Essen. CDU, Grüne und FDP setzen die Anmietung eines Bürobaus in Heidhausen als Notunterkunft durch. Eigentümer Jänsch sieht sich zu Unrecht am Pranger.

Ein geheimniskrämerischer Investor und ein selbstkritischer OB, der unbelegte Vorwurf eines Insider-Deals und eine namentliche Abstimmung – lange schon ging es in Asyl-Fragen nicht mehr so hoch her wie am Mittwoch, als der Stadtrat über die geplante Flüchtlings-Unterkunft für bis zu 250 Personen an der Barkhovenallee in Heidhausen stritt. Am Ende stand nach 90 Minuten Debatte gleichwohl eine satte Mehrheit von CDU, Grünen und FDP, der Weg zum Umbau des Bürogebäudes ist frei.

Ein ungutes Gefühl bleibt dennoch – auf allen Seiten. Oberbürgermeister Thomas Kufen etwa räumte ein, man hätte der örtlichen Politik mehr Zeit für die Entscheidung einräumen müssen. Aber der Druck auf die Stadtverwaltung, ausreichend Unterkünfte zu organisieren, sei eben enorm, „vielleicht muss ich mir ankreiden, dass wir nicht ausreichend rübergebracht haben, vor welchen gewaltigen Aufgaben diese Stadt seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine steht“. Der OB versprach, die Kritik ernst zu nehmen, es „bei den nächsten Entscheidungen besser zu machen“ – und appellierte vor allem in Richtung der Sozialdemokraten, die Asyl-Entscheidung wenigstens ohne ausdrückliche Gegenstimme nur zur Kenntnis zu nehmen.

Sieht sich zu Unrecht als Anbieter von Asyl-Immobilien am Pranger: Peter Jänsch, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2017, als er das aufgegebene Kloster Schuir zur Flüchtlingsunterkunft umbaute.
Sieht sich zu Unrecht als Anbieter von Asyl-Immobilien am Pranger: Peter Jänsch, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2017, als er das aufgegebene Kloster Schuir zur Flüchtlingsunterkunft umbaute. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

„Ich wurde gefragt, ob ich nicht helfen könne“, sagt Immobilien-Eigner Peter Jänsch

Doch der Appell fruchtete nicht einmal durchgehend in den eigenen Reihen, der örtliche CDU-Ratsherr Yannick Lubisch votierte in nichtöffentlicher Sitzung gegen das Vorhaben. Auf genau solche Keile in der Ratsmehrheit hatten die Gegner gehofft. Ihnen stößt nicht nur die Laufzeit des Mietvertrages von zwölf Jahren sauer auf. Man fühle sich, so hieß es, durch den Investor auch künstlich unter Druck gesetzt. „Wollen wir uns vor den Karren von Geschäftsleuten spannen lassen?“, fragte Elisabeth van Heesch-Orgass von der Tierschutzpartei.

Peter Jänsch, Eigentümer des Bürobaus an der Barkhovenallee und schon bei diversen Immobilien, vom Opti-Gewerbepark bis zum Kloster Schuir, Anbieter von Notunterkünften, fühlt sich in der Debatte zu Unrecht an den Pranger gestellt. Keineswegs nämlich habe er der Stadt das Gebäude vor der Nase weggeschnappt – wohl wissend, dass die Verwaltung händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete suchte. Vielmehr sei die Stadt bei ihm vorstellig geworden: „Ich wurde gefragt, ob ich nicht helfen könne“, sagt der Immobilien-Unternehmer.

„Das riecht nach Insider-Geschäften“, raunt die PARTEI, aber Beweise hat sie keine

Mit den Verkäufern des ehemaligen Verwaltungsgebäudes stand Jänsch nach eigenen Worten bereits seit Mitte 2022 in Verkaufsverhandlungen, wollte dort ursprünglich 75 Mietwohnungen einrichten. „Erst auf Anfrage der Stadt im Februar 2023, ob ich angesichts von fast 1000 wegfallenden Plätzen in Essen nicht mit einer Immobilie aus meinem Bestand helfen könnte, habe ich der Stadt die Barkhovenallee genannt und die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft prüfen lassen“, erklärt Jänsch gegenüber der Redaktion. Ein städtisches Tochterunternehmen wollte ihm den Vertrag in letzter Minute noch wegschnappen, doch der Verkäufer sah sich im Wort.

Das Groß-Asyl im ehemaligen Opti-Gewerbepark im Westviertel war ebenfalls ein Jänsch-Projekt. Das Land zog sich 2017 vorzeitig aus dem Mietvertrag zurück – und zahlte 16 Millionen Euro Entschädigung.
Das Groß-Asyl im ehemaligen Opti-Gewerbepark im Westviertel war ebenfalls ein Jänsch-Projekt. Das Land zog sich 2017 vorzeitig aus dem Mietvertrag zurück – und zahlte 16 Millionen Euro Entschädigung. © WAZ FotoPool | Ulrich von Born

Was bei manchem in der Politik die Frage aufwirft, warum die Stadt dann nicht offen Namen preis gibt. Warum sie eine TSW Wohnbau GmbH aus Bottrop als Käufer nennt, ohne Peter Jänsch zu erwähnen, dem 80 Prozent der Gesellschafts-Anteile gehören. Überhaupt, dass er wieder mal mit von der Partie sei, „das riecht nach Insider-Geschäften“, raunt Matthias Stadtmann von der PARTEI, bleibt dafür aber jeden Nachweis schuldig.

12,75 Euro Miete – angesichts anstehender Umbauten „angemessen“, findet die Stadt

Und vielleicht sind es ja doch eher das leidende persönliche Image oder Anfeindungen vor Ort, warum Immobilien-Unternehmer mit Asyl-Bauten nicht gern in Verbindung gebracht werden wollen. Schon warnt OB Kufen, dass „es ja nicht so ist, dass alle Schlange stehen und uns Einrichtungen anbieten“. Er fürchtet, dass öffentliche Kritik noch die letzten Ansprechpartner vergrault: „Ich bitte, damit das Geschäft für uns nicht noch zusätzlich erschwert wird, in der Sprache und im Umgang mit denjenigen, die uns solche Einrichtungen anbieten, vernünftig umzugehen. Sonst macht es zukünftig keiner mehr.“

Jänsch jedenfalls, heißt es verwaltungsintern, habe sich immer als verlässlicher Partner erwiesen. Und der Mietpreis von 12,75 Euro je Quadratmeter, sei „mehr als fair“, findet Jänsch selbst – angesichts des Zustandes und der Lage der Immobilie. Die Umbaukosten machten, verzinst mit vier Prozent und verteilt auf zwölf Jahre, 3,56 Euro aus, die Grundmiete liege damit unter zehn Euro pro Quadratmeter. Auch bei der Stadt findet man den Preis absolut „angemessen“.

Besser ein Büro-Bau in Heidhausen als Zeltstädte, Turn- oder Sporthallen, mahnt die FDP

Und die kurze Frist? Es sei doch der Wunsch der Stadt gewesen, das Gebäude zum 1. Oktober zu übernehmen, so Jänsch. Und er habe die Stadt halt schriftlich darauf gewiesen, dass Termin und Preis nur zu halten seien, wenn die Entscheidung bereits in der Mai-Sitzung falle und nicht erst im Sommer. Über Ausstiegsklauseln lasse sich zudem verhandeln.

Keiner will mehr zurück zu den Zeltstädten, in denen 2016/2017 stadtweit hunderte Flüchtlinge in Ermangelung geeigneter Immobilien untergebracht wurden. Hier eines der Dörfer auf dem ehemaligen Sportplatz „Am Volkswald“ in Heidhausen.
Keiner will mehr zurück zu den Zeltstädten, in denen 2016/2017 stadtweit hunderte Flüchtlinge in Ermangelung geeigneter Immobilien untergebracht wurden. Hier eines der Dörfer auf dem ehemaligen Sportplatz „Am Volkswald“ in Heidhausen. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

Den Sozialdemokraten ist das alles zu kleinteilig. Sie fordern „ein richtiges Konzept“ ein und ernten dafür Unverständnis bei der CDU: Es bringe stadtweit nur Unruhe, wenn die Verwaltung alle möglichen Immobilien unter die Lupe nehmen, „von denen wir hinterher keine nehmen“, so CDU-Fraktionsvize Dirk Kalweit. Er habe jedenfalls, ergänzte Hans-Peter Schöneweiß (FDP) „so viel Vertrauen in die Verwaltung“, dass sie in Sachen Asyl im Sinne der Bürger wirke. Motto: Lieber ein Büro-Bau in Heidhausen als Zeltstädte, Turn- oder Sporthallen zu belegen.

Und auch der Faktor Zeit spreche eher für private als für städtische Investitionen: Die von Jänsch angepeilten vier Monate Umbauzeit seien jedenfalls ausgesprochen „sportlich“, staunt Bau- und Planungsdezernent Martin Harter: „Das wäre uns hier in dieser Zeit nicht gelungen.“