Essen. Katholiken aus der queeren Community, Mitarbeiter des Bistums und andere Interessierte wollen eine „verletzende kirchliche Lehre“ überwinden.

Bunt und vielfältig: Dass das im Ruhrgebiet und im Märkischen Sauerland auch für die katholische Kirche gilt, will das neu gegründete „Netzwerk Queer“ im Bistum Essen deutlich machen. Katholische Menschen aus der queeren Community, Mitglieder der bundesweiten Initiative „OutInChurch“, aus Jugendverbänden und dem Diözesanrat, Seelsorger, Fachleute aus Caritas und Bildungsarbeit sowie Menschen, die auf dem Gebiet der Theologie tätig sind, haben sich in diesem Netzwerk zusammengeschlossen, um für andere queere Menschen ansprechbar zu sein, gegen Diskriminierung zu kämpfen, die Seelsorge für diese Zielgruppe weiterzuentwickeln und gleichzeitig die Offenheit sichtbar zu machen, die es im Bistum Essen für queere Menschen gibt.

Kirche habe Menschen „durch diskriminierende Haltung und Praxis schweres Leid zugefügt“

„Wir sind aus unserem christlichen Glauben heraus davon überzeugt, dass Gott uns Menschen nach seinem Bild geschaffen hat – in größter Vielfalt. Jeder Mensch hat eine einzigartige Würde und darf sein, wie er oder sie ist. Im Blick auf queere Menschen hat unsere Kirche diese Wahrheit viel zu lange nicht gesehen und durch eine diskriminierende Haltung und Praxis vielen Menschen schweres Leid zugefügt“, sagt Generalvikar Klaus Pfeffer. Umso wichtiger sei es, dass man nun Schritt für Schritt zu mehr Offenheit und einem neuen Miteinander in der Kirche finde. Vorurteile und vor allem eine ausgrenzende, verletzende kirchliche Lehre müssten überwunden werden.

„Für diesen Weg der Offenheit steht unser neues ,Netzwerk Queer‘“, betont Pfeffer. Von einer queersensiblen Seelsorge über die Neuerungen im kirchlichen Arbeitsrecht bis hin zu den Themen des katholischen Reformdialogs Synodaler Weg reichen die Themen, mit denen sich das Netzwerk beschäftigt und zu denen es umfangreiche Informationen auf einer Internetseite (queer.bistum-essen.de) zusammengestellt hat. Diese Seite ist am 17. Mai pünktlich zum „Idahobit“ freigeschaltet worden, dem internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (englisch: International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia).

Netzwerk will Wissen und Erfahrungen bündeln und weitergeben

Dieses Datum ist dem Kampf gegen Diskriminierung gewidmet, weil die Weltgesundheitsorganisation am 17. Mai 1990 Homosexualität von der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen hat. „Wir freuen uns, dass in unserem ,Netzwerk Queer‘ so viele verschiedene Personen und Organisationen zusammenarbeiten. So profitiert das Netzwerk von vielfältigen Kontexten und kann zugleich jede Menge Know-how bündeln und weitergeben“, sagt Andrea Qualbrink, Co-Leiterin des Bereichs Pastoralentwicklung im Bistum Essen, die sich auch beim Synodalen Weg für eine größere Offenheit der Kirche für queere Menschen engagiert hat. Mit dem englischen Begriff queer (von deutsch: quer) werden Menschen zusammengefasst, deren Geschlechtsidentitäten nichtbinär oder trans sind, sowie Menschen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist.

Qualbrink koordiniert das Netzwerk zusammen mit David Faßbender, Referent für diakonische und diversitätsbewusste Jugendpastoral. Beide stehen mit ihren Kontaktangaben auf der Internetseite und leiten Anfragen zu allen Themen des Netzwerks an Fachleute weiter. Fragen zum Arbeitsrecht seien dabei ebenso willkommen wie Anfragen zu Bildungsveranstaltungen etwa in Pfarreien und Verbänden oder das Interesse an queersensibler Pastoral, so Faßbender.

Auch Weihbischof Ludger Schepers unterstützt die Initiative

Im Netzwerk und mit Interessierten werden gemeinsam Angebote konzipiert, initiiert und weiterentwickelt. Dieses Engagement unterstütze auch der Essener Weihbischof Ludger Schepers mit vollem Herzen. Er ist der Queer-Beauftragte der Deutsche Bischofskonferenz und hat in den vergangenen Monaten immer wieder einen neuen, offeneren Umgang der Kirche mit queeren Menschen gefordert und zudem entschieden das Nein der deutschen Bischöfe beim Synodalen Weg zu einer Neubewertung der kirchlichen Sexualmoral kritisiert.

„Ich freue mich, dass sich trotz mancher Rückschläge so viele Menschen und Organisationen in den verschiedenen Queer-Netzwerken engagieren“, sagt Schepers. Nach dem offiziellen Start soll die Netzwerk-Arbeit nun wachsen und Früchte tragen, hoffen die Beteiligten: Eine größere Material-Auswahl, ein Veranstaltungskalender, neue Seelsorgeangebote und weitere Kooperationsbeteiligte für eine noch intensivere Vernetzung sind Perspektiven, die das Netzwerk in den kommenden Monaten angehen möchte – damit queere Menschen immer selbstverständlicher Teil der Kirche werden.