Essen. Die Alte Synagoge in Essen wird für sieben Millionen Euro aufwendig saniert. Auf der Baustelle herrschen höchste Sicherheitsstandards.
Videokameras, Einlass per Drehkreuz, hohe Bauzäune und eine weiträumige Absperrung: Bei der Dach- und Fassadensanierung der Alten Synagoge Essen herrschen für eine Baustelle ungewöhnlich hohe Sicherheitsstandards. Und das aus gutem Grund: Das Gebäude, das seit Jahren intensiv von der Polizei überwacht wird, gilt als symbolischer Anschlagsort ersten Ranges – insbesondere durch antisemitische und rechtsextreme Kreise.
Erst im November letzten Jahres war das Rabbinerhaus neben der Synagoge Ziel eines Anschlags. In der Nacht auf den 18. November 2022 waren Pistolenschüsse auf das Gebäude abgefeuert worden. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe hat den Fall an sich gezogen.
„Die Bauarbeiter dürfen die Baustelle nur mit Ausweis betreten“, sagt der Baulogistiker, der für die Einrichtung der Baustelle verantwortlich ist.
Ursprünglich hatte man die Baustelle an der Alten Synagoge schon im vergangenen Dezember einrichten wollen. Doch daraus wurde nichts, die Bauarbeiten beginnen nun mit einem halben Jahr Verspätung. Auch die Fertigstellung wird sich entsprechend verschieben: vom vierten Quartal 2023 auf Sommer 2024.
Sanierungskosten werden auf sieben Millionen Euro geschätzt
Der Sanierungsbedarf am städtischen Kulturinstitut „Alte Synagoge – Haus der jüdischen Kultur“ ist erheblich: Die Dacheindeckung ist mehr als 60 Jahre alt und auch die Natursteinfassade ist in die Jahre gekommen. Die aktualisierte Planung sieht rund sieben Millionen Euro Sanierungskosten vor. Bei einer ersten Bestandsaufnahme 2015 war man von fünf Millionen Euro ausgegangen. Die Alte Synagoge ist das größte frei stehende Synagogengebäude nördlich der Alpen. Die imposante freischwebende Kuppel hat eine Höhe von 37 Metern.
Mit der Einrichtung der Dauerbaustelle an der Steeler Straße ist am vergangenen Montag (22. Mai) begonnen worden. Die hohen Sicherheitsstandards sorgen bei Passanten für Gesprächsstoff. Zunächst müsse die Grundleitung saniert werden, so das Presseamt der Stadt. Dafür seien etwa drei Monate eingeplant. Danach wird die Alte Synagoge für lange Zeit hinter einem Gerüst verschwinden. Sofern die Arbeiten nach Plan verlaufen, wird das Gerüst an der Alten Synagoge voraussichtlich bis in den April 2024 angebracht sein. Das Gerüst am Rabbinerhaus wird voraussichtlich bis Mitte Oktober 2023 stehen.
Die gute Nachricht für Besucher und Freunde des Museums und Kulturinstituts: Die Alte Synagoge wird während der Arbeiten an Fassade und Dach weiterhin geöffnet sein. Lediglich der Zugang zur Orgelempore müsse in den Sommerferien für einige Wochen gesperrt werden, da einer der davon abgehenden Fluchtwege wegen einer Schadstoffsanierung und eines damit verbundenen Gerüstbaus nicht begehbar ist.
Das imposante Gotteshaus wird 1913 nach den Plänen von Edmund Körner fertiggestellt
Die Steeler Straße, die ohnehin Sackgasse ist, bleibt zwischen Synagoge und altkatholischer Friedenskirche weiterhin für Fußgänger passierbar. Auch Streifenwagen der Polizei, die auf dem Edmund-Körner-Platz die Bewachung des Gebäudes übernehmen, können die Baustelle nach wie vor passieren.
Um sich gründlich auf die Sanierung der Alten Synagoge vorzubereiten, habe es bis Ende April umfangreiche Planungs- und Koordinierungsprozesse in enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde gegeben. Dazu zählten verschiedene Voruntersuchungen, Begehungen, Kamerabefahrungen Schadenskartierungen und Methodenerprobungen samt Auswertungen. Zu den größten Herausforderungen zählte die Frage, welche Reinigungsmethode dem Kalkstein der Natursteinfassade am wenigsten schadet. Hinzu kam die Frage, welche Schadstoffe vorliegen und wie diese zu behandeln sind.
Die Alte Synagoge ist zusammen mit dem Rabbinerhaus im Jahr 1913 nach zweijähriger Bauzeit nach Plänen des Architekten Edmund Körner fertiggestellt worden. Das Baukunstwerk aus der Kaiserzeit zählt heute zu den größten und am besten erhaltenen architektonischen Zeugnissen jüdischer Kultur vor dem Ersten Weltkrieg.
Nach dem Holocaust übernimmt die Stadt Essen das Gebäude
Bei den Novemberpogromen der Nazis in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ist die Synagoge im Innern stark beschädigt worden. Die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude ohne weitere nennenswerte Schäden.
Nachdem die kleine jüdische Gemeinde an der Sedanstraße 1959 eine neue Synagoge errichtete, ging die Alte Synagoge in den Besitz der Stadt Essen über. Sie richtete dort 1960 ein Museum für Industriedesign ein. Die Neueröffnung als Haus der jüdischen Kultur erfolgte im Jahr 2010.