen?“, schildert Schürmann. Wieder andere hätten Angst, dass zu viele Leute auf dem neu gestalteten Platz sitzen wollten und abends „Halligalli“ herrsche. Schürmann: „Ich sage: Lasst es uns doch einfach ausprobieren.“ Sicher sei, dass der Platz vorher nicht einladend gewesen sei, sondern vielmehr geprägt von Verkehrslärm und Uringestank.
Bürger aus Essen-Holsterhausen reagieren mit Unterstützung, aber auch mit Kritik
Bei vielen der Bürgerinnen und Bürger, die am Mittwochmorgen vor Ort waren, kam das gut an. „Ein Riesen-Kompliment“ machte zum Beispiel Uwe Skoczypik dem Bürgerprojekt: „Diese Idee finde ich unheimlich toll.“ Ihn ärgere es, wenn Autofahrer auf einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe beharrten. „Wenn sie 300 Meter laufen müssten, parken sie manchmal lieber auf dem Zebrastreifen.“ Einem anderen Anwohner war das Konzept des Bürgerprojektes gar zu defensiv formuliert. „Sie sagen, sie wollen nicht gegen Autos kämpfen. Wieso eigentlich nicht?“, fragte er.
Petra S., die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, fühlte sich dagegen negativ an das ebenfalls durch Be-Move umgesetzte Stadtterrassenprojekt erinnert. „Vor meinem Haus war es laut, Jugendliche haben gesoffen, es lag so viel Dreck rum. Das war schlimm“, erzählte sie. Nun sorge sie sich, dass die Sitzmöglichkeiten auf dem Gemarkenplatz ein ähnliches Publikum anziehen werden.
Engagierte des Essener Bürgerprojektes wollen Platz im Blick behalten
Die 84-jährige Renate Nadeschdin, die seit über 60 Jahren in Holsterhausen lebt, rechnet mit Vandalismus. „Man erlebt doch ständig, dass die Abfalleimer abgetreten werden. Letztens hat jemand vor meinem Haus einen neuen Stromkasten besprüht“, sagte sie. Sie sei sich sicher: „Irgendwer wird hier alles kaputtmachen und die Kiste mit den Spielsachen ausräumen.“ Organisator Markus Schürmann betonte hierzu, dass jeden Tag einer der Initiatoren vor Ort sein und den Platz im Blick behalten werde. Außerdem seien direkte Nachbarinnen und Nachbarn eingebunden, die ebenfalls nach dem Rechten schauten.
Rein gar nichts mit dem Projekt anfangen konnten zwei Anwohnerinnen, die die Szene etwas von außerhalb beobachteten. Ihr Urteil fiel ziemlich direkt aus. „Für was soll das gut sein?“, fragte eine der Frauen. „Damit Obdachlose sich hier zum Schlafen hinlegen?“ Für sie sei die Umgestaltung des Gemarkenplatzes genauso sinnfrei wie das Projekt Stadtterrassen. Lieber solle man das Geld in die Schulen stecken. Ihre Begleiterin pflichtete ihr bei und ergänzte: „Die Stadt sollte lieber was für unsere Hunde tun. Die haben hier nirgendwo einen Platz, wo sie mal laufen können.“