Essen-Altenessen. In den Altenessener Schrottimmobilien wohnen 160 Menschen aus 16 Nationen. Ein Besuch vor Ort nach der Razzia Anfang Mai.
Im Hinterhof steht eine verlassene Kaffeetafel mit Wohnzimmerstühlen, dahinter ein Stapel schwarzer Müllsäcke. Jemand hat seinen Hausmüll ins Baumbeet an der Altenessener Rahmstraße gekippt. Anfang Mai war diese Adresse Schauplatz einer großen Razzia. Es spielte sich dabei in etwa das Gleiche ab wie vor sieben Jahren – mit den gleichen Ergebnissen. Manche Nachbarn sind über die Zustände sehr verärgert, andere haben resigniert.
Klingelschilder an Altenessener Schrottimmobilien rausgerissen
„Das war schon immer so“, sagt Armir. Der 36-Jährige hat sich mit seinem Kollegen Olli bei der Bude an der Ecke getroffen. Die beiden kommen aus dem Essener Norden und erzählen: „Die leben unter sich.“ Die, das sind nach Angaben der Stadt 160 Menschen aus 16 verschiedenen Nationalitäten, die in den markanten grünen Häusern an Rahmstraße und Palmbuschweg wohnen.
Die Klingelschilder sind dort großteils rausgerissen, wenn es noch eine Haustür gibt, steht diese offen. Im Treppenhaus riecht es nach altem Zigarettenrauch, der Aschenbecher steht neben einem alten Reisstrohbesen auf einer ausrangierten Kommode. Am Treppenabsatz ein Paar verlassene rosafarbene Plüschpantoffeln. Auch Wohnungstüren sind nicht immer eingebaut.
Müllberge im Hinterhof von Altenessener Problemimmobilien
Bauliche Mängel sind bei der Razzia aufgelistet und an den Eigentümer übergeben worden. Der muss sich laut Stadt jetzt kümmern. Razzia sei da ständig, mal größer, mal kleiner, erzählt der 51-jährige Olli und nimmt einen Schluck aus der Stauder-Flasche. Ändern würde sich aber nichts. Hauptproblem sei der Müll. Angefangen bei einer leeren Packung Nudeln über volle Windeln bis hin zu ganzen Bergen aus Möbeln und Teppichen: Das findet sich vor, neben und hinter diesen Problemhäusern. Die Menschen selbst seien laut Olli und Armir mittlerweile aber friedlich. „Unhygienisch und unzuverlässig“ seien sie, aber nicht aggressiv.
„Die kontrollierten Bewohnerinnen und Bewohner verhielten sich insgesamt ruhig und kooperativ“, erklärt auch Stadtsprecherin Silke Lenz. Um dies zu fördern, seien bei der Razzia am 10. Mai gezielt Dolmetscher im Einsatz gewesen, die in der jeweiligen Sprache rasch deeskalierend und insbesondere erklärend auf die Personen eingewirkt hätten. „Wir mussten nur unsere Zimmer zeigen“, sagt ein Mädchen in gebrochenem Deutsch und zuckt die Schultern. Sie wohnt mit ihren sechs Geschwistern und den Eltern an der Rahmstraße.
Problemimmobilien in Altenessen: Jugendamt musste eingreifen
Insgesamt leben in den Problemhäusern an Rahmstraße und Palmbuschweg nach Angaben der Stadt 50 Kinder. Das Jugendamt hat einen Blick darauf und war bei der Razzia dabei. Ergebnis? „Bei einer geringen Fallanzahl wurden Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls seitens des Jugendamtes ergriffen“, sagt Silke Lenz und ergänzt, dass es dabei hauptsächlich um das Wohnumfeld der Kinder gehe. Weitere Details nennt sie nicht. Rund 100 Einsatzkräfte verschiedener Ämter kontrollierten zudem Betrügereien bei Transferleistungen wie Kindergeld und Sozialhilfe und listeten bauliche Mängel auf.
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So entspannt wie Olli und Armir sehen die Situation nämlich längst nicht alle Nachbarn. Die Razzia sei „aufgrund diverser Beschwerden aus der Bürgerschaft und Ortspolitik“ erfolgt, erklärt Lenz. Die Immobilien seien allerdings grundsätzlich im Blick der Behörden, da es dort in der Vergangenheit auch schon immer wieder Beschwerden gegeben habe. Im Behördendeutsch hört sich das so an: „Aus Sicht des Ordnungsamtes liegen in diesem Bereich kontinuierlich Zustände vor, die dem allgemeinen Verständnis auf eine nachbarschaftliches Zusammenleben und der Gestaltung der Nachbarschaft widersprechen.“
Ankauf von Problemimmobilien in Essen kann langfristig erfolgreich sein
Verbessert hat sich die Situation seit der letztem Groß-Kontrolle vor sieben Jahren jedenfalls nicht. Schlimmer geworden ist sie aber auch nicht unbedingt. Gibt sich die Stadt damit zufrieden? „Zustand, Pflege und auch eine soziale Kontrolle innerhalb einer Immobilie obliegt dem jeweiligen Eigentümer“, erklärt Silke Lenz. Dieser Verpflichtung müsse er jetzt nachkommen, sonst drohen Zwangsgelder.
Wirklich an der Situation etwas ändern würde sich wahrscheinlich nur, wenn die Stadt die Immobilien ankaufen würde. Ob das geplant ist und ob der Eigentümer auch verkaufen will, lässt die Stadt auf Anfrage der Redaktion offen, erklärt nur, dass grundsätzlich die Möglichkeit bestünde und am Beispiel von anderen Immobilien im Stadtgebiet zuletzt gezeigt wurde, dass das langfristige Erfolge haben könne.