Essen-Holsterhausen. Der Wochenmarkt in Holsterhausen leidet an Bedeutungsverlust – so wie der ganze Stadtteil. Unser Check zeigt: Zu Unrecht!
Es ist ein bisschen unfair, den Holsterhauser Wochenmarkt ausgerechnet am Gründonnerstag für unsere Serie „Marktcheck“ unter die Lupe zu nehmen, am Tag vor Karfreitag, denn viele Wochenmärkte in der Region, die sonst immer freitags stattfinden, werden einen Tag früher abgehalten, also an just diesem Donnerstag. Und weil manche Händler andere Märkte dem in Holsterhausen offenbar vorziehen, gibt es heute Lücken. Der Fisch-Stand zum Beispiel ist nicht da. Andere auch nicht. Wir zählen rund 20 Stände, sonst sind es gut 25 bis 30.
Und jetzt kommt das große Aber, denn: Trotzdem lohnt sich ein Besuch! Obst- und Gemüsehändler Robert Mauermann, selbst in Holsterhausen aufgewachsen, steht zwischen französischen Schalotten für 4,95 Euro das Kilo und einer Kiste glänzender Äpfel der Sorte „Ambrosia“ und sagt: „Holsterhausen ist ein wunderschöner Stadtteil, aber zu viele Leute ziehen es vor, in Rüttenscheid einkaufen zu gehen. Leider sind das die Leute in Holsterhausen ein bisschen selbst schuld.“
Kurze Apfelkunde am Rande des Marktgeschehens
Okay, spannende These, da wüssten wir jetzt gerne mehr drüber, aber „Ambrosia“ lenkt uns gerade so ab: Herr Mauermann, warum glänzen die Äpfel denn so? „Weil die mit Schellack eingerieben wurden“, berichtet der Händler, zeigt zum Beweis auf einen entsprechenden Hinweis auf der Kiste, tatsächlich, da steht: „Überzugsmittel: Schellack“, „und wissen Sie, was Schellack ist? Ein Sekret der Schildlaus, reines Bioprodukt, aber tierisches Erzeugnis, also nichts für Veganer.“
Ein nicht-veganer Apfel, die erste von gefühlt 1000 guten Geschichten, die Mauermann über Äpfel erzählen kann. Andere handeln davon, warum die Apfelsorte „Wellant“ (das Kilo zurzeit 2,50 Euro) gerade dem Klassiker „Elstar“ den Rang abläuft (im Geschmack etwas vielfältiger, ist der saure „Boskop“ mit drin), warum er den „Topas“ für einen Geheimtipp hält (etwas süßer, leider nur in Süddeutschland zu Hause), und warum die Sorte „Jazz“ einen passenden Namen hat (weil er so kracht beim Kauen).
Markthändler: „Stammkunden in Holsterhausen sind besonders treu“
Okay, Crashkurs Apfelogie beendet, und Holsterhausen? „Die Nähe zu Rüttenscheid ist das Hauptproblem, denn eigentlich stimmt hier vieles, auch städtebaulich.“ Und markttechnisch? „In Steele und Haarzopf stehen wir auch, hier sind deutlich mehr Zufallskunden, in Haarzopf sind es 90 Prozent Stammkunden, hier höchstens 50.“
Sein Gegenüber, der Markthändler Roland Völlenklee (85), der ebenfalls Obst und Gemüse anbietet, ergänzt: „Die Stammkunden sind in Holsterhausen besonders treu!“ Das heißt, sie kommen auch bei Wind und Wetter.
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Trotzdem war dieser Wochenmarkt schon mal größer, viel größer, „die Zahl der Stände betrug gut und gerne das Doppelte“, erinnert sich Völlenklee, „das ging bis zur Kreuzung Savignystraße.“ So gesehen, ist die schwindende Größe des Marktes in Holsterhausen leider ein Beispiel für die schwindende Bedeutung Holsterhausens als Standort des lokalen Einzelhandels, entsprechend des viel besprochenen Niedergangs der Gemarkenstraße als Einkaufsstraße.
Obwohl ja ernsthaft so viel für Holsterhausen spricht: „Hier ist es viel entspannter als in Rüttenscheid“, sagt Händler Franck Roullé, der mit seinem Wagen mit französischen Spezialitäten in beiden Stadtteilen präsent ist. In Holsterhausen gebe es ebenfalls zahlungskräftiges Publikum, das Wert auf gute Qualität beim Käse oder seinen französischen Pasteten lege, „nur, dass man hier die Nase nicht so hoch trägt wie manche Leute in Rüttenscheid.“
Markt-Check Holsterhausen: das Angebot
Alles, was ein Wochenmarkt braucht. Mehrere Stände mit Obst und Gemüse, auch hochwertiges und -preisiges ist dabei, viel Bio, teilweise sehr große Auswahl. Mehrere Stände mit türkischen Antipasti, also Fladenbrot, Sesamkringel, Frischkäse. Blumen in großer Auswahl, Spezialitäten wie Nüsse und Trockenobst, nur ein einziger Stand mit billigem Schmuck und Geldbörsen fällt aus dem Rahmen.
Weitere Einkaufsmöglichkeiten: Wenige Meter entfernt liegt ein Rewe-Markt (Gemarkenstraße 43), und der nächste „Netto“ ist fünf bis zehn Fußminuten entfernt (Gemarkenstraße 10, also jenseits der Holsterhauser Straße).
Markt-Check Holsterhausen: die Kunden
Erkennbar viele Kundinnen und Kunden wohnen in direkter Nachbarschaft. Menschen zwischen 30 und 80 Jahren, die offensichtlich die Nähe zum Markt schätzen – und Schlange stehen, tatsächlich, am Eierstand. Okay, es war der Tag vor dem Osterwochenende.
Markt-Check Holsterhausen: Gibt’s was zu Essen?
Direkt vor der mächtigen Kirche St. Maria Empfängnis (die große, rote aus Backstein, die das Gesicht des Stadtteils Holsterhausen prägt) gibt es Bratwurst, Currywurst, Pommes, der Wagen erfreut sich regen Zulaufs. Gegenüber gibt’s frische Reibekuchen. Klassiker funktionieren immer.
Markt-Check Holsterhausen: Toiletten und Parkmöglichkeiten
Beides: Fehlanzeige. Zumindest haben wir keine öffentlichen Toiletten gesehen, und wie die Parksituation in einem der dichtbesiedeltesten Stadtteile Essens ist, kann man sich ja ausmalen. Für alle, die es nicht wissen: Holsterhausen und damit der Wochenmarkt ist sehr gut mit der U17 erreichbar (Gemarkenplatz).
Markt-Check Holsterhausen: Atmosphäre und Fazit
Ein Wochenmarkt, wie er sein soll. Die Stimmung ist entspannt und friedlich, und der Besuch gleicht tatsächlich einem Kurzurlaub. Dieser Wochenmarkt wird ganz sicher, so wie der gesamte Stadtteil, unterschätzt und leidet, aus welchen Gründen auch immer, an Schwund. Verdient haben das weder der Markt noch der Stadtteil.
Wochenmarkt Holsterhausen, immer donnerstags, ab 12 Uhr.