Essen. Der RIAS-Kammerchor, die Akademie für Alte Musik Berlin und exzellente Solisten machten das monumentale Werk in der Philharmonie zum Ereignis.
Zumindest bei dieser Aufführung von Bachs „Matthäuspassion“ kann man den Superlativ nicht aussparen. Der RIAS-Kammerchor, die Akademie für Alte Musik Berlin und exzellente Solisten waren die Garanten, die das monumentale Werk in der voll besetzten Philharmonie zum nachhaltigen Ereignis machten.
Wenn der Zuhörer die dreistündige Pilgerfahrt nicht als beschwerlich, sondern höchst anregend erlebte, lag das nicht zuletzt an Justin Doyle am Pult. Der Brite, selbst einst Chorknabe an Westminster und dem King’s College, schöpfte ganz aus dem Pioniergeist eines John Eliot Gardiner: begeistertes Barockmusizieren gegen jede Patina und feierliche Breite, dafür von anspringender Unmittelbarkeit, in bewegten Tempi und portato abgesetzter Artikulation. Sein dramatischer Instinkt formt quasi durchkomponierte Szenen (Verrat und Anklage), die spannender und kontrastschärfer kaum ausfallen könnten, sein Ausdrucksempfinden setzt dagegen innige Kontemplation in den Arien und strömenden, weit gezirkelten Chorälen.
Kammerchor demonstrierte seine vielseitige Spitzenklasse
Der 34-köpfige, doppelchörig platzierte RIAS-Kammerchor dokumentierte hier samt Soliloquenten aus eigenen Reihen in atemberaubender Vielseitigkeit seine Spitzenklasse vom schlichten „Gemeindelied“ über den komplexen kommentierenden Satz bis zu den hitzigen Turbae des aufgebrachten Volkes. Die der historisch informierten Aufführungspraxis verpflichtete Akademie war nicht nur instrumentales Fundament, sondern bestach – die Holzbläser, die Violinen, die Gambe – durch wunderbare, mit den Sängern verschränkte Soli.
Unter ihnen gab Dominic Barberi den Jesusworten samtig ausgelegte sonore Basswürde. Patrick Grahl mit seinem geerdeten, substanzreichen Tenor war ein Evangelist, der seine tragende Rolle gleichermaßen mit emotionaler Teilnahme wie Belcanto-Kultur erfüllte. Dazu Benno Schachtners kraftvoller wie lyrisch warmer Altus sowie Aoife Miskelly (Sopran), Benjamin Glaubitz (Tenor) und Konstantin Krimmel (Bariton).
Kurzum eine Wiedergabe von Referenzqualität. Eine Sensation eben.